Wien. Mit der Nachricht vom Aus des Schoko-Steckerleis „Brickerl“ verschwindet nicht einfach ein Eis aus den Supermarkttruhen – es verschwindet ein Stück Alltagskultur, das über Jahrzehnte hinweg Generationen geprägt hat. Für viele war das „Brickerl“ mehr als ein Produkt: ein verlässlicher, bescheidener Genussmoment, zugänglich für fast alle, unprätentiös im Auftritt, konstant im Geschmack und preislich leistbar.Und gerade deshalb ist sein Verschwinden ein politisches Signal – über die unsichtbaren Mechanismen des kapitalistischen Konsumalltags.
Verdrängt durch den Markt
Die offizielle Begründung des Herstellers – eine „veränderte Nachfrage“ und „begrenzter Platz in den Truhen“ – mag auf den ersten Blick plausibel klingen. Doch ein genauerer Blick offenbart die eigentliche Dynamik: Der Konzern Unilever folgt nicht den Bedürfnissen der Konsumentinnen und Konsumenten, sondern in erster Linie den Anforderungen des Marktes, genauer gesagt: der Profitmaximierung. Produkte mit hoher Marge verdrängen jene, die zwar beliebt, aber im Verhältnis zur eingesetzten Schokolade und zum Verkaufspreis „zu wenig“ abwerfen.
Diese Logik ist im kapitalistischen Lebensmittelsystem nicht neu – doch sie zeigt sich hier in besonders greifbarer Form. Gerade weil das „Brickerl“ seit Jahrzehnten nahezu unverändert blieb, war es ökonomisch nicht mehr attraktiv. Kein Rebranding, kein „Limited Edition“-Zyklus, keine Influencer:innen-Kampagne. Einfach Eis und zwar für einen verhältnisweise geringen Preis, ein Magnum bietet hier mehr Chancen hohe Profite zu realisieren.
Vom Alltagsgut zum Opfer der Verwertungslogik
Dass ein simples Schoko-Eis unter die Räder der sogenannten „Innovation“ gerät, ist symptomatisch für eine Zeit, in der selbst die einfachsten Produkte dem ständigen Druck nach Steigerung, Optimierung und Markeninszenierung unterworfen sind. Die zunehmende Konzentration auf Premiumprodukte, auf „Lifestyle“-Eis mit hipper Verpackung und maximaler Marge, verdrängt jene Dinge, die einst das Sortiment für alle zugänglich machten.
Das Brickerl war kein Luxus, es war ein Alltagsgut – im besten Sinne. Mit seiner Abschaffung manifestiert sich erneut, wie in einem kapitalistische Wirtschaftssystem selbst das scheinbar Alltäglichste – ein Eis am Stiel – der Rationalisierung und Profitmaximierung zum Opfer fällt.
Für viele Menschen ist das „Brickerl“ Teil ihrer Kindheitserinnerung. In einer Gesellschaft, die zunehmend von wenigen Konzernen dominiert wird, ist der Verlust eines Produkts wie des Brickerls mehr als Nostalgie. Er ist ein Beispiel dafür, wie die Bedürfnisse der Vielen den Interessen der Wenigen weichen müssen.
Quelle: ORF