In der westsudanesischen Stadt El-Fasher, Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur, spielt sich seit Tagen eine humanitäre Katastrophe ab. Nach der Eroberung der Stadt durch die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) berichten internationale Organisationen von tausenden getöteten Zivilisten und Zivilistinnen, gezielten Angriffen auf Spitäler und ethnisch motivierten Hinrichtungen.
El-Fasher, zuletzt eine der letzten Bastionen der sudanesischen Armee (SAF) im Westen des Landes, fiel nach 18 Monaten Belagerung durch die RSF. Nach Angaben der Vereinten Nationen waren rund 1,2 Millionen Menschen von der Außenwelt abgeschnitten – ohne Zugang zu Lebensmitteln oder medizinischer Versorgung. Laut dem Sudan Doctors Network wurden allein in den ersten Tagen nach der Einnahme über 1.500 Menschen getötet, während die sudanesische Armee von bis zu 2.000 Opfern sprach.
Belagerung, Massaker, Flucht
Die RSF, deren Wurzeln in den berüchtigten Janjaweed-Milizen der Darfur-Kriege der 2000er-Jahre liegen, errichtete während der Belagerung kilometerlange Barrikaden, um Hilfslieferungen zu blockieren. Laut Analysen des Yale Humanitarian Research Lab deuten Satellitenbilder auf Massengräber und Blutspuren in den Straßen hin. Videos, die von Al Jazeera verifiziert wurden, zeigen RSF-Kämpfer, die Zivilisten und Zivilistinnen exekutieren und foltern.
Rund 26.000 Menschen flohen in nur zwei Tagen aus der Stadt, meist zu Fuß Richtung Tawila, während mehr als 170.000 Zivilpersonen weiterhin in El-Fasher eingeschlossen sind. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Ghebreyesus, berichtete von der Tötung von über 460 Patientinnen, Patienten und Angehörigen im Krankenhaus von El-Fasher.
Ein Land im Zerfall
Seit Beginn des Bürgerkriegs im April 2023 kämpfen die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter General Abdel Fattah al-Burhan gegen die RSF unter ihrem Anführer Mohammed Hamdan „Hemedti“ Dagalo. Der Konflikt entzündete sich an Machtkämpfen zwischen den beiden Generälen, eskalierte jedoch rasch zu einem landesweiten Krieg, in dem beide Seiten schwerer Kriegsverbrechen beschuldigt werden. Hinter den SAF und den RSF stehen verschiedene internationale Kapitalgruppen, die im Sudan um Rohstoffe, geopolitische Positionen und Einfluss kämpfen.
Nach Schätzungen der UNO sind seit Kriegsbeginn über 150.000 Menschen getötet und mehr als zwölf Millionen vertrieben worden – die größte Flüchtlingskrise der Welt. Die RSF kontrolliert nun fast die gesamte Region Darfur, während die Armee sich in den Osten des Landes zurückgezogen hat.
Internationale Vermittlungsversuche, zuletzt durch die USA, Saudi-Arabien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate, die sogenannte „Quad“-Gruppe, blieben erfolglos und wenig glaubwürdig. Insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate sind direkt in den Konflikt involviert mit ihrer Unterstützung der RSF. Ein im September vorgeschlagenes dreimonatiges Waffenstillstandsabkommen wurde von al-Burhan, Chef der Sudanesischen Armee, abgelehnt.
Zur Proklamation der „Parallelregierung“
Bereits im Juli 2025 hatte RSF-Anführer Mohamed Hamdan Dagalo (Hemedti) in den von seinen Truppen kontrollierten Gebieten eine sogenannte „Parallelregierung“ ausgerufen – ein Schritt, der international als eklatante Anmaßung politischer Legitimität verurteilt wurde. Politische Beobachterinnen und Beobachter sehen darin einen direkten Bruch mit der Übergangsverfassung, die seit dem Militärputsch vom 25. Oktober 2021 außer Kraft ist. Das neue Gebilde sei nicht nur verfassungswidrig, sondern auch ein Symbol für den kompletten institutionellen Zusammenbruch des Staates.
Beide Kriegsparteien – RSF wie Armee – tragen Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ethnische Säuberungen und sexuelle Gewalt. Diese Vergehen stellen massive Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dar. Eine politische Lösung könne nur auf Rechenschaftspflicht und der Überwindung der Straflosigkeit beruhen.
Das gleichzeitige Bestehen zweier rivalisierender Verwaltungen – der RSF-Regierung im Westen und der militärischen Verwaltung in Port Sudan – gefährdet die territoriale Integrität des Landes. Der Verweis auf die Selbstbestimmungsklausel im aktuellen Verfassungsentwurf des sogenannten „Ta’sis“-Bündnisses, der im Falle einer fehlenden säkularen Regierung eine Sezession legitimiert, wird als Vorzeichen weiterer Zersplitterung gewertet. Beobachterinnen und Beobachter warnten damals, dass eine solche Entwicklung den Sudan auf denselben Weg wie einst Südsudan führen könnte – mit fatalen Folgen. Unter den gegebenen Umständen sei ein Ruf nach Selbstbestimmung kein Akt der Befreiung, sondern ein Akt der Desintegration.
Die Bildung der Parallelregierung wurde auch als Versuch interpretiert, die Beratungen des „Quad“-Treffens am 29. Juli – das eine Verhandlungslösung anstrebte – politisch zu unterlaufen. In einem breiteren geopolitischen Kontext steht die sudanesische Krise für den Wettlauf um Rohstoffe und Einflusszonen am Roten Meer und im Horn von Afrika.
Die Sudanesische Kommunistische Partei (SCP) wies damals auf Parallelen zur Politik westlicher Großmächte hin, darunter die Vision des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump von „Schutzzonen“, die ausländischem Kapital Zugang zu Ressourcen sichern sollen. Der Krieg im Sudan ist damit auch Teil eines größeren globalen Konkurrenzkampfes – und Ausdruck eines Projekts, das auf die Zerschlagung souveräner Staaten im Nahen Osten und in Afrika abzielt.
Sudanesische Kommunistische Partei: „Blut schreit nach Gerechtigkeit“
In einer Erklärung vom 29. Oktober 2025 verurteilte die Sudanesische Kommunistische Partei (SCP) die „höllischen und systematischen Massaker“ in El-Fasher und Bara. Die Partei spricht von gezielten Exekutionen, Vergewaltigungen und Vertreibungen sowie der Zerstörung ganzer Stadtviertel. „Was wir heute erleben, ist eine Fortsetzung der Politik der Straflosigkeit seit den ersten Darfur-Massakern. Die Täter müssen endlich zur Rechenschaft gezogen werden“, heißt es in dem Schreiben.
Die SCP fordert einen sofortigen Waffenstillstand und die Öffnung humanitärer Korridore, eine unabhängige internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen sowie Sanktionen gegen Verantwortliche und ein Ende aller Waffenlieferungen sowohl an die sudanesische Armee als auch an die Rapid Support Forces. Zugleich ruft sie zu internationaler Solidarität und weltweiten Protesten auf: „Stoppt das Töten. Öffnet die Wege für Hilfe. Bringt die Täter und Täterinnen vor Gericht. Gerechtigkeit für die Opfer – und Frieden für das Volk des Sudan.
Europas Krokodilstränen
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bezeichnete die Einnahme El-Fashers als „gefährliche Wende“ und forderte die RSF auf, „Zivilisten und Zivilistinnen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu schützen“. Der amerikanische Nahost-Berater Masan Bulos warnte, dass der Fall El-Fashers „den Beginn einer Teilung des Sudan“ markieren könnte – mit weitreichenden Folgen für die gesamte Region.
Diese Stellungnahmen sollen aber wohl nur den Schein wahren, denn der Konflikt im Sudan ist in Wahrheit kein Konflikt zwischen zwei lokalen Akteuren, sondern ein weiteres Kapital der immer weiter eskalierenden innerimperialistischen Konfrontationen. Der Krieg im Sudan ist Ausdruck des Kampfes um Rohstoffe, strategische Häfen und politischen Einfluss. Der Sudan verfügt über reiche Goldvorkommen, fruchtbares Land und eine geopolitisch zentrale Lage am Roten Meer.
Neben den Vereinigten Staaten, Russland und China, sind auch eine ganze Reihe regionaler Großmächte, wie die VAE, Saudi-Arabien, Ägypten, die Türkei und Katar in den Konflikt involviert und versuchen mittels Geld und Waffenlieferungen an die Akteure im Konflikt ihre Interessen durchzusetzen. Der Sudan droht damit unabhängig von einem vorübergehenden Waffenstillstand zu einem dauerhaften Brandherd zu werden, ähnlich der Ukraine seit dem Putsch im Februar 2014, in dem jede Waffenpause nur die der Vorbereitung eines weiteren Waffengangs der herrschenden dient.
Für das sudanesische Volk ist das keine geopolitische Frage, sondern eine Frage des Überlebens. Die SCP nimmt als einzige Partei einen Standpunkt sowohl gegen das Militärregime als auch gegen die RSF ein. Die Worte der Kommunistischen Partei fassen die Stimmung vieler Verzweifelter zusammen: „Wir werden nicht zulassen, dass die Zeugnisse der Opfer und Opferinnen in belanglosen Erklärungen begraben werden. Das Blut schreit nach Gerechtigkeit.“



















































































