Vier Jahre nach dem verheerenden Seilbahnunglück am Lago Maggiore, bei dem 14 Menschen starben, ist in Italien das Strafverfahren abgeschlossen worden. Das Gericht in Verbania sprach am Freitag drei Schuldsprüche im Rahmen von Strafvereinbarungen mit der Staatsanwaltschaft aus, zwei Angeklagte wurden freigesprochen.
Der damalige Betriebsleiter der Anlage, Gabriele Tadini, erhielt eine Strafe von vier Jahren und fünf Monaten. Er hatte gestanden, die Notbremse der Seilbahn bewusst blockiert zu haben, um Störungen im Betrieb zu vermeiden. Der Eigentümer der Betreibergesellschaft Ferrovie del Mottarone, Luigi Nerini, wurde zu drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der technische Direktor Enrico Perocchio erhielt drei Jahre und elf Monate.
Diese Urteile erfolgten im Rahmen eines „patteggiamento“, einer italienischen Form des Strafnachlasses gegen Schuldeingeständnis. Für die Verurteilten bedeutet das, dass sie voraussichtlich keine Haftstrafen antreten müssen, sondern ihre Strafen im Rahmen von Sozialdiensten verbüßen können.
Die zentrale Erkenntnis des Prozesses bleibt, dass wirtschaftliche Erwägungen über die Sicherheit der Fahrgäste gestellt wurden. Schon kurz nach dem Unglück hatten Ermittlungen gezeigt, dass die Notbremse außer Kraft gesetzt worden war – nicht etwa aus Versehen, sondern um Einnahmenverluste durch Betriebsunterbrechungen zu vermeiden. Eine dringend notwendige Reparatur hätte längere Stillstände bedeutet, mitten in einer Phase, in der touristische Betriebe nach den Pandemie-Einschränkungen wieder auf Einnahmen angewiesen waren.
Der Preis dieser Entscheidung waren 14 Menschenleben, darunter mehrere Kinder. Nur ein damals fünfjähriger Bub überlebte schwer verletzt, er verlor bei der Katastrophe jedoch seine gesamte Familie.
Freigesprochen wurden hingegen Martin Leitner, Vizepräsident des Südtiroler Wartungsunternehmens Leitner, sowie dessen Mitarbeiter Peter Rabanser. Für beide sah die Staatsanwaltschaft letztlich keine strafrechtliche Verantwortung.
Die Anklage sprach von einem „schwierigen, aber notwendigen Kompromiss“. Angesichts der langen Verfahrensdauer – mehr als vier Jahre nach der Katastrophe – habe ein reguläres Hauptverfahren kaum Aussicht auf Erfolg gehabt. Staatsanwalt Alessandro Pepè räumte ein: „Dieses Ergebnis ist nicht ideal, aber eine insgesamt angemessene Lösung.“
Bei den Angehörigen der Opfer stößt das Urteil dennoch auf Unverständnis. „Das ist der Wert, den sie dem Leben von Menschen beimessen“, sagte die Mutter einer der ums Leben gekommenen Frauen. Auch die Anwälte des kleinen Eitan, des einzigen Überlebenden, betonten, dass es trotz der Schuldsprüche niemals ein Wort der Entschuldigung vonseiten der Betreiber gegeben habe.
Das Seilbahnunglück vom 23. Mai 2021 gilt als eines der schwersten Seilbahndesaster in Europa seit Jahrzehnten. Es steht seither sinnbildlich für den fatalen Moment, in dem kurzfristige Profiterwägungen schwerer wogen als das elementarste Gut: die Sicherheit der Fahrgäste.
Quelle: la Repubblica