Dass man mit Nehammers EIB-Nominierung einen regelrechten Bock zum Gärtner macht, ist das Resultat des wiederauferstandenen schwarz-roten Postenschachers. Aber auch im ÖFB ist Platz für ÖVP/Raiffeisen-Altbestände.
Wien/Sankt Pölten. Wer wissen will, wie Österreich funktioniert, bekommt es gegenwärtig wieder in komprimierter Form gezeigt: Zwei Postenbesetzungen mit ehemaligen ÖVP-Spitzenpolitikern sorgen nicht nur für resignierendes Kopfschütteln, sondern auch für defätistische Belustigung. Aber der Reihe nach!
Da wäre zunächst Karl Nehammer. Manche werde sich noch erinnern: Zuletzt Bundeskanzler der Republik Österreich, zuvor Innenminister, ÖVP-Generalsekretär und Berufssoldat im Range eines Leutnants, politisch im Bereich der VP/Raiffeisen NÖ-Wien beheimatet. Sein Vermächtnis ist ein tiefes Budgetloch, das er vor der Nationalratswahl noch gemeinsam mit dem mittlerweile zum EU-Kommissar beförderten Finanzminister Magnus Brunner beschönigt hat, dessen katastrophales Ausmaß inzwischen aber bekannt ist. Seine Regierung ist zudem für die mangelhafte Bekämpfung der Teuerungskrise und der Wirtschaftsrezession verantwortlich. Schlägt man in einem Lexikon unter politischem und v.a. finanzpolitischem Versagen nach, so findet man vermutlich ein Bild von Nehammer. Allerdings muss man ihm zugute halten: Er hatte eben auch keinerlei Ausbildung oder Fähigkeiten von im weitesten Sinn haushaltspolitischen, geldpolitischen, monetären, fiskalischen Belangen. Woher denn auch? Nehammer Hauptausbildung neben dem Bundsheer ist die eines Kommunikationsschmähtandlers.
Und dann wird es bizarr: Nachdem Österreich einen Direktoriumsposten bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) nachbesetzen darf, nominiert der neue Finanzminister Marterbauer (SPÖ) nicht etwa einen erfahren Banker, Finanzmanager oder Wirtschafts- bzw. Finanzpolitker, sondern – Nehammer.
Das EIB-Direktorium ist wohlgemerkt nicht irgendein Aufsichtsgremium, sondern das Exekutivorgan, das hunderte Milliarden von EU-Geldern verwaltet und damit Wirtschafts‑, Investitions- und Kreditpolitik betreibt. Deshalb verfügen auch alle Direktoriumsmitligieder über eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung – nur Nehammer nicht. Der hat von der Materie keinen Tau, seine ökonomische Kompetenz liegt irgendwo zwischen der Preisliste von McDonald’s und der Kosten-Nutzen-Abwägung zwischen Alkohol und Psychopharmaka. Aber einen tollen Humor hat der Kerl, immerhin!
Humor hat man also offenbar auch in der neuen Bundesregierung, die Nehammer für den EIB-Job nominiert hat. Diese Entscheidung dürfte nicht gerade Marterbauer selbst getroffen haben, allem Anschein nach haben ÖVP und SPÖ wieder einmal nach altbewährter Unart gepackelt. Das System des Postenschachers feiert fröhliche Urständ – und man darf gespannt warten, welcher SPÖ-Bonze im Gegenzug ebenfalls einen hoch dotierten neuen Posten bekommt. Eine Hand wäscht die andere – schmutzig sind sie alle.
Dass jetzt bald ein Sozialdemokrat zum Zug kommen muss, unterstreicht eine andere prominente, aber ebenso überraschende Personalentscheidung: Der frühere ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll wird neuer Präsident (künftig: Aufsichtsratsvorsitzender) des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB). Seit man dort nämlich mit Milletich versehentlich vorübergehend einen SPÖler eingesetzt hatte, herrschte Unruhe im ÖFB, sodass selbst Teamchef Ralf Rangnick und ‑kapitän David Alaba das Wort ergreifen mussten. Pröll kommt nun direkt aus dem Raiffeisenkonzern (Leipnik-Lundenburger), hätte vermutlich die Kompetenz zum EIB-Direktoriumsmitglied gehabt, wird das ÖFB-Schiff aber vermutlich auch wieder in ruhigere Gewässer führen. Dass das neue Nationalstadion dann halt in Hollabrunn gebaut wird, muss man eben hinnehmen.
So schaut’s aus in Österreich. Die ÖVP bleibt weiter ungeniert, während Meinl-Reisinger (NEOS) in der ZiB‑2 immerhin nichts davon erklären will und kann. Wirklich erschütternd ist die Tatsache, dass die Babler-SPÖ genau dort anküpft, wo Faymann aufgehört hat. Wieder geht es nur um Posten, Macht, Ämter, Bonzen, Gelder und Bereicherung, in schwarz-roter Eintracht und ‑falt. Die SPÖ kann einen sogar enttäuschen, wenn man sich nichts mehr von ihr erwartet.