In Wahrheit geht es den wütenden Orbán-Gegnern in Wien, Berlin und Brüssel aber darum, dass er sich gegen die weitere Unterstützung des Ukraine-Krieges durch die EU ausspricht und nicht um seine reaktionäre Innenpolitik. Gegen den Wahnsinn der weiteren Fütterung des Krieges mit Geld und Waffen zu sein, ist heute schon ein Grundübel.
Wien. Ein Privatbesuch des ungarischen Ministerpräsidenten und gegenwärtigen EU-Ratsvorsitzenden Viktor Orbán in Wien scheuchte die US- und NATO-getreue Journalisten- und Politikerblase hierzulande auf. Orbán nahm am Donnerstagnachmittag an einer Diskussionsveranstaltung in den Sofiensälen in Wien-Erdberg teil. Organisiert hatte das ganze die Schweizer Wochenzeitung Weltwoche, deren Chefredakteur Roger Köppel ehemaliger Abgeordneter der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) ist. Köppel gibt sich gerne als Provokateur, der die üblichen Narrative des politischen Westens infrage stellt und er verhehlt dabei auch nicht, dass er zu den Bewunderern von Donald Trump und Viktor Orbán zählt.
Köppel und Orbán diskutierten in Wien gemeinsam mit dem ehemaligen deutschen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Der Stargast des Abends war aber zweifellos Viktor Orbán. „Der Krieg in der Ukraine ist militärisch verloren“, sagte er und das wisse jeder Militäranalytiker. Diese Erkenntnis werde nur von der Spitzenpolitik andauernd geleugnet, sagte er. Eine Änderung der Lage sei nur durch die Entsendung von NATO-Truppen möglich, was einem dritten Weltkrieg gleichkäme. Die Österreicher erschreckte er mit dem Satz: „Dann kommt es auch zu Musterungen in Wien“. Orbán hat zu Beginn der ungarischen Ratspräsidentschaft Kiew, Moskau, Peking und Washington bereist, um die Chancen für einen Frieden in der Ukraine auszuloten. Das brachte ihm den wütenden Zorn der transatlantischen Politblase in Brüssel, Berlin und anderen EU-Hauptstädten ein. Von Leuten wie Ursula von der Leyen, die immer neues Geld der EU-Mitgliedsstaaten in die Ukraine pumpt, um das Sterben zu prolongieren, und Annalena Baerbock, die schon einmal versehentlich gesagt hat, der Westen befände sich im Krieg mit Russland.
Kriegshetzerpartei NEOS heult am lautesten
Ausgerechnet die Partei, die sich im EU-Parlament als Kriegshetzerin und Totengräberin der österreichischen Neutralität hervortut, indem sie einer Resolution zustimmt, die fordert, dass alle EU-Staaten 0,25 Prozent ihres BIP für Waffenhilfe an die Ukraine verwenden, heulte am lautesten über die Anwesenheit von Orbán in Wien. Es handelt sich um NEOS, deren Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger dem FPÖ-Parlamentspräsidenten Walter Rosenkranz einen wütenden Brief schrieb.
Rosenkranz hatte sich nämlich herausgenommen, den ungarischen Präsidenten im Parlament zu empfangen. Auch SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler, Sigrid Maurer von den Grünen und andere Mainstream-Politikerinnen und ‑Politiker gingen auf Rosenkranz los. Aber was bitte ist das Problem, wenn das Staatsoberhaupt unseres Nachbarlandes im Parlament empfangen wird. Will man nur mehr mit Politikern aus anderen Ländern sprechen, die derselben Meinung sind wie die hiesigen?
Orbáns Innenpolitik ist konservativ bis reaktionär. Er vertritt ein traditionell-christliches Familienbild und hetzt gegen sexuell anders orientierte Menschen, eine Ehe können nur Mann und Frau eingehen. Seine Flüchtlingspolitik ist restriktiv, dafür empfängt er westliche und chinesische Konzerne mit offenen Armen und großzügigen Subventionen. Gegen das alles kann man sein, vor allem, wenn man einer fortschrittlicheren Gesinnung anhängt. In Wahrheit geht es den wütenden Orbán-Gegnern in Wien, Berlin und Brüssel aber darum, dass er sich gegen die weitere Unterstützung des Ukraine-Krieges durch die EU ausspricht. Gegen den Wahnsinn der weiteren Fütterung des Krieges mit Geld und Waffen zu sein, ist heute schon ein Grundübel. Wenn man noch dazu mit allen reden will, also auch mit Wladimir Putin, dann ist man zumindest ein „Putin-Versteher“. Das ist das Problem, das die ganze Riege der US- und EU-Lakaien in den Parteien und Redaktionen haben. Die ungarische Innenpolitik ist ihnen in Wahrheit schnurzegal.
Quelle: Der Standard