Unter Corona-Sicherheitsmaßnahmen, ohne Zuschauer und mit einem ÖSV-Debakel begann in Tirol die neue Saison im professionellen Skisport.
Sölden. Am Rettenbachferner im südlichen Ötztal wurde am vergangenen Wochenende – wie jedes Jahr seit der Jahrtausendwende – der Startschuss zur Weltcupsaison 2020/21 der professionellen Alpin-Skifahrerinnen und ‑fahrer gegeben. Mit jeweils einem Riesentorlauf für Frauen und Männer beginnt hier traditionell das FIS-Rennprogramm mit einem Gletscherevent (Start in über 3.000 Metern Höhe) – ein „Frühstart“ natürlich, denn danach ist erstmal Pause, da andernorts im Oktober noch der Schnee fehlt. Heuer war, ist und wird Corona-bedingt freilich einiges anders im Weltcupzirkus. Das war bereits in Sölden bemerkbar: Es war ein Geisterrennen ohne Zuschauer. Nur logisch, denn solche Veranstaltungen gipfeln nicht nur zwangsläufig in einer Après-Ski-Party, sondern animieren das Publikum vor Ort schon tagsüber zu Alkoholkonsum und abstandsloser Interaktion. Es muss ja ein Event sein.
Corona-Maßnahmen und finanzielle Verluste
Der internationale Skiverband FIS reagierte mit einigen weiteren Maßnahmen auf die Pandemiesituation: Die Veranstaltungen in Nordamerika wurden für diese Saison aus dem Kalender gestrichen, ebenso die Kombinationsbewerbe. Das notwendige Personal (Sportler, Trainer, Serviceleute, FIS-Offizielle freiwillige Helfer sowie technisches und medizinisches Personal, aber auch Medien- und Sponsorenvertreter) soll geringgehalten werden und in unterschiedliche Gruppen mit wenig gegenseitigem Kontakt unterteilt werden. Regelmäßige Corona-Tests an den Skifahrern werden analog zu Dopingtests durchgeführt – wer positiv ist, darf nicht starten und kommt in Sebstquarantäne. Zudem sollen die Rennen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, was z.B. in Skandinavien kaum auffallen wird, in Kitzbühel, Schladming, Wengen oder Adelboden jedoch ein schwerer stimmungsmäßiger und v.a. finanzieller Schlag ist. Das gilt auch für Cortina d’Ampezzo, wo im Februar 2021 die Alpine Weltmeisterschaft geplant ist. Da der Profisport auch im Winter und hier insbesondere in den Alpen ein riesiges Geschäft ist, das nicht nur direkte sowie TV- und Werbeeinnahmen bringen, sondern auch den Tourismus befördern soll, könnte die Saison für manche Veranstalter, Orte und Verbände empfindlich werden. Trotzdem beugte sich die FIS den Fakten, da die vergangene Saison nach Ausbruch der Corona-Pandemie vorzeitig abgebrochen werden musste – dies soll freilich nicht noch einmal passieren. Man wird sehen, wie mit steigenden Infektionszahlen und ersten CoViD-19-Fällen unter den Aktiven umgegangen werden wird.
Historische Talfahrt für den ÖSV
Sportlich endeten die beiden RTL-Rennen am Samstag und Sonntag in Sölden mit einem Desaster für den Österreichischen Skiverband (ÖSV), der v.a. in dieser Disziplin nicht mehr konkurrenzfähig ist. Bei den Siegen von Marta Bassino (Italien) und Lucas Braathen (Norwegen) fuhren die ÖSV-Läufer hinterher: Katharina Truppe wurde 15., Stefan Brennsteiner gar nur 17. – nicht gerade Topresultate für die bestplatzierten Aktiven der selbsternannten „Skination Nr. 1“, doch hielt man immerhin gewissenhaft Abstand zum Siegertreppchen. Auch im Gesamtweltcup wird – auch wenn die Prognose nach einem Rennen früh erfolgt – das ÖSV-Personal heuer wieder keine Rolle spielen. Die Favoriten sind bei den Männern der norwegische Titelverteidiger Alexander Aamodt Kilde, sein Landsmann Henrik Kristoffersen und Alexis Pinturault (Frankreich), bei den Frauen die Italienerinnen um Titelverteidigerin Federica Brignone, Petra Vlhová (Slowakei) sowie im Falle einer Rückkehr Mikaela Shiffrin (USA). Im Nationencup, auf dessen Gewinn Österreich über Jahrzehnte ein Monopol zu haben schien, droht neuerlich eine demütigende Niederlage gegen die Schweiz. Die fehlende Leistungsdichte bei den Spitzenfahrern des ÖSV konnten die Erfolge Marcel Hirschers lange kaschieren, seit seinem Rücktritt nach der Saison 2018/19 ist die sportliche Misere jedoch offensichtlich. In der vergangenen Saison konnte keine einzige von 15 zu vergebenden Kristallkugeln gewonnen werden. Vielleicht sollte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel denn doch langsam die Konsequenzen ziehen – nämlich persönliche.