HomeInternationalesEin Jahr nach der Tragödie von Brandizzo

Ein Jahr nach der Tragödie von Brandizzo

Die Tragödie von Brandizzo, bei der fünf Arbeiter durch einen Zugunfall ums Leben kamen, verdeutlicht die schwerwiegenden Sicherheitsmängel am Arbeitsplatz, die durch ein System von Verträgen und Unterverträgen begünstigt werden. Die mangelnde Sicherheitskultur, unterstützt durch politische Maßnahmen, die Sanktionen gegen Unternehmen lockern, trägt zu einer alarmierenden Anzahl von Arbeitsunfällen und berufsbedingten Todesfällen in Italien bei.

Turin. Am Freitag jährte sich die Tragödie von Brandizzo, bei der fünf Arbeiter ihr Leben verloren, als sie von einem rasenden Zug überfahren wurden. Ihre Namen waren: Kevin Laganà (22), Michael Zanera (34), Giuseppe Sorvillo (43), Giuseppe Aversa (49) und Saverio Giuseppe Lombardo (52). Kurz vor Mitternacht, zwischen dem 30. und 31. August, arbeiteten die fünf von der Firma Sigifer beschäftigten Eisenbahninstandhalter an einem Gleis, obwohl noch Züge unterwegs waren: Der Aufprall auf einen dieser Züge war für fünf der sieben Mitglieder des Arbeitsteams tödlich. Die Kommunistische Jugendfront (FGC) machte die andauernde Politik der Liberalisierung und Privatisierung für die Tode verantwortlich.

Fehlende Sicherheit am Arbeitsplatz hat System

Im Laufe der Ermittlungen wurde ein System von Verträgen und Unterverträgen, die ohne Rücksicht auf den Schutz und die Sicherheit der Arbeiter besteht, enthüllt. Die fünf Opfer von Brandizzo sind Teil eines viel umfassenderen Bildes von dem, was allmählich als echter Notfall im Bereich der Arbeitssicherheit definiert werden muss: Nach Angaben der INAIL gab es im Fünfjahreszeitraum 2018–2022 etwa 4.600 Todesfälle am Arbeitsplatz, ganz zu schweigen davon, dass es allein im Jahr 2022 mehr als 700.000 Meldungen von Arbeitsunfällen gab. Im selben Jahr stiegen die Berufskrankheiten um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr und überstiegen die Zahl von 50.000 dokumentierten Fällen. Im laufenden Jahr wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 469 arbeitsbedingte Todesfälle von der INAIL festgestellt (+4,2 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2023), während die Zahl der nicht tödlichen Unfälle mehr als 250.000 betrug (+2,1 Prozent im Vergleich zu 2023).

Es handelt sich also um eine Notsituation mit Zahlen wie in einem Kriegsbericht, die von den Institutionen nicht angesprochen wird und die selbst von den Gewerkschaftsführern auf das Fehlen einer allgemeinen „Sicherheitskultur“ zurückgeführt wird, für die angeblich auch die Arbeiterinnen und Arbeiter selbst verantwortlich sind. Erst an zweiter Stelle, wenn überhaupt, wird die Verantwortung der Unternehmen erwähnt, die darauf bedacht sind, so viel Profit wie möglich zu machen. Das wirtschaftliche Interesse der Unternehmen wird über alles gestellt, auch über das Leben der Beschäftigten.

Umgang mit Asbest beispielgebend

Einer der symbolträchtigsten, aber von den Medien oft übersehenen Fälle ist der von Asbest, einem Stoff, der beim Einatmen das Pleuramesotheliom, eine besonders aggressive Krebserkrankung des Rippenfells, verursacht. Obwohl seine hohe Schädlichkeit schon vor dem Höhepunkt seiner Verwendung im Bauwesen (in den 1970er Jahren) bekannt war, wurde seine Verwendung erst 1992 gegen den Widerstand der Hersteller verboten. Nach Angaben der Obersten Aufsichtsbehörde für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wurden im Zeitraum 1993–2018 31.572 Fälle festgestellt, die direkt auf Asbest zurückzuführen waren. Die Rechtsprechung verlief in diesem Fall extrem langsam und mit Urteilen, die fast immer zugunsten der Unternehmer ausfielen, die alles taten, um Asbest weiterhin zu produzieren und zu verwenden.

Sicherheit von und für die Arbeiter

Das Gedenken an die Opfer und die allgemeinen Aufrufe zur Einhaltung der Sicherheitsvorschriften reichen nicht aus, um das, was ein tägliches Gemetzel ist und als solches behandelt werden muss, in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte zu stellen. Am 2. August trat die Gesetzesverordnung Nr. 103/2024 in Kraft, die in Umsetzung des von der Regierung Draghi verabschiedeten „Jahresgesetzes für Markt und Wettbewerb“ erlassen wurde. Diese Maßnahme sieht eine Lockerung der Sanktionen gegen Unternehmen bei Verstößen gegen die Vorschriften sowie einen Mechanismus zur Verringerung der Kontrollen in Unternehmen vor. 

„Um der ständigen Erpressung zwischen Gesundheit und Arbeit Einhalt zu gebieten, um dem täglichen Gemetzel in den Fabriken und auf den Baustellen ein Ende zu setzen, um sicherzustellen, dass ein Massaker wie das in Brandizzo nicht zur Norm wird, ist es notwendig, eine Antwort zu organisieren, die direkt vom Arbeitsplatz ausgeht, die sich auf den Protagonismus der Arbeiter stützt und die auf den ausschließlichen Schutz der Interessen der Arbeitnehmer abzielt, unabhängig davon, ob sie einer Gewerkschaft angehören oder nicht, und die quer zu den Gewerkschaften selbst liegt“, schreibt der FGC diesbezüglich.

Politische Aktionen in Gedenken an die Tragödie

Zu diesem Thema fand am Samstag dem Bahnhof Brandizzo eine Kundgebung statt, die von verschiedenen Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbänden des Sektors unterstützt wurde; am Nachmittag, um 16:00 Uhr, wurde im Circolo Arci „La Cricca“ in Turin eine öffentliche Initiative zum Thema Sicherheit am Arbeitsplatz durchgeführt, an der Arbeiterinnen, Arbeiter und Gewerkschaftsdelegierte aus verschiedenen Sektoren teilnehmen werden. Ziel war es, eine Debatte in Gang zu bringen, die sich mit der Notlage der Sicherheit am Arbeitsplatz aus der Sicht derjenigen befasst, die täglich ihr Leben und ihre Gesundheit im Namen des Profits der Konzernbosse aufs Spiel setzen. Die Kommunistische Jugendfront machte in mehreren Städten auf die Aktionen und die Hintergründe der Tragödie aufmerksam.

Quelle: SenzaTregua

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