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Bis der letzte Gemeindebau privatisiert ist…

Wien. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat erneut auf Wien hingedroschen. Er unterstellte den Wiener Gesundheitsbehörden, die Situation mit der Häufung der Corona-Hotspots in den beiden Postverteilzentren Wien-Inzersdorf und Hagenbrunn nicht im Griff zu haben. Es scheint dem Drehbuch der türkisen Truppe um Kanzler Kurz zu entsprechen, dass jede Gelegenheit genutzt wird, um die Wiener Stadtverwaltung und damit natürlich die regierende Wiener SPÖ anzugreifen. Der Hintergrund ist die Wien-Wahl im Herbst. Die ÖVP wittert gute Chancen, Wien mit Hilfe von Grünen und Neos zu „übernehmen“ und die SPÖ nach ihrer 75-jährigen ununterbrochenen „Herrrschaft“ vom Thron zu stossen.

Auch die Schließung der riesigen Bundesgärten in Wien, wie dem Belvedere, dem Schlosspark Schönbrunn oder dem Augarten durch die Landwirtschaftministerin war zu Beginn der Corona-Maßnahmen mehr ein Willkürakt, als logisch begründbar.

Krisenstabschaos in der Bundesregierung

Zeitgleich zum Angriff auf Wien durch den ÖVP-Innenminister hielt Gesundheitsminister Rudolf Anschober eine Pressekonferenz ab, in der er den Wiener Gesundheitsbehörden attestierte, dass sie sehr gute Arbeit im Aufspüren dieses Corona-Clusters gemacht haben. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) zeigte sich empört über Nehammers Aussagen, und wies auf das Krisenstabschaos im Bund hin. Neben dem zuständigen Gesundheitsministerium wurden auch im Innenministerium und im Kanzleramt Krisenstäbe eingerichtet. „Wir haben schon im März die Frage gestellt, was eigentlich die Grundlage für diesen Stab ist. Und nur weil die ÖVP da jetzt Wahlwerbung machen möchte mit ihren Stäben, da spielen wir sicher nicht mit“, sagte Hacker in einem Interview mit ORF-Wien heute. In den Auseinandersetzungen zwischen Wien und Bund zeigt sich, dass alle bürgerlichen Parteien versuchen ihr Kleingeld aus der aktuellen Krise zu schlagen und gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Es geht um Macht und Machtgewinn unter dem Deckmantel etwas für die Bevölkerung zu tun.

Kampf der ÖVP gegen das „rote Wien“

Der Hintergrund der ständigen Angriffe der ÖVP-Truppe rund um Kanzler Kurz auf die Bundeshauptstadt ist ein anderer. Zum einen lebt in der ÖVP wieder verstärkt der Geist des Kampfes gegen das „rote Wien“ auf, wie es in der Zwischenkriegszeit das Hauptziel ihrer Vorgängerpartei unter Dollfuss und Schuschnigg war, zum anderen gibt es nirgendwo in den Bundesländern ein solches „Privatisierungspotential“ wie in Wien. In Wien sind so gut wie alle Bereiche der kommunalen Versorgung nach wie vor in öffentlicher Hand, obwohl auch die Stadt Wien schon Sale-and-lease-back Modelle mit Straßenbahnen und Kanal umgesetzt hat. Wien besitzt große Grundstücksflächen an den Stadträndern und kann damit potentiell Spekulation eindämmen und die Stadt Wien ist auch der größte land- und forstwirtschaftliche Betrieb der Bundeshauptstadt. Das, was aber der ÖVP und den Kräften, von denen sie finanziert wird, am meisten gegen den Strich geht, sind die – zu einem Gutteil noch im Zuge des Wohnbauprogramms der 1920-er und 1930er – Jahre errichteten Gemeindewohnungen in Wien. Aus linker Sicht ist zu kritisieren, dass die Stadt Wien kaum noch Gemeindewohnungen neu errichtet und auch der Bestand nicht immer in gutem oder bewohnbarem Zustand ist, den Konservativen sind aber selbst die Bestehenden zu viel. Erst, wenn der letzte Gemeindebau privatisiert ist, sehen sie ihr Ziel als erreicht an.

Quelle: ORFWien heute

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