Bei den anhaltenden Protesten in Ecuador ist es erneut zu tödlicher Gewalt gekommen: Eine indigene Frau starb offenbar durch Tränengas, ein Landwirt ringt nach Polizeieinsätzen in Imbabura um sein Leben. Menschenrechtsorganisationen sprechen von eskalierender Repression gegen Demonstrierende, die seit Wochen gegen Präsident Daniel Noboa und seine Wirtschaftspolitik protestieren.
Quito.Der landesweite Streik in Ecuador hat am Mittwoch ein weiteres ziviles Todesopfer und einen weiteren Schwerverletzten infolge staatlicher Repression gefordert. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen und indigenen Vertretungen kam es vor allem in der Provinz Imbabura zu schweren Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden.
Der 30-jährige Landwirt José Guamán wurde nach dem harten Vorgehen der Polizei am Dienstag zunächst für tot erklärt, zeigte jedoch später Lebenszeichen. Er befindet sich derzeit in der Intensivstation. Unterdessen soll Rosa Paqui Seraquive, eine ältere Frau aus der Kichwa-Saraguro-Gemeinschaft, an Erstickung durch übermäßigen Einsatz von Tränengas in indigenen Gebieten gestorben sein.
Soldaten schießen auf Zivilisten
Die Regionalstiftung für Menschenrechtsberatung (Inredh) und die Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (CONAIE) berichten von einer Zunahme der Polizeigewalt in Imbabura und Otavalo. Laut einer Mitteilung von CONAIE in sozialen Netzwerken sei „eine Welle von Menschen mit Schussverletzungen, viele in kritischem Zustand, in die Krankenhäuser von Otavalo eingeliefert worden“. Die Organisation beruft sich dabei auf „Videos und Zeugenaussagen, die eindeutig zeigen, wie Soldaten in Wohngebieten auf Zivilisten schießen“.
In einer offiziellen Stellungnahme warf CONAIE der Regierung von Präsident Daniel Noboa vor, „unsere Gemeinschaften in Kriegszonen verwandelt“ zu haben und „Tränengas, Kugeln und wahllose Gewalt gegen ein Volk einzusetzen, das sein verfassungsmäßiges Recht auf Protest ausübt“.
Struktureller Rassismus in den Behörden
Die Journalistin Elena Rodríguez schrieb auf ihrem X‑Account, dass „23 Tage nach Beginn des von CONAIE ausgerufenen landesweiten Streiks Berichte über Repression und Kriminalisierung indigener Bevölkerungen den tief verwurzelten strukturellen Rassismus im politischen, medialen und sozialen System Ecuadors offengelegt haben“. Sie verwies auf „stigmatisierende Aussagen der Behörden“ und „Akte kultureller Demütigung“, darunter das zwangsweise Abschneiden der Haare von Kichwa-Jugendlichen.
Die Proteste gegen die Regierung Noboa begannen als Reaktion auf die Abschaffung der Dieselsubventionen, eine Maßnahme, die die Kraftstoffpreise sprunghaft ansteigen ließ und besonders Arbeiter- und Landbevölkerung traf. Was zunächst als wirtschaftlicher Protest begann, hat sich inzwischen zu einem breiteren sozialen und politischen Aufstand entwickelt.
Die Forderungen der Demonstrierenden umfassen die Senkung der Mehrwertsteuer (IVA) von 15 Prozent auf zwölf Prozent, mehr öffentliche Investitionen in Gesundheitswesen und Bildung, die Ablehnung des von der Regierung unterstützten Vorschlags einer Verfassunggebenden Versammlung sowie Garantien zum Schutz indigener Territorien vor ausbeuterischen Industrien.
Der Schwerpunkt der Mobilisierung liegt in den Sierra- und Amazonasregionen, die seit Langem als Zentren des Widerstands gegen staatliche Vernachlässigung und ökologische Ausbeutung gelten.
Quelle: teleSUR