HomeFeuilletonRechtspopulistische Denkmalkunst in Wien. Notizen zu zwei Kosakenmonumenten.

Rechtspopulistische Denkmalkunst in Wien. Notizen zu zwei Kosakenmonumenten.

Gastautor: Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck

Kriegsdenkmäler gibt es in Wien zuhauf, nur wenige davon stellen die Opfer von nach innen und außen geführten Kriegen in den Mittelpunkt und machen den Menschen Mut und Hoffnung. Das seit 1988 auf dem Wiener Albertinaplatz (1. Wiener Gemeindebezirk) aufgestellte Mahnmal von Alfred Hrdlicka (1928–2009) ist einzigartig, weil es die blutige, unmenschliche und barbarische „Zivilisation des Reichtums“ darstellt.

Am 15. September 2003 wurde im Türkenschanzpark (18. Wiener Gemeindebezirk) ein von den ukrainischen Künstlern Volodymar Chepelyk und Oleksiy Chepelyk entworfenes und von Volodymyr Skulskyy als Architekt betreutes Kosakendenkmal mit populistischer Rhetorik eingeweiht. Das Denkmal ist zweiteilig, auf einem Stein sitzt ein seine Pfeife rauchender Kosake, im Hintergrund grast sein Pferd.[1] Das Denkmal soll an den Entsatz von Wien am 12. September 1683 durch die vom polnischen König Jan III. Sobieski (1629–1696) befehligten und am Sieg gegen die türkischen Belagerer unter Kara Mustafa (1634–1683) beteiligten polnisch ukrainischen Kosaken erinnern. Eine wichtige Rolle bei der Befreiung von Wien kam dem Feldprediger Markus von Aviano (1631–1699) zu, weil er es verstanden hat, den Kampf um das habsburgische Wien als Kampf der Christenheit gegen den Islam zu sakralisieren. Enthüllungsreden haben gehalten der Botschafter der Ukraine in Österreich Volodymyr Ohrysko, der Bezirksvorsteher des 18. Wiener Gemeindebezirks Karl Homole, der Präsident der Österreichisch-Ukrainischen Gesellschaft und frühere SP-Finanzminister Rudolf Edlinger (1940–2021), der geschäftsführende Präsident der Österreichisch-Ukrainischen Gesellschaft Borys Jaminskyi, der ukrainische Justizminister Olexsandr Lawrynowytsch, der Leiter einer der Organisationen des heutigen Kosakentums in der Ukraine Anatolij Schewtschenko, der Generalvikar der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche in Österreich Prälat Alexander Ostheim-Dzerowycz, der Vorsitzende des Gebietsrates von Lemberg Mychajlo Sendak und zwei Vertreter von Telekom, die mit dem 18. Bezirk Sponsoren waren. Jaminsky zitiert in seiner Ansprache ausdrücklich den Patriarchen der Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche Josyf Slipyi (1892–1984), der als einstiger Kollaborateur der Deutschen Wehrmacht zum 300jährigen Jubiläum der Befreiung von Wien aus der Türkenbelagerung in Rom betont hat, wie durch ukrainischen Mut und durch das militärische Geschick der Kosaken das christliche Europa gerettet worden sei. Botschafter Ohrysko bezeichnete die Denkmalenthüllung als einen „symbolischen Akt im Sinne der Vereinigung Europas, weil die Ukraine jetzt zur europäischen Völkerfamilie zurückkehrt“.[2] Der von der Österreichisch-Ukrainischen Gesellschaft hofierte österreichische Sozialdemokrat Edlinger, der sich für die Erweiterung der Europäischen Union in Richtung Osten engagierte, sieht es als positive Entwicklung für Österreich und Europa, wenn der für Herstellung und Transport des Kosakenbronzedenkmals nach Wien mit verantwortliche und bei der Einweihung anwesende Hetman des ukrainischen Registerkosakentums Anatolij Schewtschenko aus Kiew von der „Wiedergeburt und Weiterentwicklung der Kosakentraditionen und der Stärkung der Rolle der Kosakenbewegung“ schwärmt. Derselbe Hetman Schewtschenko durfte im Juli 2003 in Rom dem reaktionären Papst Johannes Paul II. (1920–2005) ein Chevron der ukrainischen Registerkosaken knieend überreichen und symbolisch als Ehrenmitglied der kosakischen „Sturmstaffel“ aufnehmen.[3]

Die für die Gegenwart gestaltete ukrainische „Stammeskunst“ ist eurozentristisch transformiert und auch auf dem Leopoldsberg (19. Wiener Gemeindebezirk) zu besichtigen. Am 23. April 2013 wurde dort ein zweites, wieder von Volodymar Chepelyk und Oleksiy Chepelyk gestaltetes Kosakendenkmal im Beisein des Wiener SP-Bürgermeisters Michael Häupl und seines Amtskollegen aus Kiew Oleksandr Popov angemessen zeremoniell enthüllt. Am Stein, auf dem drei Kosaken in kriegerischer Aufmachung stehen, ist die Inschrift: „Gewidmet den ukrainischen Kosaken – den Mitbefreiern Wiens 1683“.[4] 

Über geschichtliche Identitäten von Kosaken?

Die beiden Denkmäler auf dem Leopoldsberg und im Türkenschanzpark lassen die Kosaken mit ihrer Tracht und Ausrüstung Männlichkeit, Kraft und Krieg symbolisieren. Mit politischer Aufklärung hat das gar nichts zu tun, vielmehr spiegelt sich in ihnen die seit der Implosion der Sowjetunion auf vielen Ebenen betriebene Kriegsvorbereitung der vom Reichtum gelenkten „Europäischen Familie“ in Richtung Osten wider. Die Bezeichnung Kosak hat in den Turksprachen die Bedeutung „gewöhnlicher, freier Krieger“.[5] Kosaken haben sich in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts an den Randgebieten des moskowitischen Reiches und in Polen-Litauen als militärisch organisierte Gemeinschaften niedergelassen. Es sind die Dnepr‑, Don‑, Jaik (Ural)-, Kuban‑, Terek-Kosaken und Wolga-Kosaken und die Saporosher Kosaken. Letztere malte Ilja Repin (1844–1930) 1891 in lebensnahem Realismus bei einer Rast, während der sie einen hämischen Brief an den ein Ultimatum stellenden türkischen Sultan schreiben. Lebensgrundlage der Kosaken war wie bei Nomaden Jagd, Fischfang und Handel, dann organisierten sie sich als bäuerliche und bald sich wegen der Anerkennung von Privateigentum mit Reichtum und Armut differenzierende Gesellschaft mit einem Hetman (Ataman) an der Spitze.

Hetman Bohdan Chmielnicki als Ikone des ukrainischen Kosakenstolzes. Welche Grausamkeiten des „bösen Chmjel“ werden vergessen?

Mit Hetman Bohdan Chmielnicki (1595/96–1657) kam es seit Anfang 1648 in der vom katholischen Feudaladel von Polen-Litauen beherrschten Ukraine zu einem revolutionären Aufstand der sich zum griechisch-orthodoxen Glauben zugehörig fühlenden Kosaken und den sich mit ihnen verbündenden islamischen Tataren, denen sich die religiös diskriminierten ruthenischen Bauern und kleinbürgerliche Stadtbewohner anschlossen. Mit der polnischen Adelsherrschaft in einen Topf geworfen wurden die ukrainischen Juden, weil sie als deren Profiteure und Handlanger wie überhaupt als Geschäftemacher wahrgenommen wurden. Mehr als die Hälfte dieser ukrainischen Kosaken war oft ohne Besoldung im polnisch litauischen Heer registriert (Register-Kosaken), die anderen lebten meist als leibeigene Bauern auf den Besitzungen der adligen Magnaten. An der jüdischen Bevölkerung der Ukraine wurden 1648 /1649 von den Kosaken unter Führung und auf Befehl von Chmielnicki blutige Massaker angerichtet, die in der jüdischen Geschichte bis zur Schoa als größte Katastrophe der neuzeitlichen jüdischen Geschichte bezeichnet werden.[6] Der aus Weißrussland stammende zionistische Historiker Haim Hillel Ben-Sasson (1914–1977) zitiert in seinem Standardwerk den mit der Kosakenverfolgung zeitgenössischen jüdischen Historiker Nathan ben Moses Hanover (1610–1683): „Alle, die nicht fliehen konnten … wurden erschlagen und mit unnatürlicher Grausamkeit zu Tode gefoltert. Einigen von ihnen zogen sie die Haut ab und warfen ihr Fleisch den Hunden vor. Anderen wurden Hände und Füße abgehackt, und man warf sie auf die Straße, wo sie von Wagen überfahren und von den Pferden zu Tode getreten wurden. Manche hatten viele nicht tödliche Wunden erhalten und man warf sie ins Freie, so dass sie nicht schnell starben, sondern leiden und bluten sollten, bis sie tot waren. Viele hat man lebendig begraben. Kinder wurden an der Mutterbrust geschlachtet und viele lebendig auseinandergerissen wie Fische … Schwangeren Frauen schlitzte sie die Bäuche auf, rissen die ungeborenen Kinder heraus und warfen sie ihnen ins Gesicht. Anderen schnitten sie die Bäuche auf und steckten lebende Katzen hinein und ließen sie so am Leben, nachdem sie ihnen die Hände gehackt hatten, damit sie die lebende Katze nicht herausholen konnten … und es gab keinen unnatürlichen Tod der Welt, den sie ihnen nicht zufügten“.[7] Ben-Sasson denkt, dass die an den Juden verübten Grausamkeiten der ukrainischen Kosaken mit ihrem unter den Juden als „der böse Chmel“ bekannten Führer „grauenerregende Vorbilder“ in die Welt gesetzt haben: „Viele Juden zogen es vor, sich freiwillig in die Gefangenschaft der Krimtataren zu begeben. Hier erwarteten sie ebenfalls ein hartes Los, doch hatten sie wenigstens die Aussicht, von den jüdischen Glaubensbrüdern in der Türkei freigekauft zu werden. Die ukrainischen Juden setzten sich sehr energisch bei der Verteidigung ihrer Städte zur Wehr. In der Festung Tulchin verteidigten sich 2000 Juden mit großer Tapferkeit, bis ihre polnischen Verbündeten sie verrieten“.[8] Die Zahlen der von den Kosaken getöteten Juden schwanken, es werden heute über 20.000 Opfer angenommen.[9] Der im Ostjudentum heimisch gewordenen Chassidismus kann mit der Kosakenverfolgung in Zusammenhang gebracht werden.[10] Die ukrainischen Kosakenmassaker an Juden sind im jüdischen Gedenken präsent geblieben,[11] werden aber von der Erinnerung an Auschwitz, das sich nach 1945 als ideologisches Werkzeug für die Interessen des neuen israelischen Staates anbot, überlagert.[12] Nemirow, wo die Kosaken unter den Juden ein Blutbad angerichtet haben, und Auschwitz sind Vergangenheit, charakterisieren aber Epochen und Fragen, die nicht überholt sind.  

Die Kämpfe der aufständischen Kosaken mit den Polen brachen immer wieder aus, in der Folge vereinigte sich 1654 das von Kosakenhetman Chmielnicki beherrschte ukrainische Gebiet mit Russland. Die ukrainisch-österreichische Gesellschaft hat im Dezember 1995 die Eröffnungsnummer ihres Vereinsjournals mit einem von Iwan Turetzkyi aus Lemberg gemalten Porträtbild von Hetmann Bogdan Chmielnicki zu dessen 400. Geburtstag eröffnet. Dort wird Bogdan Chmielnicki vorgestellt als „Begründer der Streitkräfte des aufständischen ukrainischen Volkes“, sein Verdienst liege gerade darin, „eine richtige Volksbefreiungsarmee zu bilden“. Seine Kriegsführung wird mit Hannibal verglichen. Zum Schluss: „Die Kriegskunst des ukrainischen Volkes, die von Bogdan Chmielnicki entwickelt wurde, übertraf die westeuropäische Kriegskunst auf den Hauptgebieten der Strategie und Taktik“. [13] Nirgend ist etwas vom mörderischen Verbrechen an den Juden durch die ukrainischen Kosaken im Auftrag von Bogdan Chmielnicki zu lesen.

Kosaken im zaristischen Russland

Seit dem 17. Jahrhundert verstand es die von der russisch-orthodoxen Kirche kultisch verehrte zaristische Herrschaft durch Zugeständnisse mit den Kosaken Reitertruppen zu formen und sie zur Niederschlagung von revolutionären Bewegungen gegen das despotische Feudalregime einzusetzen. In der deutschen Geschichte ist randständig in Erinnerung geblieben, dass in Berlin mit der gegen die napoleonischen Truppen vorrückenden russischen Armee langbärtige Kosaken am 20. Februar 1813 in Berlin eingedrungen sind und vor ihnen die französischen Besetzer gezittert hätten. Die Deutsche Demokratische Republik gab 1963 zum Gedächtnis daran eine Sonderbriefmarke „Kosaken und Landwehr in Berlin, Nationaler Befreiungskampf“ heraus. Leo Tolstoi (1828–1910), dessen Weltbedeutung Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924) in seinem Nachruf analysiert hat,[14] zeigt sich in seiner Kosakenerzählung als Darsteller von Menschen, die in Wahrheit und fern der Lüge leben wollen und doch von der gesellschaftlichen Wirklichkeit daran gehindert werden. „Ja, wenn ich ein Kosak werden könnte […], wenn ich vergessen könnte, wer ich bin und wozu ich da bin, dann wäre es etwas anderes!“[15] Michail A. Scholochow (1905–1984) hat mit den Augen des Don-Kosaken Grigori Melechow in seinem realistischen und wahren Kosaken-Epos, in deutscher Ausgabe in vier Bänden publizierte (1929–1948) „Der stille Don“ beschrieben, wie die von den Kosaken angenommene Sonderstellung nur den reaktionären Kräften diente. Als sich Ende November / Anfang November 1901 in Charkow die Studentenschaft erhob, um gegen die autokratische Willkür zu demonstrieren, notiert Lenin in der „Iskra“ (Der Funke): „Polizei und Kosaken, die alle und jeden ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht erbarmungslos niederknüppelten, errangen einen Sieg über Wehrlose und triumphieren …“.[16] Die revolutionären Ereignisse von 1905 bis 1907 begannen mit dem blutig niedergeschlagenen Arbeiterstreik in Petersburg am Sonntag 9. Januar 1905 (Blutsonntag).[17] Lenin schreibt im „Wperjod“ (Vorwärts): „Petersburg sieht aus wie eine soeben vom Feind eroberte Stadt. Ununterbrochen reiten Kosakenpatrouillen durch die Straßen“.[18] Unter den Kosaken konnten die Bolschewiken nur langsam Boden gewinnen, weil diese Bevölkerungsschicht mit ihren reichen und kleinen Grundbesitzern in den Randgebieten Russlands „in ihrem Leben ihrer Wirtschaftsweise und ihren Sitten besonders viel mittelalterliche Züge bewahrt hat“ (Lenin).[19] Man könne, so Lenin, „hierin die sozialökonomische Basis einer russischen Vendée[20] sehen“.[21] Friedrich Engels (1820–1895) hat, was hier nebstbei erwähnt werden kann, die legendäre Tiroler Bauernerhebung mit Andreas Hofer (1767–1810), die von den Engländern als patriotischer Heldenkampf bejubelt wurde, ähnlich eingeordnet: „Hofer war ein stupider, ignoranter, bigotter, fanatischer Bauer, dessen Enthusiasmus der Enthusiasmus der Vendée, der Enthusiasmus von >Kirche und Kaiser< war. Er kämpfte tapfer – aber solches taten auch die Vendéer gegen die Republikaner. Er köpfte für den väterlichen Despotismus Wiens und Roms.“[22] Ob es Sinn macht, heute Hofer als einen „katholischen Taliban“ zu charakterisieren, sei dahingestellt, auch wenn er während seines Aufenthalts in Innsbruck die Pockenimpfung als Eingriff in Gottes Pläne ablehnte und Kleidervorschriften für Frauen erließ.[23] Vom Ansatz her ist die sozialökonomische Basis der Bauern in den Tiroler Berggebieten und ihr militärischer Einsatz als „Kaiserjäger“ (ohne Pferde) für die habsburgische Dynastie freilich jener der Kosaken in den Randgebieten Russlands vergleichbar.[24]

Innert Polen wirkte sich der Sieg vor Wien von 1683 nicht aus, Polen wurde geopolitisches Objekt der europäischen Großmächte mit ihren räuberischen Dynastien. Die Despotien Österreich, Preußen und Russland teilten Polen 1772 gemeinsam, Russland und Preußen machten unter sich eine zweite Teilung aus (1793) und zwei Jahre später (1795) kam es zur dritten Aufteilung Polens unter Österreich, Preußen und Russland. Von der „Adelsrepublik“ Polen blieb nichts als der Rumpfstaat Königreich Polen (seit 1815 Kongresspolen) übrig. Der im November 1830 ausbrechende, bis Oktober 1831 andauernde nationale, von den unterdrückten Bauern getragene Unabhängigkeitskampf des Königreiches Polen, der sich auf die früheren polnischen Regionen des Westgouvernement des zaristischen Herrschaftsbereiches ausbreitete, konnte von den Russen nur mit riesigem militärischem Einsatz niedergeschlagen werden.[25] Dabei waren an der Seite der Russen etwa 20 Kosakenregimenter im Einsatz. Das Königreich Polen wurde nach seiner Niederlage Russland de facto einverleibt. Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engels (1820–1895) haben den revolutionär-demokratischen Flügel der polnischen Freiheitsbewegung immer größte Bedeutung beigemessen. Erst mit dem Ende des ersten Weltkrieges erlangte Polen wieder seine staatliche Selbständigkeit. Gleich zu Beginn beteiligte sich das bürgerliche Polen als eines von vierzehn kapitalistischen Ländern an der Intervention in dem sich seit 1917 konstituierenden ersten sozialistischen Land der Welt, das der Menschheit die Perspektive für die notwendigen Veränderung in Richtung einer Wirtschaft, „die nicht tötet“,[26] öffnete. 

Kosaken der Ukrainischen Sowjetrepublik

Anfang 1918 begrüßte der Kongress der Bauern- und Kosakendeputierten des Kubangebietes die Machtergreifung der Sowjets,[27] während im Frühjahr 1919 sich die Bolschewiken schwer taten mit der Niederschlagung der an der Seite der weißgardistischen, von Anton Iwanowitsch Denikin (1872–1947) befehligten Armeen kämpfenden Oberschicht der Kosaken.[28] Die von den Weißgardisten bedrohte Donezbeckenfront schätzte Lenin als die „absolut wichtigste ukrainische Front“ ein.[29] Semjon Michailowitsch Budjonny (1883–1973) befehligte als Donkosake die 1. Rote Reiterarmee, die großen Anteil am Sieg gegen die konterrevolutionären Truppen gehabt hat. Über den Kampf der Kubankosaken gegen den weißgardistischen Terror wurde 1958 in der Sowjetunion der Film „Kotschubej“ gedreht.[30] Auf dem 1. gesamtrussischen Kongress der werktätigen Kosaken in Moskau hielt Lenin am 1. März 1920 das Hauptreferat. „Was ist eigentlich Imperialismus?“ stellt Lenin die Frage und gibt die Antwort: „Es ist Imperialismus, wenn einige der reichsten Staaten die ganze Welt unterdrücken, wenn sie wissen, dass sie anderthalb Milliarden Menschen in der ganzen Welt beherrschen, wenn sie sie unterdrücken, und wenn diese anderthalb Milliarden Menschen spüren, was englische Kultur, französische Kultur und amerikanische Zivilisation heißt, nämlich rauben, jeder so gut er kann“.[31] Die Kosaken wollten sich von der Bourgeoisie und ihre Schergen nicht länger missbrauchen lassen. 

Die in der auf Industrialisierung orientierten Ukrainischen Sowjetrepublik verbleibenden Kosaken hatten keine Sonderstellung, wenngleich ihre Geschichte nicht von heute auf morgen eine andere werden konnte. Der Ukrainischen Sowjetrepublik wurden 1939 die seit 1921 zu Polen gehörende Westukraine und 1940 die von Ukrainern bewohnten Kreise Bessarabiens und die nördliche Bukowina angegliedert. Nach dem vom Altösterreicher Adolf Hitler (1889–1945) befohlenen Einmarsch der deutschen Wehrmacht in der Sowjetunion (22. Juni 1941) machten sich viele Anhänger des alten Kosakentums Hoffnung auf die Restauration ihrer „kosakischen Seele“.[32] Kriegsgefangene Kosaken waren zuallererst bereit mit der deutschen Wehrmacht zu kollaborieren.[33] 1945 kam das Transkarpatengebiet und 1954 die Krim zur Sowjetukraine.[34] Seit der Implosion der Sowjetunion positionierte sich die schon längst unterwanderte Ukraine mit ihren durch private Raubzüge zu Reichtum gekommenen Führungsschichten als souveräner Staat (16. Juli 1990) im mörderischen globalen Kampf der imperialistischen Mächte an der Seite der Europäischen Union und der USA. Die beiden Wiener Kosakendenkmäler bauen keine Brücken der Solidarität, sie sind rechtspopulistische Machwerke im Interesse der kriegstreibenden imperialistischen Mächte. 


[1] Kosakendenkmal (18, Türkenschanzpark) – Wien Geschichte Wiki; Tuerkenschanzpark, Kosaken-Denkmal (oeaw​.ac​.at)

[2] Ebenda

[3] Anatolij Schewtschenko: Die Kosakengeneration bleibt erhalten. Österreichisch-Ukrainische Rundschau. Dezember 2003, S. 65 f.

[4] Kosakendenkmal (19, Nasenweg) – Wien Geschichte Wiki

[5] Für das Folgende Andreas Kappeler: Die Kosaken. Geschichte und Legenden. Verlag C. H. Beck. München 2013; derselbe: Russen und Ukrainer. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag C. H. Beck. München 2. A. 2022; Eduard Winter: Russland und das Papsttum. Teil I. Von der Christianisierung bis zu den Anfängen der Aufklärung. Akademie Verlag Berlin 1960, S. 316–332 (Kapitel VI: Der Freiheitskampf der Ukraine in der Diplomatie der Päpste). 

[6] Vgl. Frauke von Rohden: Kosaken-Verfolgungen. Artikel in: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Im der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig hg. von Dan Diner. Band 3. Verlag J. M. Metzler Stuttgart / Weimar 2012, S. 414–421. 

[7] Geschichte des jüdischen Volkes. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Unter Mitwirkung von Haim Hillel Ben-Sasson, Shmuel Ettinger, Abraham Malamat, Hayim Tadmor, Menahem Stern, Shmuel Safrai hg. von Haim Hillel Ben-Sasson. Mit einem Nachwort von Michael Brenner. Verlag C. H. Beck München 6. A. 2018, S. 802 f.; vgl. auch Michael Wolffsohn: Eine andere Jüdische Weltgeschichte. Herder Verlag Freiburg / Basel / Wien 2022, S. 200 f.

[8] Ben-Sasson, S. 803.

[9] Frauke von Rohden, S. 417.

[10] Gregory Freidin: Reiterarmee. Artikel in: Enzyklopädie jüdischer Geschichte. Band 5. Im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig hg. von Dan Diener. Verlag J. B. Metzler Stuttgart / Weimar 2014, S. 156–162.

[11] Philo-Lexikon. Handbuch des jüdischen Wissens. Herausgeber und Redaktion Emanuel bin Gorion / Dr. Alfred Loewenberg / Dr. Otto Neuburger / Hans Oppenheimer. Philo Verlag G. M. B. H., Berlin 1935, Sp. 129: „Chmielnicki, Kosakenhetman, wurde bei seiner Erhebung gegen d. poln. ‑adel (1648) Urheber d blutigsten J‑Verfolgung d. ostj. Gesch. (Blutbad zu Nemirow), das zugl. d. Niedergang d. poln. Jt. auslöste“. Lexikon des Judentums. Chefredakteur John. F. Oppenheimer, New York. C. Bertelsmann Verlag Gütersloh 1967, Sp. 147: Chmielnicki, *Bogdan, Kosakenführer, 1593–1657, wurde bei seiner Erhebung gegen den poln. Adel 1648 Urheber der blutigsten Judenverfolgungen (Blutbad zu Nemirow) der ostjüd. Geschichte der Vor-Hitler-Zeit“. 

[12] Antisemitismus in der Geschichte als ideologisches Werkzeug der Gegenwart – Zeitung der Arbeit

[13] Olena Apanowytsch, Kiew, Ukraine: Bohdan Chmelnytzkyi – der Heerführer. Ukrainisch-Österreichische Gesellschaft. Rundschau. Dezember 12995, No. 1, S. 103—110.

[14] Lenin: Werke 16 (1973), S. 327–332.

[15] Tolstoi: Die Kosaken. Erzählungen. Z. B. Diogenes Tb Zürich 1985, Zitat S. 223.

[16] Lenin: Werke 5 (1978), S. 331 (Der Beginn der Demonstrationen, S. 329–332). Die Lenin Werke hat in deutscher Sprache und betreut vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED der Dietz Verlag Berlin in mehreren Auflagen nach der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU bearbeiteten russischen Ausgabe herausgegeben.

[17] Vgl. z. B. Die Revolution 1905–1907 in Rußland. Dietz Verlag Berlin 1980 (Aus dem Russischen von Leon Nebenzahl).

[18] Lenin: Werke 8 (1975), S. 124 f.

[19] Lenin: Werke 26 (1974), S. 17. 

[20] In der französischen Provinz Vendée konnte sich der Adel bei seinem gegenrevolutionären Aufstand im Frühjahr 1793 auf die Bauern stützen. Vgl. dazu die in der DDR erschienenen Arbeiten von Walter Markov und Albert Soboul über die Französische Revolution.

[21] Ebenda.

[22] MEW 2 (1972), S. 577 (Friedrich Engels: Deutsche Zustände Ende Oktober 1845 S. 571–577).

[23] Herbert Lackner / Christoph Zielinski: Die Medizin und ihre Feinde. Wie Scharlatane und Verschwörungstheoretiker seit Jahrhunderten Wissenschaft bekämpfen. Ueberreuter Verlag Wien 2022, S. 45–487,

[24] Franz Huter: ein Kaiserjägerbuch. I. Teil. Die Kaiserjäger und ihre Waffentaten 1816–1918. Im Selbstverlag des Bergisel-Museums. Erster Neudruck 1988.

[25] Marian Zgórniak (Kraków, Krakau): Die soziale Struktur der polnischen Streitkräfte während des bewaffneten Aufstandes von 1830–1831. In: Studia Germano-Polonica. Universitas Iagellonica acta scientiarum litterarumque MXXXV. Fasciculus C. 1992, S. 69–89.

[26] Papst Franziskus: Für eine Wirtschaft, die nicht tötet. Wir brauchen und wir wollen Veränderung. Camino-Buch. Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart 2015.

[27] Lenin: Werke 36 (1971), S. 462.

[28] Vgl. Lenin: Werke 35 (1973), S. 357, 363, 366 f. 

[29] Lenin: Briefe Band V, Oktober 1917-Juni 1919. Dietz Verlag Berlin 1968, S. 279.

[30] ND 10. Februar 1960.

[31] Lenin, Werke 30 (1975), S. 372–392, hier S. 381; ND 27. Juni 1970.

[32] So Petr Krasnov zitiert von Kapeller, Kosaken, S. 83. 

[33] Vgl. Kappeler, Die Kosaken, S. 82–86 (Kosaken in der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.

[34] Artikel Ukrainische SSR in: Kleine Enzyklopädie. Weltgeschichte Band 2. VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1981, S. 414 f. (E. Donnert / A. Anderle / G. Gorski).

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