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Zum kürzlichen Ende einer kapitalistischen Politikinszenierung

Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), zum politischen Abschied von Sebastian Kurz

Die Farce ist vorbei: Sebastian Kurz verlässt endgültig die Politik und gibt seine Ämter als ÖVP-Obmann und ‑Fake-Klubobmann im Nationalrat ab. Der vorübergehende Seitentritt wird doch noch zum langsamen Rücktritt, was im Allgemeinen ja auch zu erwarten war. Man braucht Kurz nicht (mehr) in der ÖVP, der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung. Glanz und Glaubwürdigkeit sind ohnedies dahin – und immer noch droht eine juristische Verurteilung. Man wird ihm gesagt haben, dass es Zeit ist, und er wird es auch selbst erkannt haben. Die heiße Luft ist raus. Eine bizarre personelle Episode der österreichischen Politik findet ihr verdientes Ende.

Was bleibt vom ehemaligen Kanzlerdarsteller Sebastian Kurz? Zunächst zwei Amtszeiten, die recht kurz und inhaltlich desaströs waren. Nach der erfolgreichen ÖVP-internen Intrige gegen Mitterlehner sprengt Kurz die Koalition mit der SPÖ, um Kanzler von Straches und Kickls Gnaden zu werden. Nach dem Ibiza-Schiffbruch nützt er die Chance, das türkise Machtgeilomobil nochmals durchstarten zu lassen, die Grünen geben den willfährigen Anschieber. Mit der Corona-Pandemie beginnt das Stottern: Einerseits wird offensichtlich, dass das engere Team um Kurz, wie er selbst, recht substanzlos und inkompetent ist. Das rächt sich mit erheblichen gesundheitlichen Gefährdungen für die österreichische Bevölkerung, deren Nachwirkungen wir gerade im abermaligen Lockdown zu spüren bekommen, verbunden mit sozialen und ökonomischen Verwerfungen. Für Notstand und Krise ist Kurz nicht gemacht, sondern für Selbstinszenierung und PR-Kampagnen. Tatsächliche politische Arbeit ist nicht seine Sache. Doch natürlich wird den Interessen der Financiers, der Freundeskreise und des Kapitals entsprochen, was bisweilen dann zu abgesprochen wirkt: Ermittlungen wegen Postenschacher, Korruption und Falschaussagen brechen dem vermeintlichen Messias das Genick. Mit Rechtsstaat und Verfassung hatte es der Jus-Studienabbrecher sowieso nicht so.

Doch immerhin bleibt Kurz unbesiegt an den Wahlurnen – allerdings erwiesenermaßen (auch) deshalb, weil die ÖVP die gesetzliche Wahlkampfkostengrenze ignorierte, und mutmaßlich deshalb, weil gefälschte Umfragen erstellt und publiziert wurden. Manch einer könnte sagen, Kurz ist nicht nur ein Blender, sondern sei auch ein Betrüger, nämlich gegenüber der Demokratie. Das ganze Kartenhaus ist zusammengestürzt, die ÖVP wieder zurecht im Sinkflug, der allgemeine Schaden aber ebenfalls angerichtet: Die türkis-grüne Regierung steht für Versagen, Ignoranz, Heimtücke und Missachtung, wofür die Bevölkerung die Zeche zahlen soll. Kein anderer Bundeskanzler der Zweiten Republik hat eine vergleichbare Misere hinterlassen, zumal in so kurzer Zeit. Sollte Sebastian Kurz eine Haftstrafe erspart bleiben, was man ihm durchaus wünschen mag, so wird er schon weich genug fallen: Er hat seinen Dienst am Kapital erledigt, also wird sich auch ein gut dotierter Versorgungsposten in der „Privatwirtschaft“ finden lassen, auch wenn der 35-Jährige über keinerlei seriöse Berufserfahrung verfügt – normalerweise würde so jemand beim AMS als eher hoffnungslos eingestuft. Doch man wird es sich schon zu richten wissen, im staatsmonopolistischen Kapitalismus gibt es immer Bedarf an abgehalfterten Ex-Politikern, egal wie grandios sie gescheitert sind.

Und es ist eigentlich auch egal, was aus Sebastian Kurz nun wird. Es ist ebenso egal, wer ihm an der Spitze der ÖVP nachfolgt, ob jemand aus der türkisen Freunderlpartie oder aus den altschwarzen Netzwerken, denn einen substanziellen Unterschied gibt es nicht. Es mag vielleicht einen geben bezüglich der Ungeniertheit, Egomanie und Kompetenzfreiheit, aber für den politischen Inhalt spielt das keine Rolle. Die ÖVP bleibt vorerst an der Macht, und wenn es nach den Grünen geht, dann die gesamte Legislaturperiode. Auch wenn Kurz weg ist, so bleibt die asoziale Politik gegen die Interessen der Arbeiterklasse, der sozial Benachteiligten oder der Migranten. Es bleibt der Gesundheitsnotstand. Es bleibt die kapitalistische Krise. Es bleibt die ökologische Krise. Es bleibt das gesamte System der abgehobenen „Eliten“-Politik, die für den „Pöbel“ nur Verachtung und Repression übrighat.

Das wird sich auch nicht ändern, denn dieses System hängt mit dem Kapitalismus zusammen, dessen politische Verwalter immer austauschbar sind – es regiert die Zweckmäßigkeit für das Kapital. In diesem Rahmen tut der Name des Bundeskanzlers nichts zur Sache, und auch die Parteizugehörigkeit ist im Wesentlichen eine Frage gegenwärtiger Bedürfnisse der unveränderten Ausbeutungs- und Herrschaftsform. Insofern braucht auch niemand darauf hoffen, dass die nächste Regierung – wann auch immer die neue Wahlinszenierung folgt – eine signifikant bessere sein wird, denn es wird sich immer um eine Regierung des Kapitals handeln. Genauso wenig wie die Alternativen zu Kurz irgendwie Schallenberg, Nehammer oder Edtstadler sind, so wenig ist die wirkliche Alternative zur ÖVP die SPÖ, geschweige denn im Verbund mit den radikalkapitalistischen NEOS und den reichlich abstrakten Grünen.

Daraus ergibt sich, dass es weiterhin Widerstand brauchen wird – nicht nur gegen die ÖVP und die bisherige Regierung, sondern auch gegen jede andere, die der kapitalistischen Verwaltung der Ausbeutung und Unterdrückung dient. Dieser Widerstand wird erst dann erfolgreich gewesen sein, wenn nicht diese oder jene politische Maßnahme durchgesetzt bzw. verhindert wurde oder gar die Regierungsverantwortung wechselt, sondern erst, wenn das System in allen Facetten und Farbnuancen überwunden ist. Mit dem politischen Ende von Kurz und absehbar der engeren türkisen Partie ist nichts gewonnen – nicht nur, weil diese nicht gestürzt wurden, sondern an sich selbst gescheitert sind, sondern weil nichts Besseres nachkommt. Kurz mag weg sein, doch der Kapitalismus bleibt. Daher bleibt auch der konsequente revolutionäre Klassenkampf von unten weiterhin die zentrale Aufgabe. Dieser lange Kampf lässt sich nicht abkürzen, auch nicht nach dem langsamen Abschied des zweimaligen Kurzzeitkanzlers Kurz.

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