HomePanoramaDas Milliardengeschäft mit der Altenpflege

Das Milliardengeschäft mit der Altenpflege

Wien. Der Pflegeheimsektor ist in den letzten Jahren aufgrund des eklatanten Personalmangels zunehmend in die Schlagzeilen geraten. Unzumutbare Arbeitsbedingungen und damit einhergehende massive Versorgungsprobleme bei einzelnen Betreibern sorgen immer wieder für öffentliche Aufregung. Relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit sind jedoch in Europa shareholderorientierte Investoren, konkret Private Equity Fonds und börsennotierte internationale Pflegekonzerne, in großem Stil in den Sektor eingestiegen. So verfügten die 25 größten privaten Pflegeheimbetreiber in Europa 2020 über 455.000 Betten, was eine Kapazitätssteigerung seit 2017 um 22 Prozent bedeutete.

Ein aktuelles Forschungsprojekt ist der Frage nachgegangen, warum dieser Bereich so attraktiv für den privaten Sektor ist und was diese Entwicklung mit dem Bereich macht. 

Demographischer Wandel und Rationalisierung sorgen für sichere Profite

Im Rahmen eines Mediengesprächs des Wissenschaftsnetzwerks Diskurs präsentierten zwei Forscher erste Ergebnisse. Manfred Krenn und Leonard Plank erläutern, dass der Altenpflegebereich ein Sektor mit langfristig steigender Nachfrage ‑aufgrund des demographischen Wandels sei und dieser gleichzeitig berechenbare Marktrisiken aufzeige. Der Anbietermarkt ist in den meisten Ländern noch relativ kleinteilig strukturiert – günstige Bedingungen für Wachstumsstrategien über Buy-out-Strategien sind somit vorfindbar. Eine Standardisierung bzw. Ökonomisierung von Pflegearbeit durch staatliche
Kostenminimierungsstrategien hat bereits stattgefunden und legt die Basis für Einsparungen und Profite. 

Wenig Verhandlungsmacht der Beschäftigten und der Versorgten

Im Bereich der Altenpflege herrscht ein geringer gewerkschaftlicher Organisationsgrad vor. Er gilt wie andere Bereiche der Sorgearbeit traditionell als recht streikresistent, aufgrund der Arbeitsinhalte lassen sich Beschäftigte vielfach auch aus einem Verantwortungsgefühl ‚leichter‘ ausbeuten.

Aber auch die Sorgebedürftigen haben eingeschränkte Wahlmöglichkeit und damit bleibt die Mobilität vieler Klientinnen und Klienten aufgrund von einem ungenügenden Angebot gering, was eine schlechte Verhandlungsposition gegenüber den Betreibern verursacht, wodurch auch Abstriche in der Pflege in Kauf genommen werden. Diese Einsparungen sichern satte Profite, was auch durch unzureichende staatliche Kontrolle der Qualitätsanforderungen für Pflegeheime weiter begünstigt wird.

Gewinnorientierung beim Betrieb von Alten- und Pflegheimen zu Lasten der Pflegequalität

Manfred Krenn erklärt weiter, dass sie in Bezug auf die Qualität der Dienstleistung Hinweise gefunden haben, die darauf hindeuten, dass Gewinnorientierung beim Betrieb von Alten- und Pflegheimen zu Lasten der Pflegequalität geht. In einzelnen Heimen der untersuchten Unternehmensfallbeispielen ist es zu Beanstandungen durch die Behörden gekommen. Aus den Interviews in den Fallstudienunternehmen ergaben sich Hinweise, dass Private Equity Fonds und große Pflegekonzerne bei den Investitionen in die Pflegeinfrastruktur sparen. Allerdings liegen kaum wissenschaftlich belastbare Daten vor, die eine Verallgemeinerung dieser Einzelbefunde erlauben. Außerdem wird allgemein konstatiert (das betrifft neben Österreich auch Frankreich und Deutschland, die im Rahmen der Studie ebenfalls untersucht wurden), dass kaum verlässliche Instrumente existieren, um die Pflegequalität in angemessener Weise festzustellen.

Quelle: Diskurs


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