HomeInternationalesDas Ja gewinnt beim Verfassungsreferendum in Italien

Das Ja gewinnt beim Verfassungsreferendum in Italien

Knapp 70 % stimmen in Italien für eine Verfassungsänderung zugunsten einer Verkleinerung des Parlaments. Die Reduzierung um satte 36% führt damit zwangsläufig zu einer durch vermeintliche Sparmaßnahmen getarnten Entdemokratisierung des Landes.

Italien. Beim Referendum siegte am 20. und 21. September ein klares Ja. Bei der diesjährigen Verfassungsänderung ging es um eine Reduzierung der Mitglieder der Abgeordnetenkammer (von vormals 630 auf 400) und der Mitglieder des Senats (von ehedem 315 auf 200). Die Verfassungsänderung betraf die Artikel 56, 57 und 59 der italienischen Verfassung. Das Ja siegte mit 69,6 Prozent (17.168.438 Stimmen) über ein stabiles Nein von 30,4 Prozent (7.484.995 Stimmen). 210.860 Wahlzettel wurden weiß abgegeben, 128.399 als ungültig gezählt. Die schwache Wahlbeteiligung lag bei 53,8 Prozent, wobei das Quorum nicht erreicht werden musste, da es sich um eine Veränderung der Verfassung handelte.

Populismus und Politikverdrossenheit

Für den Sieg des Ja ist zum großen Teil die Politikverdrossenheit und die populistische Kampagne der unterstützenden Parteien verantwortlich, wonach es darum ging, denen „da oben“ endlich eins auszuwischen. So fand der Vorschlag der Verfassungsänderung auch bei großen Teilen der Bevölkerung Anklang, die u.a. eine Reduzierung der Gehälter für gewählte Politikerinnen und Politiker unterstützen, auch wenn von vornherein klar war, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Tatsächlich führt diese Verfassungsänderung zu einer weitaus geringeren Repräsentanz der wahlberechtigten Bevölkerung Italiens, umgekehrt zu einer auf Perspektive größeren (Vollzugs-)Macht der gewählten Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Die populistische Propaganda des Movimento 5 Stelle „gegen die herrschende Kaste“ führte auch hier, wie so oft in der Vergangenheit dieser chaotischen und volksfeindlichen Bewegung, ins gerade Gegenteil, nämlich zu einer maßgeblichen Stärkung der supponierten Kaste. Es leuchtet zudem ein, dass die Reduzierung von Abgeordneten und Senatsmitgliedern nicht wirklich mit notwendigen Sparmaßnahmen zu rechtfertigen ist, da sich die Einsparungen der öffentlichen Ausgaben dabei auf geschätzte 0,007 % belaufen.

Übermacht der befürwortenden Parteien

Neben der irreführenden medialen Kampagne für das Ja muss auch konstatiert werden, dass die herrschenden und tonangebenden Parteien Italiens alle die Verfassungsänderung befürworteten, während sich v.a. kleine oder im Aufbau befindliche Parteien für das Nein stark gemacht haben. Auch wenn sich einzelne prominente Sprecherinnen und Sprecher der Lega Nord und der Partito Democratico im Zuge der Kampagne vom Ja distanzierten, blieben Partito Democratio, Lega Nord, Movimento 5 Stelle neben Fratelli d´Italia bei der vorgegebenen Losung.

Im Gegensatz zum Verfassungsrefendum von 2016 war das Nein-Lager in diesem Referendum kleiner, aber genausowenig homogen: Der neoliberalen Partei +Europa (frühere Radicali Italiani), der konservativen Unione di Centro (frühere Democrazia Cristiana) und der Querfront-Bewegung Vox Italia beispielsweise standen die Kommunistische Partei (PC) und mehrere sich links- oder kommunistisch nennende Listen (Rifondazione Comunista, teilweise Sinistra Italiana, PCI) gegenüber. Für das Nein sprachen sich auch nicht parteigebundene Komitees und Organisationen aus, z.B. die Nationale Vereinigung der Partisanen Italiens (A.N.P.I.), der es grundsätzlich um den Schutz und Umsetzung der durchaus fortschrittlichen italienischen Verfassung ging. In einem Flugblatt kritisierte A.N.P.I. einerseits die falsche, in Umlauf gebrachte Information, Italien verfüge im Vergleich zu anderen Ländern über eine sehr hohe Anzahl an Parlamentsabgeordneten (und damit einhergehend die zahlreichen Fehlinformationen der Ja-Kampagnen), andererseits die von der Regierungspropaganda als Verschwendung bezeichneten Kosten der (bürgerlichen) Demokratie. Tatsächlich würden mit der Verfassungsänderung v.a. sprachliche Minderheiten, kleine Parteien und Oppositionskräfte getroffen.

Das Nein der Kommunisten

Die Partito Comunista (PC) sprach sich von Anfang an gegen die Verfassungsänderung aus und stand damit auch hinter der Position, die sie 2016 im Zuge des Renzi-Referendums vertrat. So wie damals gibt dieses Referendum Aufschluss über den Konsens in Italien rund um die Partei, die den Vorschlag zur Verfassungsänderung eingebracht hat – in diesem Fall die Movimento 5 Stelle. Ebenso stand von Anfang an klar, dass der Unmut der Bevölkerung gegenüber der herrschenden Politik dafür ausgenutzt werden würde, um das System zu stärken, statt es zu schwächen. „Für das Nein zu stimmen ist meiner Meinung nach die wahre Stimme gegen die Kaste“, gab Andrea Mazzeo (PC) in einer Presseaussendung zu bedenken, „Wenn wir für das Ja stimmen, gehen wir nicht nur das Risiko, sondern die Gewissheit ein, dass das Parlament noch mehr von den Gebieten abgekoppelt wird, als es schon jetzt gerade wegen jener Parteien ist, die sich für das Ja stark machen.“ Würde das Ja siegen, kämen auf einen Senator 302.000 Bürgerinnen und Bürger anstatt der bisherigen 188.000, womit die Vertretung durch das Parlament massiv vermindert wäre.

Auch die Auslandssektion der PC (Partito Comunista – Federazione Estero), die sich für die Rechte der im Ausland lebenden Italienerinnen und Italiener einsetzt, wehrte sich massiv gegen das Ja. Durch das Referendum verlieren die Auslandsitalienerinnen und ‑italiener nämlich vier Mitglieder der Abgeordnetenkammer (-ein Drittel) und zwei Senatsmitglieder (-ein Drittel). Damit werden die Stimmen der so schon parlamentarisch vernachlässigten 4.616.000 im Ausland lebenden Italienerinnen und Italiener noch weiter geschwächt.

Quellen: ANPI/Arezzoora/Elezioni/PC/RadioRadio

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