Nigerias Präsident Bola Ahmed Tinubu hat 175 Menschen begnadigt – darunter historische Persönlichkeiten wie den Unabhängigkeitskämpfer Herbert Macaulay und die hingerichteten Ogoni-Aktivisten um Ken Saro-Wiwa. Der Schritt gilt als bedeutendes Signal für Aufarbeitung und Versöhnung in einem Land mit überfüllten Gefängnissen und tausenden Todesurteilen.
Abuja. Präsident Bola Ahmed Tinubu hat 175 Personen begnadigt. Der Schritt ist in diesem Umfang beispiellos und verbindet juristische, historische und gesellschaftliche Aspekte. Neben lebenden Häftlingen wurden auch mehrere historische Persönlichkeiten postum rehabilitiert.
Aufarbeitung historischer Fälle
Zu den bekanntesten Begnadigten gehört Sir Herbert Macaulay, eine Schlüsselfigur des nigerianischen Unabhängigkeitskampfes. Macaulay war 1913 von den britischen Kolonialbehörden verurteilt worden – wegen Vorwürfen, die Historiker heute als unbegründet ansehen. Mit Tinubus Entscheidung wird seine Reputation wiederhergestellt.
Auch Major General Mamman Vatsa, Dichter und früherer Minister im Regime von Ibrahim Babangida, wurde postum rehabilitiert. Vatsa war 1986 nach einem geheimen Militärprozess wegen angeblichen Putschversuchs hingerichtet worden.
Ein weiteres wichtiges Signal ist die Begnadigung der „Neun Ogoni“, der Umwelt- und Bürgerrechtsaktivisten um den Schriftsteller Ken Saro-Wiwa, die 1995 unter der Militärherrschaft von General Sani Abacha hingerichtet wurden. Ihre Hinrichtung nach einem intransparenten Verfahren gilt als Symbol für die politische Repression jener Zeit. Tinubu gewährte ihnen nun postum Gnade und verlieh zugleich den „Vier Ogoni“ nationale Ehren – als Geste der Versöhnung innerhalb der Gemeinschaft.
Begnadigungen für Häftlinge unterschiedlicher Herkunft
Neben den historischen Fällen umfasste der Gnadenakt zahlreiche Personen, die wegen kleinerer oder mittlerer Vergehen inhaftiert waren. Unter ihnen sind Aluagwu Lawrence (47, Drogenhandel), Ben Friday (60, Besitz von Marihuana), Adesanya Olufemi Paul (61, Diebstahl), Daniel Bodunwa (43, Urkundenfälschung), Nwogu Peters (67, Betrug), Chinedu Stanley (34, Produktfälschung) und John Omotiye (28, Vandalismus).
Auch 41 wegen illegalen Bergbaus Verurteilte erhielten Gnade. Der Senator Ikra Aliyu Bilbis kündigte an, sich um ihre Rehabilitierung und gesellschaftliche Wiedereingliederung zu kümmern.
Insgesamt wurden 82 Gefangene vollständig begnadigt, 65 Strafen reduziert. Bei der Entscheidung wurden Faktoren wie gute Führung, lange Haftdauer, Alter, Jugend, Krankheit und Teilnahme an Bildungsprogrammen berücksichtigt.
Sieben Todesurteile wurden in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Eine weitere zum Tode verurteilte Person, Maryam Sanda (37), wurde vollständig begnadigt, nachdem sie über sechs Jahre wegen fahrlässiger Tötung in Haft war.
Bedeutung des Gnadenakts
Es geht aber auch um die Entlastung völlig überfüllter Gefängnisse: In Nigeria sitzen nach offiziellen Angaben rund 80.000 Menschen im Gefängnis, mehr als 3.500 davon im Todestrakt – einer der größten weltweit. Vor diesem Hintergrund hat Tinubus Schritt zwar nur begrenzte praktische Wirkung, gilt jedoch als bedeutsames politisches und moralisches Signal.
Der Gnadenakt soll alte Ungerechtigkeiten korrigieren und gleichzeitig humanitäre Maßstäbe im Strafvollzug stärken. Tinubu betonte, das Ziel sei eine „nationale Heilung“ und die Förderung von Gerechtigkeit, die nicht allein auf Strafe, sondern auch auf Wiedergutmachung und Mitgefühl setze.
Quelle: l‘Unità