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Römische Fortschritte

Zu Ostern spendet das Oberhaupt der Römisch-Katholischen Kirche traditionell seinen „urbi et orbi“-Segen – der Stadt Rom und dem Erdkreis. Dies ist der alljährliche Höhepunkt im Kirchenjahr, nämlich schon seit Jahrhunderten. Doch wie steht es um die Zukunft der katholischen Kirche und des Papsttums? Wir bringen diesbezüglich einen (zugegebenermaßen satirischen) Text von Helmut Zenker.

Irgendein Papst hat vor nicht ganz 400 Jahren den ersten Prozess gegen einen gewissen Galileo Galilei angestrengt und auch durchführen lassen, nur weil dieser Galilei behauptet hatte, die Erde sei eine Kugel und befinde sich auf einer regelmäßigen Bahn um die Sonne. Aber der Fortschritt ist nicht einmal in der Kirche aufzuhalten – schon kürzlich hat Johannes Paul II. gebilligt, dass Galileis Behauptung möglicherweise doch der Wahrheit entsprechen könnte. Nimmt man also diese fast 400 Jahre Erkenntnisfrist als Maßstab, kann Ihnen jeder Heimcomputer sagen, wie die Zukunft der Kirche und des Heiligen Stuhls aussieht. Also:

2240 n. Chr.: Papst Pius XIV. verkündet, dass – vorausgesetzt, die Ehe wurde in einer Kirche geschlossen und dieser Ehe sind bereits vier oder mehr Kinder zu verdanken – die gelegentliche Verwendung von Präservativen und Antibabypillen erlaubt sei und keine Sünde mehr darstelle.

2455 n. Chr.: Ausgedehnte wissenschaftliche Untersuchungen des Heiligen Stuhls haben Papst Cherubin II. zur Erkenntnis gebracht, dass es anscheinend Paar gibt, die schon vor der Ehe geschlechtlich miteinander verkehren. Das dafür vorgesehene Strafausmaß wird von sechs Vaterunser auf drei reduziert, falls es sich bei den zur Sünde notwendigen Partnern um Katholiken oder wenigstens um Altkatholiken handelt. Ausgenommen sind Protestanten, Anhänger des Islam, Juden und Heiden.

2637 n. Chr.: Papst Johannes Paul XXIII. erklärt, dass in manchen südamerikanischen Diktaturen passiver Widerstand der gläubigen Bevölkerung unter Umständen toleriert werden könnte.

3410 n. Chr., Februar: Papst Mitsubishi III. gibt per Enzyklika zu, dass es wissenschaftlich nicht gelungen sei, den Teufel nachzuweisen. Zudem zweifelt er zum ersten Mal an der päpstlichen Unfehlbarkeit.

3410 n. Chr., März: Papst Mitsubishi III. wird als Ketzer verbrannt. Noch im Feuer rezitiert er aus der UN-Charta der Menschenrechte.

5623 n. Chr.: Päpstin Johanna Paula I. erklärt die Lehre von der ausschließlich männlichen Besetzung des Heiligen Stuhls nachträglich als gottverdammte Irrlehre.

8003 n. Chr.: Papst Sergej I. stellt einen Antrag auf die Selbstauflösung des Vereins. Die Vereinspolizeien aller Länder haben nichts dagegen einzuwenden.

Quelle: Helmut Zenker, „Spottbuch“, Wien/Klosterneuburg 1990

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