Wien. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat seine Linie in der Asylpolitik erneut verschärft – und damit die Auseinandersetzung mit Grund- und Menschenrechten bewusst gesucht. Gegenüber mehreren Medien ließ er wissen, „rund 5.500 bereits abgeschlossene Asylverfahren syrischer Staatsbürger neu aufgemacht“ zu haben. Betroffen sind Menschen, die in den vergangenen fünf Jahren Asyl beantragt haben. Ziel sei es, eine Rückführung zu prüfen – ausdrücklich nicht nur bei Straffälligen.
Karner hält trotz Bedenken von Hilfsorganisationen und trotz des Stopps einer Abschiebung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an Rückführungen nach Syrien fest. Er beruft sich auf Gespräche mit dem syrischen Innenminister, der ihm versichert habe, Syrien sei „stabiler, als manche denken, und stabiler, als manche wollen“. Mit diesem Satz wird ein diktatorisches, islamistisches Regime zur glaubwürdigen Quelle über die Sicherheitslage erhoben, während unzählige Berichte über Folter, Verschwindenlassen und Repression schlicht ignoriert werden. Parallel kündigt Karner an, dass Regelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention „neu zu interpretieren“ und „bei Bedarf auch neu zu schreiben“ seien. Die Botschaft ist klar: Wenn die Rechte der Schutzsuchenden im Weg stehen, wird eben am Rechtsrahmen selbst geschraubt.
Auch beim Familiennachzug verfolgt Karner eine restriktive Linie. Er erklärte erneut, den Zuzug von Angehörigen dauerhaft auf einem niedrigen Niveau halten zu wollen. Für Asylwerberinnen und Asylwerber bedeutet das, auf unabsehbare Zeit von ihren Familien getrennt zu bleiben. Die politische Strategie besteht darin, bewusst auf Abschreckung zu setzen und menschliche Bindungen als Druckmittel einzusetzen.
Besonders zynisch wirkt die Weigerung, dem Ersuchen einer UNO-Organisation nachzukommen, das Schicksal eines Mannes aufzuklären, der von Österreich nach Syrien abgeschoben wurde und seither verschwunden ist. Karner will nicht einmal nachforschen lassen. Wer abschiebt, will offenbar keine Verantwortung für die Folgen tragen.
Kritik kommt paradoxerweise nicht von progressiver Seite, sondern von rechts außen. Der freiheitliche Innenpolitik-Sprecher Gernot Darmann bezeichnete Karner als „Sommerlochminister“ mit „viel Blabla“ und „wenig Substanz“. Er warf dem Innenminister vor, sich lediglich als „harter Abschiebeminister“ zu inszenieren, ohne mehr als eine einzige Abschiebung geschafft zu haben.
Es zeigt sich einmal mehr, wie Asylfragen instrumentalisiert werden, um von den eigentlichen Widersprüchen der Gesellschaft abzulenken. Während steigende Mieten, stagnierende Löhne, überlastete Gesundheitssysteme und ein dereguliertes Arbeitsumfeld im Interesse von Kapital und Vermögenden bestehen bleiben, werden Geflüchtete zum idealen Sündenbock stilisiert. Die Regierung demonstriert Handlungsfähigkeit nicht dort, wo Eigentum und Machtverhältnisse angetastet würden, sondern bei den Menschen, die keine Lobby haben. Härte gegen die Schwächsten ersetzt eine gerechte Sozialpolitik, Verwaltungseifer tritt an die Stelle von Integration, und Zitate aus einem autoritären Regime werden plötzlich als Argumente für „Stabilität“ akzeptiert.
Trotz aller berechtigten Kritik bleibt die österreichische Bundesregierung dabei, Härte als Ersatz für echte Problemlösung zu verkaufen. Solange ein Minister meint, Grundrechte könne man „neu schreiben“, solange Zitate aus Damaskus schwerer wiegen als Berichte von Gefolterten, und solange Asylwerberinnen und Asylwerber in Sammelunterkünften auf ihre Akten reduziert werden, bleibt das Menschenrecht in Österreich nicht unantastbar, sondern das Papier nicht wert auf das es geschrieben ist.
Quelle: ORF