Nach einem Jahr des imperialistischen Krieges in der Ukraine gibt sich der Westen als Anhänger des Völkerrechts. In Wahrheit haben weder USA, NATO und EU noch die russische Regierung ein Interesse an Frieden. Beide Seiten versuchen Kapitalinteressen durchzusetzen und die Ausgangsbedingungen für spätere Verhandlungen zu verbessern.
New York. Am Donnerstagabend, einen Tag vor dem Jahrestag des militärischen Überfalls der Ukraine durch russische Truppen und Söldnergruppen, wurde eine nicht bindende Resolution auf der UN-Generalversammlung beschlossen. Die Resolution bekräftigte, dass die Feindseligkeiten aufhören, die territoriale Integrität der Ukraine respektiert und russische Truppen sofort abgezogen werden müssten. Der Generalsekretär des österreichischen Außenministeriums Peter Launsky-Tieffenthal (ÖVP) sprach unter anderem davon, dass Österreich immer Schulter an Schulter mit dem ukrainischen Volk stehen werde. Einen Eindruck von der festen Integration der meisten Volksvertreter unseres formal neutralen Staates lieferte die Parlamentssitzung vom vergangenen Freitag.
Doch ein Jahr nach Ausbruch des imperialistischen Krieges in der Ukraine könnte ein Frieden nicht illusorischer sein, wie die Kriegsgebärden und Waffenlieferungen der kriegsführenden NATO-Staaten und die Aussagen von Präsident Wladiomir Putin und seiner Umgebung verdeutlichen. Der kollektive Westen bestärkt das Selenskyj-Regime in der Beibehaltung seiner unrealistischen Kriegsziele, alle besetzten Gebiete einschließlich der Krim zurückzuerobern. In Russland hingegen werden großrussische Ansprüche formuliert, die an die reaktionäre Politik des zaristischen Völkerkerkers anknüpfen, und die realistisch betrachtet ebenfalls nicht erreichbar sind.
Westen liefert noch mehr Waffen und Munition
Dieselben Staaten, darunter auch das offizielle Österreich, die dem ukrainischen Volk ihre Solidarität aussprechen, halten sich mehr als bedeckt, wenn es um die künstlich erzeugte Hungerkrise und die Zerstörung Jemens geht. Ebenso still verhalten sich jene Staaten beispielsweise im Fall der Besetzung der Westsahara oder der systematischen Zerstörung, Besetzung und Zerstückelung Syriens durch NATO-Mitgliedsstaaten wie der Türkei und der USA. Vergessen sollte man auch nicht, wie selbstverständlich das Recht auf Asyl für Kriegsdienstverweigernde ukrainische Männer in den meisten EU-Staaten ausgesetzt wird, damit diese, wie US-Diplomaten es ausdrückten, „bis zum letzten Ukrainer kämpfen“. Länder wie Polen und Großbritannien helfen der Ukraine proaktiv bei der Ausfindigmachung jüngerer Männer, die sich in ihren Ländern aufhalten.
Indessen geht die Militarisierung Osteuropas und nicht nur der Ukraine, munter weiter. Diese Woche besuchte US-Präsident Joe Biden Warschau und Kiew, wo er Militärhilfen in Höhe von zusätzlichen 500 Millionen Dollar zu den bereits zugesatgen 2 Milliarden für Luftabwehrradare, Munition für Artilleriewaffen und die berüchtigten HIMARS-Artilleriesysteme ankündigte. Laut Selensky sei auch die Lieferung von Langstreckenwaffen diskutiert worden, hierzu gibt es aber keinerlei Details oder bestätigte Aussagen.
Das Putin-Regierung will bis auf weiteres keinen Frieden
Die russische Regierung hat es in einem Jahr des Krieges geschafft, ihre NATO-Gegner durch ihre nuklearen Kapazitäten in Schach zu halten und auf Kosten der russischen Arbeiterklasse die militärisch-industrielle Produktion nach oben zu treiben; nachdem Russland den START-Vertrag zur Kontrolle strategischer Atomwaffen mit ihrem US-amerikanischen Kontrahenten ausgesetzt haben (die USA hatten zuvor schon eine Reihe anderer Rüstungsbegrenzungsabkommen gekündigt), soll nun die Massenproduktion von Überschallraketen vom Typ “Kinzhal“ (Luft-Boden-Überschallraketen), „Zirkon“ (Anti-Schiffs-Überschallraketen) sowie die „Sarmat“ (Interkontinentalraktensysteme) beginnen.
Der russische Staat hat in dem Jahr des Krieges auch an der sogenannten Heimatfront, parallel zur Ukraine und so manchen westlichen Staaten, eine hysterische Propagandakampagne gestartet, bei der Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner ausgeforscht, öffentlich angeprangert, ökonomisch ruiniert und sogar verhaftet werden. Dabei trifft die Repression des russischen Staates nicht allein die westlich ausgerichteten, liberalen Oppositionellen, sondern auch die Masse des Volkes, welche im Zuge der Teilmobilisierung ihre Söhne, Väter und Partner als Kanonenfutter an die Front schicken mussten. Nicht zuletzt Kommunistinnen und Kommunisten, welche nicht vor dem russischen Staat kapituliert haben, müssen um Leib und Leben besorgt sein und werden sowohl in der Ukraine als auch in Russland mit biblischem Hass verfolgt.
Die brutale Realität zwingt zur Einsicht, dass dieser imperialistische Krieg weder für die Verteidigung „Europas Freiheit“ geführt wird noch in seiner Gesamtheit antifaschistischen, progressiven Charakter hat, wie die Apologeten des russischen Angriffskriegs nicht müde werden zu behaupten. Die faschistoiden Tendenzen in der Ukraine, die sich im Donbass seit 2014 als Terror gegen die Zivilbevölkerung ausdrückten, sind durch den Krieg nicht verschwunden, sondern im Gegenteil gestärkt worden. Gleichzeitig ist der „antifaschistische Kampf“ der russischen Führung wenig glaubwürdig, wenn man eine Privatarmee beschäftigt, deren Eigentümer sich in die Tradition der Nazis stellt. Vor unseren Augen entfaltet sich ein gefährlicher Raub- und Abnutzungskrieg, an dessen Ende die Monopolkonzerne der einen wie anderen kriegführenden Seite bestrebt sind, ihre Profitinteressen durchzusetzen.
Die Verlautbarungen der EU-27 und Putins zum „Wiederaufbau“ der Ukraine verschleiern dabei genau diese Absicht: man will die Ukraine, ihre Arbeitskräfte, ihre natürlichen Ressourcen, ihr nach wie vor großes Potential öffentlichen Eigentums, die noch verbliebene Industrie und strategisch bedeutsamen Handelsrouten ausnutzen. Hinzu kommt das Milliardengeschäft des Wiederaufbaus selbst.