Nach der Vertrauensabstimmung in der Knesset wird es in Israel fix eine neue Regierung geben. Diese ist überaus widersprüchlich, die KP bleibt zurecht in Opposition.
Jerusalem. In Israel hat die erste Regierung ohne Benjamin Netanjahu seit zwölf Jahren eine wichtige Hürde genommen: Das Parlament sprach ihr am Sonntagabend das Vertrauen aus, womit der Angelobung nun nichts mehr im Wege steht. Die ZdA hat die Bildung der – gelinde gesagt – recht „breiten“ Koalition bereits im Zuge der Verhandlungen ausführlich analysiert: Netanjahu konnte selbst keine Mehrheit für eine Regierung finden, daher wurde Jair Lapid beauftragt – und er schmiedete ein Anti-Netanjahu-Bündnis, das neben seiner eigenen liberalen Partei Jesch Atid auch rechtsreligiöse, rechts-säkulare (Lieberman) und sozialdemokratische Kräfte einschließt sowie sogar die arabisch-konservative Liste Ra’am. Sie eint eigentlich nur die Anti-Netanjahu-Haltung, dessen Ende als Ministerpräsident freilich überfällig war: Er regierte 1996 bis 1999 sowie abermals seit 2009.
Widersprüchliche Koalition, Kommunisten in Opposition
Lapid selbst wird aber erst in zwei Jahren das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen, denn um die etwas seltsame Koalition zu ermöglich, überlässt er zunächst Naftali Bennett die Regierungsführung. Dessen Partei Jamina ist nationalistisch-religiös, wäre also inhaltlich eher Netanjahus Positionen nahegestanden. Damit sind Konflikte vorprogrammiert, denn Bennet unterstützt die illegalen Siedlungen und Annexionen im Westjordanland, während die sozialdemokratischen, linkszionistischen Parteien Awoda und Meretz hier eher zurückhaltend sind – und die erste arabische Partei, die einer israelischen Regierung angehört, schreibt sich natürlich die Interessen der arabischen Bevölkerung Israels sowie der Palästinenser auf die Fahnen.
Bei der Vertrauensabstimmung in der Knesset stimmten nun 60 der 120 Abgeordneten für die neue Regierung und 59 dagegen, was schon die Schwierigkeiten des Lapid/Bennett-Bündnisses markiert: Es verfügt eigentlich über 62 Parlamentarier, also gingen auch zwei eigene Stimmen verloren. Die 58 Mandate der Opposition entfallen zum Großteil auf das Netanjahu Bündnis, d.h. den konservativen Likud (30 Sitze) und dessen weit rechtsstehende, orthodox-religiöse Partner (zusammen 22 Sitze). Weder der Regierung noch dem entmachteten Netanjahu-Lager vertrauen die sechs Abgeordneten der „Vereinten Liste“, der auch die Kommunistische Partei Israels sowie deren Linksbündnis Chadasch angehören – der Wille zu Frieden und Gerechtigkeit in Israel und Palästina wird nur durch sie zum Ausdruck kommen, während von Lapid und erstrecht Bennett nichts dergleichen zu erwarten ist.
Kurz auch ohne Bibi am Holzweg
Mit Netanjahu, gegen den Korruptionsprozesse laufen, verliert auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz einen engen Verbündeten, mit dem sich gerne als befreundet inszeniert. Als die Netanjahu-Regierung zuletzt wieder einmal den Gaza-Streifen bombardieren ließ und über 250 Palästinenser tötete, stellte sich Kurz in voller „Solidarität“ mit dem israelischen Besatzungs- und Unterdrückungsregime hinter die Aggression und veranlasste das Hissen der Flagge Israels auf dem Wiener Bundeskanzleramt.
Auch jetzt scheint Kurz nicht zu begreifen, wo die Probleme in Israel und Palästina liegen: „Österreich bekennt sich zu Israel als jüdischem und demokratischem Staat und wird weiterhin an der Seite Israels stehen“, erklärte Kurz anlässlich der Knesset-Bestätigung der neuen Regierung. Der „jüdische Charakter“ Israels impliziert freilich die Diskriminierung jener mehr als 20 Prozent der eigenen Bevölkerung, die muslimische und christliche Araber sind. Dies sowie die völkerrechtswidrigen Okkupationen und Annexionen palästinensischer, syrischer und libanesischer Gebiete, die Verwandlung von Gaza in ein Freiluftgefängnis, die militärischen Aggressionen und der tägliche Staatsterrorismus stören jemanden wir Kurz natürlich nicht – egal, wer in Jerusalem Premierminister ist.
Quelle: ORF