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„So geht ein Arbeitsmann zugrund“

Am 18. Mai gab es neuerlich einen tödlichen Arbeitsunfall. Auf einer Baustelle in der Wiener Innenstadt verunglückte ein 35-jähriger Bauarbeiter und erlag wenig später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Ihm, seinen Kolleginnen und Kollegen sowie seiner Familie widmen wir das folgende aus den 1920er-Jahren stammende Arbeiterlied über das Leben und Sterben für den Profit des Kapitals. Darüber hinaus aber auch allen Klassenbrüdern und Klassenschwestern. Gebt acht auf euch! Kämpft! Lasst euch nichts gefallen!

So geht ein Arbeitsmann zugrund

Wie herrlich ist doch die Natur,
gar lieblich anzuschauen
In Feld und Wald, in Busch und Flur
kann sich der Mensch erbauen
Doch aber ach, was hat er nur,
ein Arbeitsmann von der Natur
Von Kindheit an ins Arbeitsjoch gespannt
nie hat er Lust noch wahre Freud gekannt
nur schaffen, schaffen, das ist seine Pflicht
Pflichten – und Rechte kennt er nicht
Er muß stets arbeiten hin ums liebe Brot
und als Begleiter kennt er nur die Not
bis sich auf ewig schließt sein blasser Mund
so geht ein Arbeitsmann zugrund.

Spricht eines Tags der Fabrikant:
„Wir brauchen junge Kräfte!
Sie sind zu alt!“, so jagt er ihn
hinaus aus dem Geschäfte.
Nun muß er bettelnd durch das Leben ziehen
Nicht schenkt man Mitleid, noch Erbarmen ihm
Ins Arbeitshaus bringt man ihn schließlich ein
er soll ein arbeitsscheuer Bummler sein
Und jene, die es doch so weit gebracht
von denen wird er noch verhöhnt, verlacht
bis hinterm Haus er stirbt gleich einem Hund
so geht ein Arbeitsmann zugrund.

Die Spindelschnur erfaßt das Rad,
nie rasten die Maschinen
von Morgens früh bis abends spät,
muß er dem Mammon dienen
und ist er auch vor Schlaf fast blind
Zu Haus da jammert Weib und Kind
doch alle seine Kräfte strengt er an
damit er sich doch wach halten kann
Nun plötzlich hört man einen Schrei
die Kameraden eilen schnell herbei
zerstückelt und verstümmelt liegt er da
er kam den Rädern der Maschinen zu nah
Ein leises Flüstern geht von Mund zu Mund
so geht ein Arbeitsmann zugrund.

Kommt mal ein Reicher an die Reih,
denn Tod kennt kein Erbarmen
durch Saus und Braus und Völlerei
hat er ihn in den Armen
Man baut in seinem weiten Park
ein Mausoleum besonderer Art
Vergolden läßt er Kuppel, Dach und Tor
selbst einen Wächter stellt er noch davor
Und seiner harrt ein goldener Sarkophag
weil er nicht so wie wir verfaulen mag
wünscht er gesalbt, geölt und präpariert
was von Arbeitergeld wird ausgeführt
So sagt er tot noch uns, wie vorher bloß
Das ist des Arbeitsmannes Los.

Quelle: Volksliederarchiv – das Volksliederarchiv berichtet davon, dass es ab 1925 an die zwanzig verschiedene bekannte Versionen dieses Liedes gab. Auf Youtube findet sich eine von der deutschen Band „Schnappsack“ vertonte Version dieses Liedes: Schnappsack – So geht ein Arbeitsmann zugrund. Der Autor dieser Zeilen hat das Lied von einem alten, längst verstorbenen österreichischen Kommunisten gelernt, der es allerdings mit einer sehr langsamen und traurigen Melodie sang. Das deutet darauf hin, dass es auch ganz unterschiedliche Vertonungen des Liedes gegeben haben muss.

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