Wien. Während Österreichs Regierung die erste Tranche ihrer Spar- und Belastungspolitik umsetzt, spüren die meisten Menschen die Auswirkungen bereits im Alltag. Seit Dienstag sind Tabak, Wetten und Gerichtsgebühren merklich teurer, und auch E‑Autos werden nun normal besteuert. Hinter all dem steht das Bestreben, die Staatskassen zu füllen – doch wer bezahlt den Preis dafür? Nahezu ausschließlich die breite Masse der arbeitenden Bevölkerung, die ihre Alltagsausgaben kaum drosseln kann und nun mit deutlich gestiegenen Konsumkosten konfrontiert ist.
Gerichtsgebühren klettern kräftig nach oben, nachdem eine bereits für früher geplante Indexanpassung zweimal verschoben worden war. Das bedeutet: Wer eine Ehescheidung rechtskräftig machen oder Firmenbuchanträge stellt, zahlt nun empfindlich mehr. Laut Armenak Utudjian, Präsident des Rechtsanwaltskammertages, wird damit der Zugang zum Recht „enorm erschwert“. Auf der anderen Seite sieht man keinen funktionierenden Mechanismus, der die steigenden Einnahmen gezielt der Justiz zugutekommen lässt. Angesichts immer wieder überlasteter Gerichte und fehlenden Personals wirkt es gleich doppelt zynisch, dass man die Betroffenen mehr abkassiert, ohne für spürbare Verbesserung im System zu sorgen.
Auch Raucherinnen und Raucher greifen nun noch tiefer in die Tasche, wenn sie zu einem Packerl Zigaretten greifen. Der Preisanstieg um bis zu 50 Cent je Packung mag auf den ersten Blick gering wirken. Wer jedoch finanziell ohnehin knapp bei Kasse ist, trifft es umso härter.
Besonders unsozial ist der Entfall der Bildungskarenz in ihrer bisherigen Form. Wer nicht bis Ende Februar 2025 ein entsprechendes Abkommen mit seinem Arbeitgeber getroffen hat und noch dazu seine Weiterbildung bis spätestens 31. Mai antritt, geht leer aus. Dabei benötigt gerade die arbeitende Bevölkerung – die permanent unter dem Druck von Konkurrenz und Flexibilität steht – Zugang zu Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten. Doch stattdessen kappt man diese Möglichkeit, was nach Schätzung der Regierung 350 Millionen Euro ins Budget spülen soll. Eine Maßnahme, die gerade jenen Menschen Aufstiegsperspektiven verbaut, die ohnehin schon mühsam um finanzielle Stabilität kämpfen.
Eine erhöhte Bankenabgabe um 350 Millionen Euro und ein kleiner „Standortbeitrag“ der Energieunternehmen von 200 Millionen Euro sehen auf dem Papier nach einem Schritt in Richtung Belastung der Konzerne aus. Doch angesichts der in den letzten Jahren erzielten Rekordprofite sind das sprichwörtlich „Peanuts“. Das wahre Problem des Kapitalismus – nämlich die massive Ungleichverteilung, bei der Großunternehmen selbst in Krisenzeiten Zuwächse erzielen – bleibt davon völlig unberührt. Letztlich tragen Banken und Elektrizitätswirtschaft nur einen minimalen Teil bei, während die arbeitende Bevölkerung die Hauptlast trägt und für das Loch im Budget „zahlen“ soll.
Damit gerät noch deutlicher ins Blickfeld: Das Budgetloch wird nicht durch große Kapitalgesellschaften, Finanzinvestoren oder Erbschaften gefüllt, sondern durch unsoziale Massensteuern und Einsparungen in Bereichen, die den Alltag prägen. Die kleinen Leute zahlen einmal mehr drauf: ob bei Tabak, Wettscheinen, Gerichtsverfahren, PV-Anlagen oder beruflicher Weiterbildung. Im Ergebnis nimmt man der arbeitenden Bevölkerung das Geld aus der Tasche, während man mit minimalen Abgaben bei Banken und Energiekonzernen den Schein erweckt, es gäbe einen fairen Beitrag der Großverdiener. Letztlich ist das nur ein weiterer Beleg dafür, dass dieses System auf dem Rücken der Mehrheit saniert wird – und das möglichst lautlos, in kleinen Schritten, die jeder für sich genommen unauffällig scheinen mögen, in der Summe jedoch gravierende Einschnitte für den Geldbeutel bedeuten.
Quelle: ORF