HomeInternationalesSudan: Waffenstillstand hält nicht, 270 Menschen in Gefechten getötet

Sudan: Waffenstillstand hält nicht, 270 Menschen in Gefechten getötet

Nach dem beidseitigen Bruch der Waffenruhe liegen weite Teile der Hauptstadt in Trümmern und das Gesundheitssystem droht zusammenzubrechen. Der Kampf zwischen sudanesischen Streitkräften und den Rapid Support Forces fordern immer mehr Menschenleben.

Khartum. Bis zum Mittwoch wurden bei heftigen Kämpfen in Khartum und Umgebung mindestens 270 Menschen getötet, ca. 2600 wurden schwer verletzt. Tausende Einwohnerinnen und Einwohner sind aus der sudanesischen Hauptstadt geflohen, um sich vor den anhaltenden Bombardements und aus der desolaten Lage zu retten.

Waffenstillstand gebrochen

Die Gewalt brach am Samstag zwischen den Truppen von Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter Mohamed Hamdan „Hemedti“ Dagalo, der die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) befehligt, aus. Beide stürzten den früheren Machthaber al-Bashir im April 2019 nach Massenprotesten gegen seine drei Jahrzehnte währende rückwärtsgewandte Herrschaft. Im Oktober 2021 führten sie einen Militärputsch gegen die Zivilregierung an, die nach al-Bashirs Sturz eingesetzt worden war. Die Auseinandersetzungen folgten auf einen Streit über die geplante Eingliederung der RSF in die reguläre Armee – eine Voraussetzung für eine Vereinbarung über Übergang des Sudans in eine bürgerliche Demokratie.

Natürlich geht es im Konflikt, der häufig als reine Animosität der beiden Generäle dargestellt wird, um die Aufteilung der Bodenschätze sowie um die Machtaufteilung im Lande. An diesem Kriegsschauplatz sind einheimische und ausländische Kräfte beteiligt, die sich jeweils einen Gewinn aus dem Leiden der sudanischen Bevölkerung versprechen. Vor kurzem wurde etwa der Kontakt zwischen Dagalo (RSF) mit der russischen faschistischen Privatsöldnertruppe Wagner bekannt, die darauf abzielte, eine Schmuggelroute für das Gold vom Sudan nach Russland zu schaffen, um die Operationen der Wagner-Gruppe in der Ukraine zu finanzieren. Ob Wagner indes auch aktiv in den Gefechten aufseiten der RSF mitkämpft, konnte noch nicht bestätigt werden.

Nicht einmal der geplante 24-stündige Waffenstillstand, der dazu dienen sollte, humanitäre Korridore zu schaffen, konnte eingehalten werden, obwohl beide Seiten beteuerten, sich daran halten zu wollen. Am Mittwoch erklärte die RSF, sie werde sich „voll und ganz für einen vollständigen Waffenstillstand einsetzen“, die sudanesischen Streitkräfte erklärten ebenso, dass sie der Waffenruhe ebenfalls zugestimmt hatten.

Eine aussichtslose Lage

Die Zivilisten können nichts anderes tun, als zu fliehen oder sich in ihren Häusern zu verstecken. Ihre Lage ist immer verzweifelter, da die Lebensmittelvorräte schwinden, der Strom ausfiel und es kein fließendes Wasser gibt. Tausende haben die Sache selbst in die Hand genommen und begonnen, ihre Häuser in Khartum zu verlassen. Medienberichten zufolge waren einige in Autos unterwegs, andere zu Fuß, mit Frauen und Kindern.

Nach Angaben der offiziellen Ärztegewerkschaft können viele der Verwundeten in der Stadt die Krankenhäuser nicht erreichen, die ebenfalls beschossen werden. Von den 59 wichtigsten Krankenhäusern in Khartum seien derzeit etwa 39 „außer Betrieb“, so die Gewerkschaft, und in den übrigen Einrichtungen herrsche „schwerer Mangel“. Im Laufe der fünftägigen Gefechte wurden neun Krankenhäuser von Artillerie getroffen und 16 zwangsevakuiert, wobei keines der Krankenhäuser in der Hauptstadt noch voll funktionsfähig ist.

Ärzte und Krankenhauspersonal berichten von erschütternden Zuständen: kein Wasser, wenig Strom für lebensrettende Geräte und knappe Lebensmittel, die sie zwingen, kranke Patientinnen und Patienten nach Hause zu schicken und Verletzte abzuweisen. Viele der besten Krankenhäuser des Sudan befinden sich nämlich im Zentrum von Khartum, wo die heftigsten Kämpfe stattfinden, sodass das Krankenhauspersonal, die Patientinnen und Patienten dem Beschuss und der Bombardierung trotzen müssen. Für die mehr als 2.600 Verletzten und viele andere, die behandelt werden müssen, bedeutet der schnelle Zusammenbruch des Gesundheitssystems eine Katastrophe für sich.

Großflächige Evakuierung

Die Regierungen mehrerer Länder haben mit der Planung der Evakuierung ihrer Bürgerinnen und Bürger begonnen, unter denen sich auch viele UN-Mitarbeiter befinden. Die BRD brach am Mittwoch einen Evakuierungsversuch ab, an dem drei Militärtransportflugzeuge beteiligt gewesen wären, die 150 Staatsbürgerinnen und ‑bürger hätten transportieren sollen. Die US-Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt teilte mit, sie habe damit begonnen, die persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger zu sammeln, und rief sie auf, in den Häusern zu bleiben und sich von den Fenstern fernzuhalten. Das japanische Verteidigungsministerium begann unterdessen mit den Vorbereitungen für die Evakuierung von etwa 60 seiner Staatsangehörigen aus dem Kriegsgebiet, darunter auch Botschaftsmitarbeiter.

In der Tat wurden ausländische Diplomaten angegriffen, und der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, gab bekannt, die Vereinten Nationen hätten „Berichte über Angriffe und sexuelle Gewalt gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen“ erhalten. Im Zuge der gewaltsamen Zusammenstöße zwischen den beiden Seiten wurde ein US-Diplomatenkonvoi beschossen, der Botschafter der EU zu Hause angegriffen und ein belgischer Mitarbeiter der Europäischen Kommission nach einem Schuss ins Krankenhaus eingeliefert. Dabei handelte es sich um den Leiter des Büros der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) in der sudanesischen Hauptstadt.

Quellen: AJ / Reuters / ORF / AJ

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