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Sinn Féin erstmals stärkste Partei in Nordirland

Die Parlamentswahl in Nordirland endet erwartungsgemäß mit dem Sieg der sozialdemokratisch-nationalistischen Sinn Féin. Dies ist mehr von symbolischer als politischer Bedeutung, gibt dem Ziel der irischen Wiedervereinigung jedoch Auftrieb.

Belfast. Die nationalistische Bewegung Sinn Féin wurde bei den Wahlen zur Nordirischen Versammlung am vergangenen Freitag zur stärksten Partei – eine historische Premiere. Das prognostizierte Ergebnis würde bedeuten, dass sie nun sowohl im Süden als auch im Norden der geteilten Insel die größte Partei ist.

Bereits am Freitagabend erklärte die BBC, es sei davon auszugehen, dass Sinn Féin mit 29 Prozent der Erstpräferenzstimmen die größte Partei werden würde, während die Democratic Unionists (DUP) mit 21,3 Prozent zurückblieben. 

In der Praxis ändert sich dadurch wenig, denn nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 müssen sich die beiden größten Parteien die Macht teilen und somit den ersten und zweiten Minister bestimmen, die gleichrangig sind. Auch bislang war die Macht zwischen der größten loyalistischen Partei, der DUP, und Sinn Féin aufgeteilt, wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen. 

Wenn die DUP nun die Versammlung boykottiert, was möglich scheint, bricht sie zusammen und die Provinz wird wieder direkt von Westminster regiert. Tatsächlich ist die Versammlung bereits mehrfach zusammengebrochen, zuletzt wegen des Widerstands der DUP gegen das nordirische Brexit-Protokoll und eine Handelsgrenze in der Irischen See.

Nichtsdestotrotz markiert das Ergebnis einen bedeutenden Wandel in der irischen Politik, denn die Stimmenverluste der loyalistischen Parteien spiegeln eine allgemeine Krise in der Unterstützung der traditionellen Parteien sowohl im Norden als auch im Süden wider. 

Südlich der Grenze wurde Sinn Féin schon im Jahr 2020 mit 35 Prozent zur größten Partei. Die beiden traditionellen konservativen Parteien, Fianna Fáil und Fine Gael, die jeweils nur noch 20 Prozent der Stimmen auf sich verbuchten, gingen ein einzigartiges Bündnis ein, um Sinn Fein, die zuvor im Süden kaum Unterstützung hatte, aus dem Rennen zu halten. 

Wie viele nationalistische Bewegungen vertritt Sinn Féin ein breites Spektrum, das von quasi marxistisch-leninistischen bis hin zu rechtsnationalen Positionen reicht. In den letzten Jahren hat sie einen weitgehend sozialdemokratischen Weg eingeschlagen. Südlich der Grenze konzentrierte sie sich dabei auf soziale Themen wie die grassierende Wohnungskrise und andere Folgen des Zusammenbruchs der viel gepriesenen „Keltischen Tiger“-Wirtschaft in Südirland, die weitgehend auf Finanzmanipulationen wie Steuererleichterungen für internationale Unternehmen wie Apple beruhte. Teilweise als opportunistische Reaktion auf die Unterstützung der DUP für den Brexit ist sie in letzter Zeit auch von ihrer Forderung nach einem Austritt aus der EU zu einem Plädoyer für ein vereintes Irland innerhalb der EU übergegangen.

Kurzfristig wird die Abstimmung im Norden jedoch kaum unmittelbare Auswirkungen auf die Wiedervereinigung Irlands haben. Das Karfreitagsabkommen von 1998 sieht vor, dass ein Referendum über die Wiedervereinigung abgehalten werden sollte, wenn die britische Regierung der Meinung ist, dass es sowohl im Norden als auch im Süden eine mögliche Mehrheit dafür gibt, wobei es zwei getrennte Referenden geben müsste. 

Jüngsten Meinungsumfragen zufolge liegt die Unterstützung für die Wiedervereinigung im Süden bei 60 Prozent und im Norden bei etwa 35 bis 40 Prozent, obwohl die demografische Entwicklung im Norden dies wahrscheinlich ändern wird und eine Mehrheit glaubt, dass ein vereinigtes Irland in den nächsten zehn Jahren möglich ist. 

Im Süden beziehen sich die Bedenken vor allem auf die möglichen Kosten, die mit der Integration des Nordens verbunden sind. Im Norden spiegeln sie, abgesehen von der traditionellen Opposition der Unionisten, die Besorgnis über Themen wie das Gesundheitswesen wider, das im Süden viel teurer und weitgehend privatisiert ist.

Frühere Bedenken des Nordens, wie die reaktionäre Macht der katholischen Kirche im Süden, haben sich in dem Maße zerstreut, wie die Macht der Kirche abgenommen hat und Südirland in mancher Hinsicht fortschrittlichere Positionen als der Norden eingenommen hat. So ist beispielsweise der Schwangerschaftsabbruch im Süden inzwischen legal, während er im Norden – obwohl er zum Vereinigten Königreich gehört, wo Abtreibung völlig legal ist – praktisch nicht möglich ist.

Längerfristig stellen die Ergebnisse eine Wiedervereinigung der irischen Wirtschaft in Aussicht, die durch die Errichtung der Grenze im Jahr 1921 zerstört wurde, sowie eine allmähliche Aufhebung der sektiererischen Trennung, die nach wie vor das Hauptwerkzeug des britischen Imperialismus ist, um seine Macht auf der Insel zu erhalten.

Quelle: BBC

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