HomeFeuilletonGeschichte1991: Die Stunde der Diebe und Verräter

1991: Die Stunde der Diebe und Verräter

Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreich (PdA), zum Ende der Sowjetunion am 31. Dezember 1991.

287 Millionen Einwohner, darunter fast 130 verschiedene Nationalitäten lebten auf einer Fläche von mehr als 22 Millionen Quadratkilometern und in elf Zeitzonen. Der Staat war flächenmäßig mehr als doppelt so groß wie die USA, Kanada oder China und umfasste ein Sechstel der Erde. Das war die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), die vor 99 Jahren, am 30. Dezember 1922 gegründet wurde.

Am 31. Dezember 1991, Punkt Mitternacht hörte die UdSSR auf zu existieren. Die rote Fahne auf dem Kreml in Moskau wurde bereits am 25. Dezember eingeholt und die Trikolore des neuen Staates Russlands gehisst.

In den 69 Jahren ihres Bestehens hatten die Menschen der UdSSR Gigantisches geleistet. „Wir ehren die Völker der Sowjetunion, die mehr als sieben Jahrzehnte dem Kapitalismus, Imperialismus und Faschismus getrotzt haben, die Rote Armee, die das Land gegen Invasoren und Konterrevolutionäre verteidigt und die Nazi-Verbrecher besiegt hat, sowie die Bolschewiki unter Führung Lenins, die den Weg zur Befreiung der Menschheit gewiesen haben“, heißt es in einer heute veröffentlichten Erklärung der Partei der Arbeit Österreichs (PdA) zum 30. Jahrestag der Auflösung der Sowjetunion. Die Errungenschaften der UdSSR werden als der „epochemachende Frühsozialismus der Menschheit“ bezeichnet, und es gelte, darauf aufbauend den Weg fortzusetzen.

Soldaten der Roten Armee in der Kesselschlacht um Stalingrad
(Bundesarchiv, Bild 183-E0406-0022–001 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE https://​creativecommons​.org/​l​i​c​e​n​s​e​s​/​b​y​-​s​a​/​3​.​0​/​d​e​/​d​e​e​d.en, via Wikimedia Commons)

Beginn einer neuen Epoche der Menschheit

Tatsächlich war die Sowjetunion der erste und sieben Jahrzehnte währende Schritt in eine neue Epoche der Menschheit. Mit ihr fielen die sozialistischen Staaten Europas, teils durch die kräftige Mithilfe hoher Parteifunktionäre, teils durch gewaltsame Interventionen. Übrig blieben die sozialistischen Länder China und Vietnam, die mit dem Versuch, den sozialistischen Staat mit kapitalistischer Wirtschaft zu verknüpfen, einen waghalsigen Weg beschritten, und der kleine sozialistische Inselstaat Kuba, der sich in den Wirren der Weltgeschichte bis jetzt trotz aller Widrigkeiten behauptet hat. Den Sonderweg der DVR Korea hingegen als sozialistisch zu bezeichnen, ist sehr kühn.

Wie dem auch sei, die westliche Propaganda hat die Deutungshoheit über den Frühsozialismus, und der Code „Stalinismus“ dient für jede Art von Diskreditierung. Auch die westliche verbürgerlichte Linke verwendet den antikommunistischen Kampfbegriff „Stalininsmus“ zur Diskreditierung des Marxismus-Leninismus.

Wie wenig die Menschen im heutigen Russland, das immer noch ein Vielvölkerstaat ist, mittlerweile dieser Propaganda glauben, zeigt sich in jüngsten Umfragen: Zwei Drittel der Bevölkerung Russlands bedauern heute den Untergang der Sowjetunion, die Hälfte würde das politische System der UdSSR dem heutigen vorziehen. 

In anderen Umfragen schneidet Stalin als beliebtester Staatsmann der jüngeren Vergangenheit ab. Fast 70 Prozent der russischen Bevölkerung schätzen die Rolle Stalins für das Land positiv ein.

Josef Stalin (Foto: Russische Kommunistische Arbeiterpartei – RKRP)

Die Westpropaganda verfängt nicht mehr. Auch dort nicht, wo – wie in der früheren DDR – „blühende Landschaften“ versprochen wurden, und heute Industrieruinen, Abwanderung und Armut das Bild prägen.

Schmähliches Ende, Sieg der Verräter und Diebe

Das Ende der UdSSR ist nicht das Ende des Sozialismus. Im Gegenteil. Sie war der Beginn der sozialistischen Epoche der Menschheit. So wie der Kapitalismus Jahrhunderte gebraucht hat, sich durchzusetzen, so wird auch der Sozialismus mehrere Anläufe, verschiedene Versuche brauchen, um endgültig siegreich zu sein. Der Gegner ist (noch) übermächtig, aber er ist in seiner hemmungslosen Profitgier dabei, weltweit die Armut ebenso wie die Ausbeutung zu vergrößern, koste es, was es wolle. Auch das rasante Fortschreiten der Erderwärmung mit all ihren Folgen hindert das Kapital nicht an seinem rücksichtslosen Tun. Vielmehr wird auch die Klimakrise als Chance begriffen, neue Felder der neokolonialen Ausbeutung und neuer Profitquellen durch die Bildung von Monopolen des „grünen Kapitalismus“ zu erschließen.

Den Todesstoß gab der UdSSR die ins desaströse abgeglittene „Perestroika“ Gorbatschows. Führte die erste Periode von 1985 bis 1987 noch zu Produktions- und Effizienzsteigerungen, so trat in der Zeit von 1987 bis 1991 der Niedergang ein. Figuren wie Boris Jelzin hatten unter der Regie der USA längst begonnen, an der Zerstörung der UdSSR zu arbeiten, und schufen dann nach 1991 die Rahmenbedingungen zum Diebstahl des Volksvermögens und der Herausbildung mafiöser Strukturen sowie der sogenannten „Oligarchen“.

Es war ein Sieg der Verräter und Diebe, ein schmähliches Ende einer stolzen Ära der Völker der Sowjetunion und der Arbeiterklasse der Welt.

Schäbiges Gerede der kleinbürgerlichen Linken und Sozialdemokraten

Eine Anmerkung noch zum Schluss: Die UdSSR hatte unter widrigsten Bedingungen der Folgen des Ersten Weltkriegs und des nachfolgenden, von den Imperialisten befeuerten Bürgerkrieges ihren Aufbau begonnen. Sie verlor 27 Millionen an Menschenleben und hatte ganze Städte, Infrastrukturen und Industrien nach dem Sieg über den Faschismus 1945 wieder aufzubauen. Sie musste wertvolles Volksvermögen in die Rüstung stecken, um den Kalten Krieg zu überstehen. Sie hatte also niemals so etwas wie normale Bedingungen zum Aufbau des Sozialismus. Auch die anderen sozialistischen Länder hatten diese normalen Bedingungen nie, und es wird sie wohl auch nie geben, so lange der Gegner so mächtig ist. Die Frage „Wer wen?“ wird wohl erst endgültig zugunsten des Sozialismus entschieden werden, wenn die kapitalistisch-imperialistischen Mächte am Boden liegen und ihnen alle ihre Zerstörungswerkzeuge und Waffen aus der Hand geschlagen werden. Das wird nicht heute der Fall sein und auch nicht morgen, aber der Tag wird kommen, vielleicht in Jahrzehnten, vielleicht aber auch erst in Jahrhunderten.

Die Kämpferinnen und Kämpfer für die proletarische Revolution brauchen Geduld und einen langen Atem, denn die Epoche des Sozialismus hat gerade erst begonnen. Aus dem ersten Jahrhundert können wir viel lernen und mitnehmen. 

Der Panzerkreuzer Aurora
(FOTO:FORTEPAN / Nagy Zoltán, CC BY-SA 3.0 https://​creativecommons​.org/​l​i​c​e​n​s​e​s​/​b​y​-​s​a​/3.0, via Wikimedia Commons)

Nichts hingegen ist schäbiger als das Gerede von kleinbürgerlichen Linken und Sozialdemokraten, dass das kein Sozialismus gewesen wäre, oder dass die Bolschewiki die Revolution in Russland 1917 zu früh gemacht hätten. Nichts war zu früh, es war höchst an der Zeit. Der Schuss, den die roten Matrosen vom Panzerkreuzer Aurora aus auf das Winterpalais abgaben, war 1917 das Zeichen für den Beginn der Oktoberrevolution in St. Petersburg. Es war aber auch der Startschuss für eine neue Epoche der Menschheit.

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