Die Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche sind seit Jahren prekär: Zu wenig Personal, überlange Arbeitszeiten und geringe Löhne belasten die Branche enorm. Besonders betroffen sind dabei ausländische Pflegekräfte, die oft unter schlechteren Bedingungen in Kauf nehmen. Ein aktuelles Beispiel aus Niederösterreich zeigt, wie systematisch Arbeitsmigrantinnen und ‑migranten als Lösung für den Personalmangel herangezogen werden: 41 vietnamesische Pflegekräfte haben ihre Ausbildung in Krems begonnen.
Migration als Lösung für den Personalmangel?
Der Mangel an Pflegepersonal ist in Österreich und vielen anderen europäischen Ländern alarmierend. Bis 2030 werden alleine in Niederösterreich rund 9.500 neue Pflegekräfte benötigt. Um diesen Bedarf zu decken, werden nun gezielt Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben. Die 41 vietnamesischen Pflegeschülerinnen und ‑schüler, die am IMC Krems ihre Ausbildung beginnen, sind Teil dieser Strategie.
Nach offiziellen Angaben sei dieses Ausbildungsmodell ein „Gewinn für alle Beteiligten“ und biete faire Chancen und Gehaltsstrukturen. Doch die Realität sieht oft anders aus: Migrantinnen und Migranten in der Pflegebranche arbeiten häufig unter schlechten Bedingungen.
Schlechte Arbeitsbedingungen – ein strukturelles Problem
Die Pflegebranche ist für ihre schlechten Arbeitsbedingungen bekannt: Stress, Schichtdienste, geringe Bezahlung und hoher Zeitdruck prägen den Berufsalltag. Diese Probleme betreffen sowohl einheimische als auch ausländische Pflegekräfte, doch Letztere sind oft in einer besonders schwierigen Lage. Viele von ihnen haben keine starken gewerkschaftlichen Vertretungen, können sich schlecht gegen Missstände wehren und sind von ihrem Arbeitsplatz in Österreich abhängig.
Gerade Arbeitsmigranten werden oft mit schlechteren Verträgen angestellt, erhalten niedrigere Löhne, weil sie dequalifiziert werden und müssen unter schwierigeren Bedingungen arbeiten. Die Sprachbarriere, Unsicherheiten im Aufenthaltsstatus und fehlende Kenntnisse über Arbeitsrechte verschärfen diese Problematik.
Faire Bedingungen statt billige Arbeitskräfte
Die Politik preist die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte als ethisch und notwendig, doch die zugrunde liegenden Probleme werden ignoriert: Warum sind Pflegeberufe so unattraktiv? Warum werden statt besserer Arbeitsbedingungen einfach günstigere Kräfte aus dem Ausland geholt? Welche Maßnahmen gibt es, um die Situation der Pflegekräfte – egal welcher Herkunft – langfristig zu verbessern?
Ein nachhaltiger Lösungsansatz muss sich auf bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und eine Aufwertung des Pflegeberufs konzentrieren. Statt Migranten als kurzfristige Lösung zu sehen, sollte sich die Debatte darauf richten, wie Pflegekräfte generell fair bezahlt und behandelt werden können. Nur so kann eine langfristige und gerechte Lösung für die Krise im Pflegebereich gefunden werden, egal ob für einheimische oder eingewanderte Arbeitskräfte.
Quelle: ORF