In Kenia sind bei erneuten regierungsfeindlichen Protesten mindestens elf Menschen ums Leben gekommen, Dutzende wurden verletzt. Die Proteste, die sich am Montag (7. Juli) zum 35. Mal jähren, erinnern an die historischen „Saba Saba“-Demonstrationen von 1990, mit denen der Übergang zu einem Mehrparteiensystem eingeleitet wurde.
Nairobi. Der Anlass für die neuerlichen Proteste war der Tod des Bloggers und Lehrers Albert Ojwang, der im Juni unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam gestorben war. Dieser Vorfall hat die seit Wochen andauernden Proteste neu entfacht, die sich ursprünglich gegen Steuererhöhungen richteten, mittlerweile jedoch ein breites Spektrum an Forderungen umfassen – darunter der Ruf nach einem Ende von Polizeigewalt, Korruption und dem Verschwinden von Regierungskritikern.
Am Montag eskalierte die Lage in der Hauptstadt Nairobi: Journalisten beobachteten, wie die Polizei im Vorort Kangemi auf Demonstrantinnen und Demonstranten feuerte. Ein Mann blieb mit einer blutenden Wunde reglos auf der Straße liegen. Die Eagle Nursing Home in Kangemi meldete sechs verletzte Personen, zwei von ihnen starben an Schussverletzungen. Das Kenyatta National Hospital bestätigte die Behandlung von 24 weiteren Verletzten.
50 Tote in zwei Wochen
Nach Angaben der Polizei wurden am Montag landesweit elf Menschen getötet und 52 Polizisten verletzt. Wer für die Todesfälle verantwortlich ist, wurde nicht angegeben. Die Polizei sprach von „Todesopfern, Verletzten, Sachschäden an Fahrzeugen und mehreren Fällen von Plünderung“. Insgesamt wurden bei den jüngsten Protestwellen laut Behörden und Medienberichten in den letzten zwei Wochen rund 50 Menschen getötet.
Auch die Präsenz bewaffneter, vermummter Gruppen sorgte für Besorgnis: Die staatliche Menschenrechtskommission KNCHR berichtete von nicht identifizierten Sicherheitskräften in Zivil, die in nicht gekennzeichneten Fahrzeugen unterwegs waren – obwohl ein Gerichtsbeschluss die eindeutige Kennzeichnung von Polizeikräften vorschreibt. Zudem sollen kriminelle Banden mit Macheten und Peitschen Seite an Seite mit der Polizei agiert haben, insbesondere in Nairobi und der Stadt Eldoret im Rift Valley.
Polizei legt weite Teile des Landes lahm
Demonstrationen fanden neben Nairobi auch in anderen Städten wie Nyeri, Embu und Nakuru statt. Die Polizei setzte berittene Einheiten ein und sperrte zentrale Verkehrsachsen in die Hauptstadt, wodurch große Teile Nairobis lahmgelegt wurden. Schulen und Einkaufszentren blieben geschlossen.
Präsident William Ruto verteidigte das Vorgehen der Polizei und betonte, dass er keine „Anarchie im Deckmantel friedlicher Demonstrationen“ dulden werde. „Es reicht“, sagte Ruto und forderte die Polizei auf, Plünderer und Brandstifter gezielt „ins Bein zu schießen“. Die Proteste bezeichnete er als politisch motiviert und warnte seine Gegner davor, durch Gewalt einen Regierungssturz anzustreben. „Wer eine Polizeistation angreift, erklärt dem Staat den Krieg“, sagte der Präsident.
Innenminister Kipchumba Murkomen hatte die Proteste bereits zuvor als „Terrorismus im Gewand des Protests“ bezeichnet. Die Regierung sei jedoch bereit, friedliche Versammlungen zu schützen – zugleich aber „entschlossen, gegen Kriminelle und Unruhestifter hart vorzugehen“.
Die Wut der Bevölkerung bleibt dennoch groß: Laut Menschenrechtsorganisationen starben allein am 25. Juni landesweit 19 Menschen bei Protesten gegen den Tod Ojwangs und anlässlich des Jahrestags des Sturms auf das Parlament im Vorjahr. Inzwischen wurden sechs Personen, darunter drei Polizisten, wegen Mordes an Ojwang angeklagt – alle plädierten auf „nicht schuldig“.