Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)
Über 18.000 Schiffe passieren pro Jahr den ägyptischen Suezkanal, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer – und somit mit dem Indischen Ozean – verbindet. Der künstlich geschaffene Meerwasserkanal ist seit seiner Eröffnung 1869 eine der wichtigsten globalen Transportrouten, da er aus europäischer wie asiatischer Sicht den großen Umweg einer Umrundung Afrikas erübrigt. Doch von Dienstag vergangener Woche bis diesen Montag – also für sechs Tage – herrschte Stillstand: Der 400 Meter lange und 220.000 Tonnen schwere panamaische Containerfrachter „Ever Given“ geriet in Querlage, lief auf Grund und blieb in dieser Position stecken. Da der Suezkanal an der fraglichen Stelle relativ schmal ist, war er dadurch vollständig blockiert, und an beiden Enden kam es zu einem erheblichen Rückstau anderer Schiffe, deren Zahl auf über 400 stieg. Es dauerte bis zum Vormittag des 29. März, als sich der Frachter wieder bewegen und im Laufe des Tages abschleppen ließ. Damit war der viel befahrene Seeweg nach nicht ganz einer Woche wieder frei.
Besonders schlaue Köpfe, die sich Sorgen um die Profite der Konzerne machen, haben blitzschnell errechnet, dass die unfallbedingte Blockade einen „wirtschaftlichen Schaden“ von rund zwei Milliarden Euro verursacht hat – nicht unbedingt das, was der Kapitalismus in seiner globalen Krise auch noch braucht. Für manche der wartenden Schiffe waren die Verzögerungen jedoch etwas unmittelbarer problematisch, vor allem für eine offenbar zweistellige Zahl rumänischer Frachter, die insgesamt rund 130.000 – lebende – Schafe an Bord hatten. Die NGO Greenpeace hatte in Bezug auf diese davon gesprochen, es drohe „eine maritime Katastrophe für lebende Tiere in noch nie dagewesenem Ausmaß“. Denn natürlich sind die Wasser- und Nahrungsvorräte begrenzt und auf die eigentliche Fahrzeit kalkuliert, womit zusätzliche Tage auf See die Schafe neben dem ohnedies vorhandenen Stress auch noch Hunger, Durst und potenzieller Mangelversorgung sowie schlimmstenfalls dem Tod aussetzen. Insofern kann sich auch das für diesen Massentiertransport verantwortliche Speditionsunternehmen aus Rumänien glücklich schätzen, dass der Suezkanal nun wieder frei ist und somit das „worst case“-Szenario vermieden werden konnte.
Doch diese in der medialen Aufmerksamkeit nebensächliche Begebenheit am Isthmus von Suez zeigt, dass Lebendtiertransporte stark eingeschränkt und in diesem Ausmaß – nämlich bezüglich Fahrtstrecke wie Anzahl – gänzlich verboten gehören. Sie bedeuten nämlich nicht nur im Falle unvorhergesehener Ereignisse, sondern generell erhebliches Tierleid: Man kann (oder will) sich nicht vorstellen, wie die Schafe auf diesen Schiffen zusammengepfercht sein müssen, und wie die hygienischen und psychischen Bedingungen daher zwangsläufig aussehen. Eine vernünftige Notwendigkeit hierfür kann es eigentlich nicht geben, den kapitalistischen Maximalprofit freilich ausgenommen – und das zählt eben in unserer Welt.
Denn hier sind die Schafsköpfe des Kapitalismus am Werk. Es sind keine „normalen“ internationalen, sondern eben imperialistische Handelsbeziehungen, die zum fraglichen Aufkommen von schwer zu manövrierenden Containermonstern und überdimensionierten Öltankern (und Massentiertransporten) führen; es sind Austauschbeziehungen zwischen den billigsten Industriestandorten und den lukrativsten Absatzmärkten; es geht um Rohstoffplünderei, ausgelagerte Monokulturen der Agrarkonzerne, die Zerstörung lokaler und nachhaltiger Versorgung vor Ort sowie um völlig absurde Produktions- und Vertriebsketten über tausende von Seemeilen. Hierbei gibt es keine Rücksicht auf Sicherheit, Gesundheit, Umwelt, Klima, Tierwohl – und auf eigentliche menschliche Bedürfnisse. Der Kapitalismus ist längst auf Grund gelaufen – und nichts kann ihn wieder flott machen. Dies ist die Botschaft von Port Said.