HomeFeuilletonWissenschaftKaviarwilderei: Donaustör geht den Bach runter

Kaviarwilderei: Donaustör geht den Bach runter

Aufgrund der rücksichtslosen Kaviarproduktion stehen die Störarten der Donau und des Schwarzen Meeres vor dem Aussterben.

Wien. Gemäß einem aktuellen Bericht der Naturschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) droht der Donau absehbar die Störfreiheit. Die alte Knochenfischart der Störe (Acipenseridae) gehört zu den ursprünglichsten Bewohnern des großen Schwarzmeerzuflusses, nämlich in Form der Nutzung als Laichplatz, während die meisten Störarten ihr sonstiges Leben in salzhaltigen Gewässern verbringen. Und damit sind wir schon beim Punkt, warum der Stör vom Aussterben bedroht ist: Seine Eier werden zu hohen Preisen als Kaviar vermarktet, mit entsprechender Nachfrage bei besserverdienenden und reichen Menschen, die auf diese „Luxusspezialität“ nicht verzichten können. Freilich ist der Vertrieb von Wildkaviar mittlerweile in Europa weitgehend verboten, d.h. eigentlich sollte jeglicher Kaviar aus Zuchtbetrieben kommen (die aber auch ihre fragwürdigen Seiten haben). Das Problem ist: Da sich recht hohe Einnahmen lukrieren lassen, hält man sich nicht überall daran. Entlang der Donau und im angrenzenden Schwarzen Meer wurden in den letzten fünf Jahre 214 Fälle von Wilderei vom WWF dokumentiert, die Dunkelziffer ist aber wesentlich höher, wie eine neue Untersuchung zu Tage brachte.

Wilderei an der unteren Donau

Überprüft wurden Proben von Kaviarprodukten aus den vier wichtigsten Störländern in der fraglichen Region, d.h. aus Bulgarien, Rumänien, Serbien und der Ukraine. Es zeigte sich, dass nicht weniger als 19 Prozent der Proben von wildlebenden Stören stammen, die eigentlich weder legal gefangen noch gehandelt werden dürfen – aber wenn der Profit stimmt, dann sind solche Verbote im Sinne des Artenschutzes natürlich wenig wirksam. Und dies führt konkret dazu, dass von früher sechs in der Donau einheimischen Störarten mittlerweile zwei ausgestorben sind und die restlichen vier massiv vom Aussterben bedroht sind. Dazu muss man sagen, dass es sich ohnedies um eine besonders perfide Art der Überfischung handelt, sei sie nun illegal oder in der Vergangenheit legal gewesen: Es ist ja grundsätzlich schon so, dass der menschliche Eierdiebstahl nicht unbedingt die Fortpflanzung und Arterhaltung von Tieren begünstigt, sondern am entscheidenden Punkt unterbindet. Im Falle des Störs kommt aber hinzu, dass die Fische auch gefangen und getötet werden, um den (unreifen) Rogen möglichst unbeschadet zu entnehmen – unbeschadet für die Fischeier, nicht für den Fisch –, womit eine optimale Weiterverarbeitung zum Kaviar gegeben ist. Erst seit 2014 werden mit einer neuen Methode auch abgestreifte Störeier verwendet, wodurch ein Töten der Tiere nicht mehr nötig ist – doch dies ist aufwendig und mit Patentkosten verbunden.

Muss es immer Kaviar sein?

Somit ist es kein Wunder, dass die Wilderei weiterhin blüht – und man dreht sich im Kreis, dank der kapitalistischen Marktgesetze: Je mehr Zuchtkaviar angeboten wird, desto teurer und für die Produzenten profitabler wird der Wildkaviar. Damit ist auch klar, dass es nicht nur strenge Gesetze, deren Anwendung und Durchsetzung zum Schutz der Donaustöre braucht, sondern auch ein Abgehen von den wirtschaftlichen Mechanismen. Solange Profitgier und Kaviargier einer Luxus-Minderheit Hand in Hand gehen, wird der Stör keine Zukunft haben, was ein klassisches kapitalistisches Paradoxon ergibt: Es wird zum Zwecke des Gewinns maximal ausgebeutet, bis nichts mehr da ist und die eigene Produktionsgrundlage vernichtet wurde. Dem Kapital ist das egal, denn dann wendet man sich eben dem nächsten profitablen Geschäft zu. Auf diese Weise ist der Stör ein gutes Beispiel dafür, wie der Kapitalismus nicht in der Lage ist, nachhaltig zu produzieren und zu wirtschaften, sondern aufgrund seiner eigenen kranken „Logik“ für Verheerung und Zerstörung wirkt. Man darf aber auch die gut betuchten Konsumenten fragen: Müssen es wirklich immer auch noch schwarze Fischeier zum Champagner sein?

Quelle: Der Standard

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