HomeInternationalesBritische Regierung flüchtet in Neuwahlen

Britische Regierung flüchtet in Neuwahlen

Obwohl die Umfragen einen deutlichen Labour-Sieg prognostizieren, ruft der britische Premierminister Sunak vorzeitige Neuwahlen aus. Ändern wird sich wenig.

London. Großbritannien befindet sich mitten im Wahlkampf, nachdem Premierminister Rishi Sunak in der vergangenen Woche überraschend Parlamentswahlen für 4. Juli ausgerufen hat.

Die konservativen Tories, die über eine Mehrheit von über 80 Sitzen im Parlament verfügen, liegen in den Meinungsumfragen 20 Prozentpunkte hinter der Labour Party und müssten eigentlich erst im Herbst oder spätestens im Winter Wahlen ausrufen.

Der wahrscheinlichste Grund dafür, dass Sunak die Wahlen jetzt durchführen lässt, ist, dass er nach dem in der vergangenen Woche verkündeten Rückgang der Inflation und den Nachrichten über eine leichte Verbesserung der Wirtschaft glaubt, dass sich die Lage nur verschlechtern kann, wenn er die Dinge hinauszögert.

Labour-Chef Sir Kier Starmer hat unterdessen alles in seiner Macht Stehende getan, um das Establishment davon zu überzeugen, dass er ein sicheres Händchen hat und nichts tun würde, was den kapitalistischen Status quo gefährden könnte.

Er wurde 2019 mit dem Versprechen gewählt, die Wirtschaftspolitik seines Vorgängers Jeremy Corbyn beizubehalten. Stattdessen hat er – sehr zum Schrecken der Gewerkschaftsführer, die ihn unterstützt haben – alle seine Versprechen über den Haufen geworfen und eine brutale Säuberung des linken Flügels der Partei durchgeführt.

So wurden Versprechen zur Renationalisierung der Wasserversorgung, der Post und der Energie, die selbst bei Tory-Anhängern beliebt sind, aufgegeben. Unter Labour wird die Eisenbahn zwar nominell wieder verstaatlicht, aber Zugmaschinen und Waggons bleiben in Privatbesitz und der Schienengüterverkehr wird weiterhin privat bleiben.

Die Gewerkschaften sind auch zunehmend besorgt darüber, dass der New Deal for Workers von Labour so abgeschwächt wurde, dass er Gefahr läuft, zu einer „schlechten Charta der Bosse“ zu werden. Sharon Graham von der Gewerkschaft Unite sagte am Wochenende, die Politik habe „mehr Löcher als ein Schweizer Käse“.

Die Säuberung der Linken geht derweil unvermindert weiter. Jeremy Corbyn, der seit 41 Jahren Islington in London vertritt, wurde aus der parlamentarischen Fraktion entfernt und darf in seinem Wahlkreis nicht mehr für die Labour Party kandidieren.

Diane Abbott im benachbarten Wahlkreis Hackney, die erste schwarze Abgeordnete aller Zeiten, die Hackney seit 37 Jahren vertritt, wurde ebenfalls die Fraktionszugehörigkeit entzogen, und trotz einer Petition mit über 16.000 Unterschriften, die ihre Wiedereinsetzung fordert, ist es unwahrscheinlich, dass sie erneut kandidieren darf.

Am Freitag vergangener Woche kündigte Corbyn an, er werde als Unabhängiger kandidieren. In seinem Wahlkreis, der einen hohen muslimischen, jüdischen und irischen Bevölkerungsanteil aufweist und zu den ärmsten Londons gehört, ist er nach wie vor äußerst beliebt.

Corbyn könnte es gerade so schaffen, aber Unabhängige haben nicht oft Erfolg. Er wird ohne die Unterstützung des größten Teils seiner lokalen Partei auskommen müssen, da sie automatisch ausgeschlossen werden, wenn sie einen Unabhängigen unterstützen. Auf der anderen Seite ist sein Gegner ein wenig bekanntes Gemeinderatsmitglied.

Trotz des Vorsprungs der Labour Party in den Umfragen warnen viele, dass dies eher auf die massive Unbeliebtheit der Regierung zurückzuführen ist als auf die Politik der Labour Party, die sich kaum von jener der Tories unterscheidet.

Die Parlamentsabgeordnete Claudia Webbe, ein weiteres ehemaliges Labour-Mitglied, das jetzt als Unabhängige in Leicester East kandidiert, warnte in einem Artikel im „Morning Star“ nach den Kommunalwahlen Anfang Mai, dass Labour trotz des scheinbar großen Vorsprungs in den Umfragen landesweit nur einen Vorsprung von sieben Prozent habe, was einem Rückstand von 30 Sitzen auf die absolute Mehrheit gleichkomme.

Unabhängig davon, ob es zu einem Erdrutschsieg der Labour Party oder zu einem Parlament ohne absolute Mehrheit kommt, bedeuten die Aussichten auf eine Labour-Regierung ohnedies eher die Fortsetzung des Bisherigen und eine absehbare Ernüchterung.

Quellen: Morning Star / Morning Star

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