In verschiedenen Großstädten Südafrikas kommt es seit mehreren Tagen zu massiven Ausschreitungen. Armut und Perspektivlosigkeit treiben das Volk zu Plünderungen und Verwüstungen.
Pretoria/Kapstadt. Nach der Verhaftung des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma kommt es zu Ausschreitungen in vielen Teilen der Republik Südafrika. Was oberflächlich betrachtet als ein Protest gegen diese Verhaftung betrachtet werden kann, birgt jedoch anderen Zündstoff. Die Gewalt, die Südafrika erschüttert, wird sowohl von Ungleichheit und Armut als auch von der Politik angetrieben. Es handelt sich um die größten Ausschreitungen seit Jahrzehnten. Mindestens 72 Menschen starben in sechs aufeinanderfolgenden Tagen bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrantinnen und Demonstranten sowie bei Plünderungen durch den Mob. Mehr als 1.200 Menschen wurden bisher verhaftet (Stand 14.07.2021).
Politik im Dienste des Kapitals – Korruption und Ausverkauf
Zuma trat 2018 infolge eines Korruptionsskandals auch auf Druck der eigenen Partei, dem African National Congress (ANC), zurück. Er hätte vor einer Untersuchungskommission zum Vorwurf der systematischen Korruption aussagen sollen, tat dies jedoch trotz richterlicher Vorladung nicht. Das Verfassungsgericht verurteilte ihn deshalb zu einer 15-monatigen Haftstrafe. Er wurde vergangenen Mittwoch verhaftet, was der zeitliche Ausgangspunkt der Unruhen ist. Bereits Ende vergangener Woche hatten Zuma-Anhängerinnen und ‑Anhänger Lastwagen in Brand gesetzt und die Hauptverkehrsader zwischen dem Wirtschaftszentrum Johannesburg und Durban, der wichtigsten Hafenstadt des Landes, blockiert.
Das politische Umfeld von dem ehemaligen Präsidenten feuerte die Ausschreitungen immer wieder öffentlich an und sie proklamieren, dass nur Zuma die Situation wieder unter Kontrolle bekommen könne. Bei einer näher Betrachtung der Ausschreitungen und Proteste wird jedoch klar, dass die Verhaftung Zumas vielleicht Proteste entfacht hat, dass sich hier aber etwas ganz anderes entlädt und andere Dinge das Volk auf die Straße treibt.
Die Armut, an der nicht nur Zuma Schuld trägt , sondern das System und die Eigentumsverhältnisse sind der Nährboden der Auseinandersetzung. Auch der amtierende Staatschef hat zu diesen beigetragen, er stimmte zum Ende der Apartheid der Beibehaltung der alten kolonialen Besitzverhältnisse zu. Ramaphosa war Verhandlungsführer des ANC, als die Befreiungsbewegung über die Verhältnisse der Post-Arpatheit verhandelte. Er steht auch folgend an der Seite des Kapitals, dass ihn für seine gute Arbeit mit einem Posten als Aufsichtsrat beim BASF-Platinlieferanten Lonmin belohnte. In dieser Position sah er zu, wie die von ihm gerufene Polizei streikende Arbeiterinnen und Arbeiter massakrierte. Als Staatschef verschlimmerte seine Politik die Lage von weiten Teilen der Bevölkerung mit seiner volksfeindlichen Coronapolitik, die Armut und Hunger weiter vergrößerten, ohne die Pandemie einzudämmen.
Die ungleichste Gesellschaft der Welt
„Gemeinschaften, die in der ungleichsten Gesellschaft der Welt zurückgelassen wurden, fühlen sich vom System verärgert und schlagen um sich“, sagt der südafrikanische sozialwissenschaftler Professor Mcebisi Ndletyana, gegenüber Al Jazeera im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen. Es kommt immer wieder zum Unruhen in Südafrika, die aktuellen sind jedoch seit Jahrzehnten die größten, jedoch brodelt es eben schon seit diesen Jahrzehnten und nun in der aktuellen Krise wurde das Fass zum Überlaufen gebracht.
Die Arbeitslosigkeit ist auf mehr als 32 Prozent angestiegen und das in einer Gesellschaft, in der ohnehin auch vor der Krise mindestens 12 Millionen schon unter Lebensmittelunsicherheit leiden. Das bedeutet, sie wissen nicht, woher oder ob sie ihre oder eine nächste Mahlzeit bekommen. Südafrika wird als eine der ungleichsten Gesellschaften der Welt eingestuft, mehr als der Hälfte der Bevölkerung, die in Armut lebt. Mit einem Gini-Koeffizienten von 63, als einer massiv ungleichen Verteilung des Vermögens. Diese Armut und die Ausbeutung sind die Grundlage für die massenhaften Proteste und Ausschreitungen.
Keine Ruhe in Sicht
Die Südafrikanische Kommunistische Partei (South African CP, SACP) prangert Gewalttaten und Kriminalität an, die sich entfalteten. Sie fordern Zurückhaltung und den Staat auf, die Menschenrechte der Betroffenen unabhängig von ihrer Nationalität zu schützen. Hierin heißt es: „Der Staat hat die Pflicht, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sich an den Gewalttaten und der Kriminalität beteiligen, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Brandstiftung, Plünderung, Zerstörung der Infrastruktur, Einschüchterung und Verletzung der Menschenrechte anderer, unabhängig von ihrer Nationalität. Diejenigen, die an der Anstiftung und Koordinierung dieser und anderer krimineller Handlungen und Menschenrechtsverletzungen über Mediennetzwerke und andere Wege beteiligt sind, müssen ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden.“
Präsident Cyril Ramaphosa hat nun 2.500 Soldaten nach Gauteng und Kwazulu-Natal, den beiden Epizentren der Unruhen in den Provinzen, entsandt. Die Polizei soll unterstützt werden. Diese ist zahlenmäßig weit unterlegen und war nicht in der Lage, mit dem sich ausbreitenden Chaos fertig zu werden. Aber auch der massive Einsatz von Streitkräften, bringt das Volk nicht zur Ruhe. Es kommt neben den Protesten weiterhin zu Plünderungen und Brandstiftungen und beides breitet sich über weitere Teile des Landes aus.
Südafrikas Regierung hat infolge dessen am Mittwochabend weitere 25.000 Soldaten mobilisiert. Es handelt sich damit um einen der größten Militäreinsätze seit den 1990ern, bisher sind bereits 5.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Es gab einen Marschbefehl, für alle verfügbaren Reservisten hieß es in einer Erklärung der Armee vom späten Mittwochabend. Sie hätten sich am Donnerstagmorgen mit all ihrer Ausrüstung bei ihren Einheiten zu melden.
Da die logistischen Versorgungsketten des Landes schnell in Mitleidenschaft gezogen werden, werden nun Engpässe bei Treibstoff, Lebensmitteln und Medikamenten vorausgesagt.
Quelle: Junge Welt/Junge Welt/Al Jazeera News/Zeitung der Arbeit/FAZ/Solidnet