Im Finale der Fußballeuropameisterschaft der Frauen besiegt England Deutschland mit 2:1 nach Verlängerung und sichert sich den ersten Titel. Österreich spielte als Viertelfinalist ein sehr gutes Turnier und will als nächstes die WM-Qualifikation fixieren.
London. Das Gary Lineker-Theorem gilt womöglich nicht für den Frauenfußball: Im Finale der Fußballeuropameisterschaft der Frauen setzte sich am gestrigen Sonntag England schlussendlich gegen Deutschland durch, wofür es jedoch die Verlängerung brauchte. Nachdem die beiden Teams sich in der ersten Hälfte neutralisiert hatten, überwand Ella Toone in der 62. Minute mit einem sehenswerten Heber DFB-Torfrau Frohms. Es dauerte bis zur 79. Minute, als die in der zweiten Halbzeit besseren Deutschen zum Ausgleich kamen: In Abwesenheit der kurzfristig verletzten Toptorjägerin Alexandra Popp sorgte Lisa Magull in ähnlicher Manier wie sonst Popp für das 1:1. Dieses Ergebnis blieb bis zum Ende der regulären Spielzeit bestehen.
Auch in die Verlängerung startete Deutschland etwas stärker, das Momentum schien auf Seiten des Teams von Cheftrainerin Martina Voss-Tecklenburg zu liegen. Doch nach einem Eckball der Engländerinnen und einem unübersichtlichen Gestocher im Fünfmeterraum landete der Ball zweimal vor den Füßen von Chloe Kelly, die das Spielgerät schließlich über die Torlinie brachte (110. Minute). Die englische Mehrheit der knapp 90.000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Wembley-Stadium war außer sich – und dies noch mehr, als ihre Löwinnen den Vorsprung geschickt über die Zeit brachten und in den verbliebenen zehn Minuten Deutschland keine wirkliche Gelegenheit zum Gegenschlag boten. Somit stand nach 120 spannenden Minuten fest: Der Europameister heißt England.
Für die Britinnen ist es der erste EM-Titel, nachdem man 1984 und 2009 jeweils das Endspiel verloren hatte. Die englische Teamchefin feierte mit dem Turniersieg jedoch ihre persönliche Titelverteidigung: Die Niederländerin Sarina Wiegman hatte bereits 2017 ihr Heimatland zum EM-Titel geführt. Deutschland bleibt seinerseits freilich Rekordeuropameister mit acht Titeln (zuletzt 2013).
Unterm Strich war die EM-Endrunde in England sicherlich ein Turnier, das in Erinnerung bleiben wird. Der Publikumszuspruch war enorm, die meisten Spiele waren hochklassig, wenngleich manchmal nur von einer Seite. Ins Semifinale hatten es neben den späteren Finalisten mit Frankreich und Schweden durchwegs Topfavoriten geschafft, ins Viertelfinale mit Österreich und Belgien auch zwei Außenseiter. Auch Portugal, Finnland und Island, die zwar in der Gruppenphase ausschieden, können zum Teil als positive Turnierüberraschungen gelten. Umgekehrt zählen zu den EM-Enttäuschungen Italien und Norwegen, die beide die K.O.-Phase verpassten, sowie gewissermaßen auch die Niederlande, die als Titelverteidiger und Vizeweltmeister schon im Viertelfinale hängenblieben. Bei Dänemark – immerhin Vizeeuropameister von 2017 – muss man hingegen in Rechnung stellen, dass das Ausscheiden in der Gruppenphase gegenüber den Topteams Deutschland und Spanien auch an einer unglücklichen Auslosung lag. Der Auftritt der Schweiz gestaltete sich zwiespältig, gefühlsmäßig war mehr drinnen.
Für Österreich war die EURO 2022 jedenfalls ein Erfolg, wenngleich man den sensationellen Semifinaleinzug von 2017 nicht wiederholen konnte. Das ÖFB-Team unter Führung von Cheftrainerin Irene Fuhrmann feierte in der Gruppenphase jeweils einen Sieg gegen Nordirland sowie gegen die eigentlich zu favorisierenden Norwegerinnen, womit das Viertelfinale gebucht wurde. Dort setzte es bei einer anständigen Leistung eine durchaus knappe Niederlage gegen Deutschland. Die andere österreichische Niederlage stammt vom Eröffnungsmatch mit einem ebenfalls knappen 0:1 gegen den nunmehrigen Europameister England. Kurz gesagt: Das kann sich sehen lassen und zeugt vom weiteren Aufwärtstrend im österreichischen Frauenfußball.
Im kommenden Jahr steht bereits die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland auf dem Programm. In der Qualifikationsgruppe des ÖFB-Teams wird England als Tabellenerster durchs Ziel gehen und die direkte WM-Qualifikation schaffen. Die Österreicherinnen sind trotz zweier ausstehender Spiele Anfang September – am 3.9. kommt Europameister England nach Wiener Neustadt – schon fix im Play-off. In diesem trifft Österreich im Oktober sodann auf andere Gruppenzweite und kann sich auf diese Weise noch für die WM-Endrunde qualifizieren. Nach den zuletzt gezeigten Leistungen und angesichts der vermutlichen Gegner sollte dies im Bereich des Möglichen liegen. Im Juli und August 2023 sollten Österreichs Fußballerinnen also erstmals bei einer Weltmeisterschaft an den Start gehen können.
Quelle: ORF