Wien. Die neuesten Zahlen der Wiener Berufsrettung zeigen eine alarmierende Entwicklung: Im Jahr 2024 stieg die Zahl der Drogennotfälle in Wien um 15 Prozent, bei Jugendlichen unter 18 Jahren sogar um knapp 30 Prozent. Besonders häufig kommt es zu Mischintoxikationen – darunter Opiate, Liquid Ecstasy und rezeptpflichtige Medikamente wie Benzodiazepine. Lebensgefahr ist oft die Folge.
Ein Krankes System verleitet zu Drogen
Was auf den ersten Blick als medizinisches oder individuelles Problem erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Symptom einer kranken Gesellschaft: einer kapitalistischen Gesellschaft, die Jugendlichen keine Perspektive bietet und sie mit Leistungsdruck, Zukunftsangst und wachsender sozialer Unsicherheit konfrontiert.
Die Jugendfront stellte in ihrer Stellungnahme zum Internationalen Tag gegen Drogen klar: Es sind nicht bloß falsche Entscheidungen einzelner, sondern die kapitalistischen Verhältnisse selbst, die Ausbeutung, Armut und psychische Krisen hervorbringen – und damit auch den Nährboden für Drogenmissbrauch schaffen.
Sie betonen, Drogen sind kein Ausweg. Sie täuschen kurzfristig Erleichterung vor, verstärken jedoch langfristig das Elend. Sie betäuben den Schmerz, statt die Ursachen zu bekämpfen – und sie tragen dazu bei, die Arbeiterklasse und insbesondere die Jugend ruhigzustellen, statt sie zur Erkenntnis und zum Widerstand zu führen. Der Konsum wirkt entpolitisierend: Wer in sich selbst den Fehler sucht, stellt das System nicht infrage.
Die „Rat Park“-Studie zeigt eindrucksvoll: Nicht die Substanz macht süchtig, sondern die Lebensumstände. Ratten in einer anregenden, sozialen Umgebung mit Zugang zu Morphin entschieden sich in großer Mehrheit gegen den Konsum – anders als isolierte, eingesperrte Tiere. Dieses Experiment lässt sich auch auf den Menschen übertragen: Wer Sicherheit, Perspektive und Teilhabe erfährt, hat weniger Bedarf, sich zu betäuben.
Der UN-Weltbericht zu Drogen bestätigt den Zusammenhang zwischen Armut, Bildungschancen, Arbeitslosigkeit und Drogenkonsum. In einem System, das nicht den Menschen, sondern den Profit in den Mittelpunkt stellt, ist Sucht kein Zufall – sie ist systemisch.
Die Reaktion der Politik bleibt oberflächlich: Arbeitsgruppen, Präventionskampagnen, punktuelle medizinische Hilfe. Doch solange die Ursachen – Ausbeutung, Konkurrenz, soziale Isolation – bestehen bleiben, wird auch das Problem nicht verschwinden. Wer Drogenmissbrauch bekämpfen will, muss das System bekämpfen, das ihn hervorbringt, betont die Jugendfront.
Rufen der Rettung und Risikobewusstsein
Mario Krammel, Chefarzt der Berufsrettung empfiehlt im Ernstfall die Rettung zu Rufen, hier erhält man klare Anweisungen, bis die Expertinnen und Experten vor Ort sind. Während also medizinisch der Notruf im Ernstfall Leben rettet, ist das eigentliche Problem dennoch ein gesellschaftliches. Der Suchtkoordinator der Stadt Wien, Ewald Lochner, betont gegenüber der APA, dass es Jugendlichen oft an Risikobewusstsein fehle. Gleichzeitig wachsen die psychosozialen Herausforderungen. Damit spricht er etwas an, das über bloße Statistik hinausweist: Diese Notfälle sind kein medizinisches Einzelproblem, sondern Ausdruck einer tiefen sozialen Krise.
Quelle ORF/Jugendfront