Gastbeitrag von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i. R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.
Der polnische Widerstandskämpfer Kazimierz Moczarski (1907–1975) hat mit dem SS-Gruppenführer Jürgen Stroop (1895–1952), der für die „Großaktion Warschau“ (19. April 1943 – 16. Mai 1943) verantwortlich war, vor dessen Hinrichtung in einem Warschauer Gefängnis lange Gespräche geführt. Diese von Franciszek Ryszka (1924–1998) bevorworteten, in Polen 1977 veröffentlichten und 1981 von Hubert Schumann (1941–2013) in der Deutschen Demokratischen Republik ins Deutsche übertragenen „Gespräche mit dem Henker“ (Verlag der Nation Berlin, 1. A. 1981) sind ein einzigartiges historisches Dokument über die gesellschaftlichen Bedingungen für Völkermord in der Vergangenheit und in der Gegenwart.
Erschreckend ist die Analogie der mörderischen Befehlsgewalt des deutschen SS-Generals Jürgen Stroop mit der mörderischen Befehlsgewalt des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Die von Moczarski aufgezeichneten Zitate nennen die jüdischen und polnischen Opfer des deutschen Faschismus in Warschau. Nirgends ist ein Unterschied von diesen zu den palästinensischen Opfern des israelischen Faschismus zu erkennen. Israels Militärs operieren auf Befehl von Netanjahu in Gaza nach dem Vorbild der deutschen SS und der deutschen Wehrmachtseinheiten in Warschau.
Der Internationalen Gerichtshofes hat gegen Benjamin Netanjahu wegen dessen Befehl an das israelische Militär zum Völkermord in Gaza am 21. November 2024 einen Haftbefehl erlassen. Bei der großen Wiener Demonstration für die Beendigung dieses israelischen Völkermords in Gaza am 20. September d. J. hat der dort geborene palästinensische Botschafter in Österreich Salah Abdel Shafi in seiner Rede die anhaltenden mörderischen Verbrechen Israels ohne Diplomatie, also der Wahrheit gemäß als Gegenpol aller Menschlichkeit bezeichnet. Die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger macht sich aber nicht über den anhaltenden Völkermord durch ihre Freunde in Israel in Gaza Gedanken, sondern, wenn sie nicht gerade in ukrainischer Tracht nach Kiew unterwegs ist, über die Teilnahme des faschistischen Israel am Euro Song Contest.
„Zur Säuberung der Niska [d. i. Straßenname in Warschau] setzte ich [d. i. Stroop] etwa vierhundert ausgesuchte SS-Leute und die gesamte mir unterstellte Wehrmacht ein. Wir kämpften bis in die Nacht, bis zweiundzwanzig Uhr dreißig. Die Methode, nach der die ‚Schlacht um die Niska‘ geführt wurde, war die gleiche wie früher. Anmarsch, erster Feuerwechsel. Nachrücken der Artillerie. Kurzer, heftiger Angriff. Als wir die ersten Verwundeten haben, lasse ich die Flammenwerfer in Front gehen. Die ganze Zeit schießen die Maschinengewehre. Das Feuer frißt sich vorwärts, wir legen die Brände mit dem Wind. Langsam, langsam folgen wir, suchen bewegliche Ziele. Die Juden springen aus Fenstern, von Balkons, Dachböden und Dächern. Scharfschützen nehmen sie aufs Korn. Manche Juden sind verzweifelt und niedergeschlagen. Andere kämpfen bis zuletzt, sind herausfordernd, verwünschen und verfluchen uns. Sie singen die polnische Nationalhymne, manche auch Psalmen. Spezialeinheiten mit Sprengpionieren fangen inzwischen auf dem Gelände, das nach dem Brand etwas abgekühlt ist, damit an, Bunker aufzuspüren und in die Luft zu sprengen. Die meisten dieser Bunker leisten Widerstand. Rauchkerzen müssen eingesetzt werden, manchmal auch Flammenwerfer. Wir holen die Juden heraus und sortieren sie. Wer widerspenstig oder unverschämt ist, wird erschossen. […] Schließlich wurden fünfundsiebzig Prozent der Juden und Polen liquidiert, die sich außerhalb des Gettos zusammengerottet hatten“ („Gespräche“, S. 206 f.).