Heute vor 140 Jahren, am 11. März 1885, beschloss der Reichstag zu Wien die 2. Novelle der österreichischen Gewerbeordnung. Damit verbunden waren relevante Fortschritte im Arbeitsschutz – die letzten, bevor die organisierte Arbeiterbewegung 1888/89 auch hierzulande aktiv werden sollte.
Die Frage von Schutzbestimmungen zugunsten der Arbeiterschaft ist vor allem im Zuge der Industriellen Revolution ein größeres Thema geworden. In Österreich gab es erste Fortschritte 1842 (hinsichtlich der Kinder- und Fabriksarbeit), 1854 (im Bergbau) sowie 1859 mit der Gewerbeordnung, die damals auch entscheidende arbeitsrechtliche Bestimmungen umfasste. Mit der 2. Novelle zu dieser Gewerbeordnung im Jahr 1885 konnte man abermals signifkante Fortschritte erreichen, obgleich manches aus heutiger Sicht immer noch unglaublich erscheint.
Als Normalarbeitstag wurde mit März 1885 der 11-Stunden-Tag festgelegt, ebenso die 6‑Tage-Woche. Daneben widmete sich die Novelle der Gewerbeordnung abermals weiteren Verbesserungen bei der Kinderarbeit: Fabriksarbeit war erst ab einem Alter von 14 Jahren erlaubt, bis 16 waren nur leichte Arbeiten gestattet. Jegliche Nachtarbeit wurde für Jugendliche und Frauen gänzlich untersagt.
Das Verbot des Trucksystems, bei dem Arbeiter nicht mit Geld, sondern mit betriebsinternen “Zahlungsmitteln” oder Gutscheinen entlohnt werden, war ebenfalls eine wichtige Maßnahme. Es bedurfte allerdings erst der Reportagen von Victor Adler (1852–1918) über die Ausbeutung der Ziegelarbeiter am Wienerberg, die ab 1886 in der “Gleichheit” erschienen, bis dieses Verbot tatsächlich umgesetzt wurde. Unter anderem dieser Erfolg und die verbundene Aufmerksamkeit begünstigten die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1888/89 in Hainfeld, die unter Adlers Führung zunächst ein marxistisches Programm verfolgte.
Gemäß dem Wachstum der organisierten Arbeiterbewegung flammte zwar auch die Repression wieder auf, ihr steigender Einfuss führte in den folgenden Jahren trotzdem zu weiteren Zugeständnissen und somit Verbesserungen, so z.B. 1895 zum Sonntagsruhegesetz oder 1909 zum Ladenschutzgesetz.
Die wirklich epochalen Erfolge wurden jedoch erst 1918 erreicht: Achtstundentag, 48-Stunden-Woche, Arbeitslosenversicherung, Arbeitsurlaub, Verbot jeglicher Kinderarbeit, Betriebsrätegesetz, Arbeiterkammern etc. – All dies führte die SDAP als Kanzlerpartei 1918–1920 ein, aufgrund des Drucks der Arbeiterklasse – und um diese von der Revolution abzuhalten. Denn spätstens damit endet die Zeit der Sozialdemokratie als revolutionäre, marxistische Arbeiterbewegung für den Sozialismus – sie wurde zur rein reformistischen Kraft, die den Kapitalismus lediglich verwaltet statt ihn zu bekämpfen.
An ihre Stelle traten bereits im Herbst 1918 die damalige Kommunistische Partei (KPÖ) und 2013 die marxistisch-leninistische Partei der Arbeit (PdA), die klar und deutlich sagt: Die umfassende Befreiung der Arbeiterklasse braucht die sozialistische Revolution. Ausbeutung und Unterdrückung werden erst mit dem Sozialismus beendet.