Die Vermögen der Superreichen stiegen in den letzten beiden Jahren enorm an, ebenso die Preise für lebensnotwendige Güter. Doch Löhne und Gehälter halten nicht mit; effektiv werden so große Teile der Bevölkerung ärmer gemacht.
Wien. Preistreiberei und zu geringe Abschlüsse bei den KV-Verhandlungen führen heuer vermutlich zu einem Reallohnverlust von knapp 4 Prozent. Anders ausgedrückt: Die arbeitenden Menschen sollen real um deutlich über 6 Milliarden Euro weniger verdienen als im Vorjahr. Irgendwer muss nämlich für die Rekordprofite und staatsfinanzierten „Hilfsprogramme“ für die Unternehmer aufkommen.
Diesen historischen Reallohnverlust prognostizieren aktuell die Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS. Im Mai war noch ein Verlust von „nur“ 2,3 Prozent vorausgesagt worden. Implizit gehen die Forscher also davon aus, dass sich die schmachvolle Linie der Gewerkschaftsbürokraten bei den jüngsten Verhandlungen auch im Herbst fortsetzen wird und Abschlüsse unter der Inflation als „verantwortungsvoller Erfolg“ verkauft werden sollen.
Die prognostizierten 3,9 Prozent an effektivem Lohnraub sind einmalig seit Beginn entsprechender Aufzeichnungen im Jahre 1955. Eine vergleichbare Drückung des Lebensstandards weiter Teile der Bevölkerung gab es im Zuge der sozialpartnerschaftlich ausgeklüngelten Lohn-Preis-Abkommen der späten 1940er und frühen 1950er-Jahre, welche schließlich die Oktoberstreiks 1950 auslösten.
Erst Stagnation, jetzt Rückgang
Bereits seit Jahrzehnten werden die Löhne von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt; von der Steigerung der Produktivität durch technischen Fortschritt und erhöhte Ausbeutung profitieren einzig die Unternehmen. Die Lohnquote, also der Anteil der Werktätigen am selbst geschaffenen Reichtum, fiel von beinahe 80 Prozent Ende der 70er-Jahre auf zuletzt 68 %. Gleichzeitig sank die Investitionsquote – die Konzerne wissen mit ihren Extraprofiten immer häufiger nichts anderes anzufangen, als sie an ihre Eigentümer auszuschütten.
Der von der Bundesregierung mit Schulterzucken hingenommene Raub an den Beschäftigten hängt somit zwar auch mit aktuellen Entwicklungen am Energiemarkt und Lieferkettenproblemen zusammen; im Wesentlichen ist er jedoch eine verschärfte Fortsetzung der seit Jahrzehnten laufenden Umverteilung von unten nach oben.
Quelle: ORF