Libysche Milizen feuern auf die Ocean Viking, eine der aktivsten Rettungs-NGOs im Mittelmeer – mit Waffen, die Italien selbst geliefert hat. Während Europa ermittelt, schweigt die italienische Regierung. Ein Skandal, der die enge Verstrickung zwischen Rom und den libyschen Banden offenlegt.
Rom. Europäische Behörden ermitteln wegen des bewaffneten Angriffs libyscher Soldaten auf die Ocean Viking, eines der aktivsten NGO-Schiffe bei Rettungseinsätzen im Mittelmeer. Der Angriff ereignete sich am Sonntagnachmittag. Die Libyer feuerten eine halbe Stunde lang auf die Ocean Viking und zielten dabei auch auf die Kommandobrücke. Sie wollten töten. Auch die italienische Küstenwache prüft die Videoaufnahmen und sammelt Beweismaterial an Bord des inzwischen eingelaufenen Schiffes. Bislang ist nicht bekannt, dass die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung eingeleitet hätte. Wir werden sehen.
Italiens Schweigen und Mitschuld am Angriff auf die Ocean Viking
Es gab keine offizielle Reaktion der italienischen Regierung. Das könnte folgenden Grund haben: Das Patrouillenboot der libyschen Küstenwache, das die Ocean Viking überfallen hat, die Retter und Schiffbrüchigen zu töten versuchte und nur aus Unvermögen kein Massaker anrichtete, war ein Patrouillenboot, das Italien der libyschen Marine geschenkt hatte. Wahrscheinlich ist der italienischen Regierung bewusst, dass sie mitschuldig ist.
Diese Tatsache könnte für die Ermittler wichtig sein, denn sie erzählt von einem mächtigen Knoten, der die italienische Regierung mit den libyschen Banden verbindet. Politisch ist das eine ebenso unbestreitbare wie infame Tatsache. Kräfte, die von der italienischen Regierung ausgerüstet und finanziert wurden, haben versucht, auf der Ocean Viking ein Massaker anzurichten.
Rettungen trotz Bedrohung durch Libyen – und Schikanen in Italien
Indes gehen die Rettungen auf See weiter. Vorgestern hat das Segelschiff Astral der NGO Open Arms 130 Menschen gerettet, die auf einem manövrierunfähigen Holzboot trieben. Unter den Geretteten befinden sich 18 Frauen und sechs Kinder, davon vier Neugeborene. Wäre die Astral nicht eingeschritten, wären wohl alle gestorben.
Ein anderes Segelboot, die Trotamar III aus der BRD, musste sich hingegen einer anderen schlimmen Erfahrung stellen. Am 23. August wurde es von der libyschen Küstenwache bedrängt, die es aufforderte, sich zu entfernen, und es dann unter Waffengewalt vom Kurs abbrachte. Am Tag darauf kehrte das Boot in die Zone zurück und fand ein Holzboot mit 22 Menschen, die seit Tagen auf offener See trieben. Sie wurden gerettet und nach Lampedusa gebracht. Auch sie wären ohne die Trotamar gestorben. In Lampedusa jedoch wurde das deutsche Boot von den italienischen Behörden im Hafen festgesetzt, die den Kapitän beschuldigten, den Anweisungen der libyschen Seite nicht gefolgt zu sein.
Quelle: l‘Unità