Die neue OECD-Studie „Health at a Glance 2025“ zeichnet ein scheinbar widersprüchliches Bild: Österreichs Gesundheitssystem steht im internationalen Vergleich weiterhin gut da – und doch sinkt die Zufriedenheit der Bevölkerung spürbar. 2014 gaben noch 89 Prozent der Menschen an, mit der Verfügbarkeit einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung zufrieden zu sein, 2024 sind es nur noch 78 Prozent. Auf den ersten Blick mag das immer noch hoch erscheinen, doch der Rückgang um elf Prozentpunkte in nur zehn Jahren ist ein deutliches Warnsignal.
Dass diese Entwicklung kein Zufall ist, liegt auf der Hand. Während die OECD Zahlen lobt – etwa hohe Ärztinnen- und Ärztedichte, kurze Wege zum Spital und überdurchschnittliche Gesundheitsausgaben –, spüren viele Menschen im Alltag eine andere Realität: wachsende Kosten, längere Wartezeiten, überlastetes Personal und ein immer stärker spürbares Zwei-Klassen-System im Gesundheitswesen.
Markt statt Mensch
Seit Jahren werden Gesundheitseinrichtungen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien „optimiert“. Was einst als öffentliche Daseinsvorsorge galt, wird zunehmend dem Druck der Marktlogik unterworfen. Effizienz, Wettbewerb, Kostendämpfung – das sind die Schlagworte, unter denen Spitäler zusammengelegt, Abteilungen geschlossen und Personal eingespart wird. Gleichzeitig öffnet sich das System immer weiter für privatwirtschaftliche Anbieter.
Das Wahlarztsystem steht exemplarisch für diese Entwicklung: Wer es sich leisten kann, kauft sich in kürzester Zeit Zugang zu medizinischen Leistungen – während alle anderen warten müssen. Das Versprechen der allgemeinen Gesundheitsversorgung wird so Schritt für Schritt ausgehöhlt. Auch wenn die OECD festhält, dass „zentrale Leistungen für 100 Prozent der Bevölkerung verfügbar“ sind, sagt das wenig darüber aus, wie lange man darauf warten muss oder wie viel man dafür tatsächlich bezahlt.
Das österreichische Gesundheitssystem wird grundsätzlich von einem verhältnisweise hohen Niveau umgebaut, Österreich gehört zu den entwickelten Wohlfahrtsstaaten, die in Zeiten der Systemkonkurrenz davon Profitierten, dass des Sozialismus nebenan war und man deswegen bestimmte Leistungen für die Bevölkerung ausgebaut hat. Von diesem verhältnisweise hohen Niveau wird der Abbau anders spürbar, als in anderen Ländern, in denen die Ausgangslage schlechter war oder wie in Griechenland mit der Krise 2008ff die Einschnitte mit dem Austeritätsregime der EU massivst waren.
Salzburg als Spiegel eines Trends
Besonders deutlich zeigt sich diese Abwärtsentwicklung derzeit in Salzburg, wo jüngste Konflikte um Spitalsbudgets symptomatisch für das sind, was bundesweit zu beobachten ist. Es ist kein „regionaler Sonderfall“, sondern Ausdruck eines allgemeinen Trends: jahrelange Sparpolitiken, die Öffnung öffentlicher Strukturen für private Interessen und die fortschreitende Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung.
Mit den anstehenden Budgetkürzungen auf bundesebene ist kaum Besserung in Sicht – im Gegenteil. Schon jetzt warnen Beschäftigte und Gewerkschaften vor einem weiteren Qualitätsverlust, vor Burnout und Personalmangel. Wenn Spitäler wie Unternehmen geführt werden und Gesundheit als Kostenfaktor gilt, dann darf man sich über sinkende Zufriedenheit nicht wundern. Sie ist kein Zufallsprodukt, sondern das direkte Ergebnis politischer Entscheidungen.
Kürzungen machen Krank
Noch immer gilt das österreichische Gesundheitssystem im OECD-Vergleich als stark. Aber die entscheidende Frage ist: Für wen? Solange die staatliche Gesundheitsversorgung geschwächt wird und privat finanzierte Alternativen boomen, verschiebt sich die Balance weiter zu Ungunsten jener, die auf öffentliche Leistungen angewiesen sind. Die sinkende Zufriedenheit ist damit kein statistischer Ausrutscher, sondern ein Warnsignal. Ein Gesundheitswesen, das Profitlogik über Solidarität stellt, verliert an Qualität.
Quelle: ORF


















































































