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Britische Lehrergewerkschaften schlagen Alarm

Vor dem Ende der Ferien melden sich die Lehrergewerkschaften in Großbritannien zu Wort. Sie fordern höhere Löhnen, kritisieren das Prüfungssystem und das Pandemiemangement. Kämpfe für den Herbst werden angekündigt

London. Lehrergewerkschaften in Großbritannien fordern, dass Maßnahmen gegen schlechte Löhne und Stress gesetzt werden, nachdem die Schülerinnen und Schüler heuer Rekordergebnisse bei den Maturaprüfungen erzielt haben. Die Gewerkschaften haben im Rahmen dessen darauf hingewiesen, dass die Lehrerinnen und Lehrer im letzten Jahr bis an ihre Grenzen belastet wurden und die Schulen und Colleges nach dem wiederholten Versagen der Regierung während der Covid-19-Pandemie die Scherben auflesen mussten.

Mehr als zwei von fünf (44,8 Prozent) Maturantinnen und Maturanten erhielten die Note A oder A*: eine Steigerung um 6,3 Prozent gegenüber dem letzten Jahr, als 38,5 Prozent die Bestnote erreichten. Robert Halfon, Tory-Abgeordneter und Vorsitzender des Bildungsausschusses des Unterhauses, behauptete, dass sich die sogenannte Noteninflation aufgrund der Pandemie in den Prüfungsergebnissen widerspiegelt.

Paul Whiteman, Generalsekretär der Schulleitergewerkschaft NAHT, sagte jedoch, dass solche Behauptungen ignoriert werden sollten. „Die Schüler sollten sich darauf verlassen können, dass sie die Noten bekommen, die sie verdienen, und dass sie die von ihnen gezeigten Leistungen widerspiegeln“, sagte er.

Kritik am britischen Prüfungssystem generell

Die Nationale Bildungsgewerkschaft (NEU) erklärte, dass der Erfolg der Schülerinnen und Schüler in diesem Jahr „einfach zeigt, dass das reine Prüfungssystem vor der Pandemie es nicht allen Schülern ermögliche, ihre Fähigkeiten zu zeigen“.

Die gemeinsame Generalsekretärin Dr. Mary Bousted sagte: „Das Ende der Pandemie sollte eine Gelegenheit sein, die etablierte Art und Weise, wie wir Prüfungen durchführen und Qualifikationen vergeben, neu zu bewerten.“ Die Zentralisierung von Prüfungen und eine vermeintlich Objektivierung und Vereinheitlichung von Abschlüssen ist ein Teil der neueren Bildungsreformen in den OECD. Dieses Prüfungswesen verstärkt Ungleichheit und gibt nicht die Möglichkeiten von individuellen Forderungen sowie Kompetenz-gerechter Entwicklungen von Kindern und Jugendlichen lernenden.

Daten der Prüfungsaufsichtsbehörde Ofqual haben gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler an Privatschulen immer häufiger die besten Noten erhalten als Schülerinnen und Schüler an staatlichen Schulen, während schwarze Schüler, Schüler in stark benachteiligten Gebieten und Schüler, die kostenlose Schulspeisung erhalten, seltener die besten Noten erreichen.

Fast drei Viertel (70,1 Prozent) der Schüler an kostenpflichtigen Schulen erreichten die Bestnote, verglichen mit 44 Prozent im Jahr 2019, als die letzten Prüfungen stattfanden, und 60,8 Prozent im letzten Jahr.

Schlechtes Pandemiemanagement

Bildungsminister Gavin Williamson mag heute die Lehrerinnen und Lehrer loben, aber sein Lob kommt zu spät und klingt hohl, hält die Gewerkschaft fest. Verspätete und inkohärente Anleitungen, wie sie ihre Noten einreichen sollten, führten zu erhöhter Arbeitsbelastung und Stress für die Kolleginnen und Kollegen sowie zu Unsicherheit für die Schülerinnen und Schüler.

„Die Regierung hat das Personal von Schulen und Hochschulen als selbstverständlich angesehen und ihre Forderungen während der gesamten Pandemie ignoriert, wobei sie über weite Strecken das Schweigen eines Mönchs bewahrt hat. So kann und darf es nicht weitergehen.“ Williamson sagte, die Regierung werde sich über einen Notfallplan beraten, der sich für das nächste Jahr weitgehend auf die von den Lehrerinnen bewerteten Noten stützen werde, jedoch mit dem Ziel, zu einem Prüfungssystem zurückzukehren.

„Sie müssen umdenken und zeigen, dass sie ihre Belegschaft wertschätzen, sonst werden wir im Herbst anhaltende Streiks an den Schulen und Hochschulen in ganz England erleben.“ 

Auch in Österreich Missstände, aber keine Gewerkschaftsaktivität in Sicht

Die Geschehnisse und Entwicklungen in Großbritannien sind kein nationaler Sonderfall. Auch für Österreich gilt, dass die Leistungen der Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Bildung während der Pandemie in keinster Art und Weise anerkannt werden und wurden. Sie haben das miserable Krisenmanagement ausgebadet und tun es noch immer. Ohne adäquate Anleitung, Ausstattung oder Planungssicherheit leitet man eine große Menge von Lernenden durch die Pandemie und vermittelt Normalität sowie Wissen. 

Auch die Zentralisierung des Prüfungssystems, das eine Belastung für Lehrpersonen und Schülerinnen sowie Schüler darstellt, hat stattgefunden. In Sachen Hochschulen kam es nicht nur zu einer mangelnden Anerkennung, sondern mit dem neuen UG sogar zu einem Angriff auf die Kolleginnen und Kollegen inmitten der Pandemie. 

Der nationale Sonderfall scheint hier zu sein, dass weder die zuständigen Fachgewerkschaften der Elementarpädagoginnen, noch der Lehrerinnen und Lehrer oder eben der Kolleginnen und Kollegen an den Hochschulen aktiv werden. Die Sozialpartnerschaft zeigt auch hier wieder einmal, wem sie nutzt.

Quelle: Morning Star

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