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Alkoholkonsum als Palliativmittel

Der Alkoholkonsum im privaten Haushalt stieg in der Lockdown-Zeit. Die Gründe sind durchwegs sozialer Natur.

Veränderungen im Alkoholkonsum

Die Gefahr, zur Flasche zu greifen, steigt bei sozialer Isolation, Existenzängsten und Überforderung. Laut einer Umfrage der Uni Wien haben Menschen in Österreich während der Krise weniger Alkohol getrunken, da Bars und Gaststätten ja geschlossen waren. Viele Österreicherinnen und Österreicher haben aber zuhause im Alkoholkonsum Zuflucht gesucht. Menschen, die große Einsamkeit erleben, von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen sind, griffen laut der Studie in der Krise eher zur Flasche. Als unmittelbarer Anlass wird der aus den Veränderungen des Alltagslebens herrührende Stress identifiziert.

Suchtexperte Christian Haring führt diesen Umstand darauf zurück, dass Menschen, die bereits Erfahrung mit Alkohol haben, diesen zu nutzen versuchen, um ihre Stimmung zu regulieren. In Ausnahmesituationen laufen trockene Alkoholiker und gefährdete Menschen Gefahr, sich im Alkoholkonsum eine Erleichterung ihrer Situation zu erhoffen.

Schwere Folgen

Dass regelmäßiger Alkoholkonsum ungesund für den Menschen ist und Existenzen zerstört, dürfte den meisten bekannt sein. Neben der Folgekrankheit Leberzirrhose sind aber weitere Folgeschäden bekannt: Bluthochdruck, Diabetes und sogar Krebs. Daraus folgert Haring, dass eine gesunde Kultur im Umgang mit Alkohol vonnöten sei. Als tägliche Dosis seien für Männer 60 Gramm (entspricht einem großen und einem kleinen Bier) für Frauen 40 Gramm Alkohol (entspricht einem großen Bier) vertretbar. Trotzdem sei tägliche Alkoholnotwendigkeit problematisch, gefährlich wird es, sobald höhere Mengen konsumiert werden. Sucht oder Genuss machen den Unterschied: Ein Warnzeichen für einen problematischen Umgang mit Alkohol ist das Gefühl körperlichen Bedürfnisses danach.

Krise als Grund zum Trinken

Einsamkeit, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit führen dazu, dass Menschen ein Bedürfnis verspüren, aus ihrer tristen Realität zu entfliehen. Auch wenn inzwischen jedem klargeworden ist, dass Alkohol keine Lösung, sondern oftmals die Ursache für existenzielle Probleme darstellt, versprechen sich Menschen eine zumindest kurze Linderung im Ertragen der miserablen Zustände im Kapitalismus. Die Folgen der Krise werden laut Haring noch andauern: „Manche Betriebe tun sich schwer, wieder auf die Beine zu kommen, Menschen sind von Arbeitslosigkeit bedroht. Viele werden diese Krise weiter erleben und damit weiter Gründe haben, zu trinken“

Der Gegensatz zwischen Alkohol als Genussmittel und Alkohol als Suchtmittel ist unter kapitalistischen Voraussetzungen unlösbar. Der Kapitalismus erzeugt tagtäglich, ob mit oder ohne Corona, Gründe zum Trinken und für Eskapismus. Genauso wie der Konsum von Suchtmitteln macht dieses System den Menschen unweigerlich krank. Dabei nützt es dem herrschenden System besonders, wenn man privat zu Palliativlösungen greift und das revolutionäre Potential so lange dämpft, bis es schließlich ganz abgetötet wird.

Quelle: ORF / UniWien

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