Die 80. UNO-Generalversammlung in New York bietet dieser Tage die Kulisse für ein geopolitisches Schachspiel, bei dem Ankara, Athen und Washington die Figuren neu setzen. Vordergründig geht es um Gespräche, Rüstungsgeschäfte und diplomatische Termine – tatsächlich jedoch um Einflusszonen, Energiequellen und militärische Stärke.
Mit großen Worten reiste der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nach New York. Vor seiner Abreise kündigte er ein Treffen mit Donald Trump im Weißen Haus an, bei dem Boeing-Flugzeuge, F‑16-Jets und mögliche F‑35-Geschäfte auf dem Tisch liegen. Erdoğan sprach von „globalem Frieden“ und „Verantwortung der Führer“. Doch hinter dem Pathos stehen knallharte Rüstungsverhandlungen.
Innenpolitisch reagiert er empfindlich auf Vorwürfe, es habe bereits geheime Deals mit Trumps Sohn über Gaza und Kampfflugzeuge gegeben. Der türkische Oppositionsführer Özgür Özel sprach von einem Kuhhandel, Erdoğan selbst kontert mit Spott und attackiert die Glaubwürdigkeit seines Gegners.
Vor der UNO bekräftigte Erdoğan die Maximalposition der Türkei in der Zypernfrage: Anerkennung der „Türkischen Republik Nordzypern“ und Abkehr vom föderalen Lösungsmodell. Das signalisiert nicht nur eine Absage an Jahrzehnte diplomatischer Verhandlungen, sondern auch den Versuch, die Energiepolitik im östlichen Mittelmeer mit geopolitischen Forderungen zu verknüpfen.
Ankaras Botschaft lautet: Wer Gas- und Infrastrukturprojekte ohne die Türkei plant, wird scheitern. Zeitgleich intensiviert Ankara die Zusammenarbeit mit US-Konzernen wie Chevron, die neue LNG- und Förderprojekte ins Auge fassen.
Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis wollte in New York das Gespräch mit Erdoğan suchen – ein Treffen, das kurzfristig platzte. Offiziell, weil Erdoğan stattdessen an einem von Trump organisierten Gipfel mit arabischen und muslimischen Staatschefs teilnahm. Eine diplomatische Machtdemonstration, die zeigt, wer derzeit den Takt vorgibt.
Mitsotakis weicht auf andere Gespräche aus: mit Aserbaidschan, Kuwait, Jemen und US-Organisationen. Doch seine Agenda bleibt ebenso in die NATO-Strategie eingebettet wie jene Ankaras. Von „ruhigen Gewässern“ zwischen den beiden Nachbarn kann keine Rede sein – beide sind Teil derselben Machtarchitektur, die Konflikte nicht löst, sondern verwaltet.
Die Dynamik der letzten Tage zeigt: Es geht nicht um Annäherung oder Verständigung, sondern um Positionierung innerhalb eines imperialistischen Rahmens. Ob Erdoğan Deals mit Trump einfädelt oder Mitsotakis westliche Bündnisse pflegt – beide Regierungen folgen der Logik von Aufrüstung und Ressourcensicherung.
Die kurzfristige Absage des bilateralen Treffens ist daher mehr als nur Terminkollision. Sie ist Ausdruck davon, dass entscheidende Weichenstellungen längst anderswo getroffen werden: in Washington, in Energiezentralen und an den Verhandlungstischen über Waffenpakete.
Auch Österreich wird von den bürgerlichen Regierungen immer weiter in diese Konflikte verstrickt. Die aktuelle Bundesregierung folgt weiterhin der politischen Linie, die EU und NATO vorgeben. Die Neutralität wird dabei immer weiter ausgehöhlt und die NEOS fordern ohnehin die Aufgabe der Neutralität und eine Beitritt Österreichs zur NATO. Gleichzeitig sind die aktuellen Entwicklungen für Europa – und damit auch für Österreich – durchaus bedeutend. Der Zugriff auf Gas und Transportkorridore im Mittelmeer wird zur Schlüsselfrage für die künftige Energieversorgung. Insbesondere nachdem der Sanktionskrieg der EU gegen Russland, die Kosten für die Energieversorgung bereits enorm in die Höhe getrieben hat. Gleichzeitig bleibt Europa in der Zuschauerrolle, während Ankara und Athen ihre Politik an den Interessen der USA ausrichten.
Hinter den Kulissen der UNO-Generalversammlung wird also weniger verhandelt als verteilt: Macht, Märkte und militärische Mittel. Das Pathos der großen Reden kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass im östlichen Mittelmeer nicht Frieden, sondern die nächste Runde geopolitischer Konkurrenz vorbereitet wird.
Quelle: Haber soL/902.gr/902.gr/902.gr