Mit ungewöhnlich klaren Worten und konkreten Maßnahmen hat die sogenannte „Gruppe Den Haag“ vergangene Woche in Bogotá ein internationales Notfalltreffen zur Lage in Palästina abgehalten. Vertreterinnen und Vertreter aus mehr als 30 Staaten, darunter zahlreiche Länder des Globalen Südens, sprachen sich dort für weitreichende Schritte gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen aus – darunter ein umfassendes Waffenembargo, wirtschaftliche Sanktionen und die Unterstützung internationaler Strafverfahren.
Bogota. Die zweitägige Konferenz wurde von Kolumbiens Außenministerin Rosa Yolanda Villavicencio mit einem Appell an moralische Verantwortung eröffnet: „Wir sind hier nicht nur, um zu diskutieren, sondern um zu handeln – juristisch, ethisch, politisch.“ Die Veranstaltung markierte einen weiteren Schritt im Schulterschluss jener Staaten, die sich Anfang des Jahres auf Initiative der Präsidenten Gustavo Petro (Kolumbien) und Cyril Ramaphosa (Südafrika) zur „Gruppe Den Haag“ zusammengeschlossen hatten.
Konkrete Maßnahmen statt bloßer Verurteilungen
Im Zentrum des Gipfels stand die Forderung nach sofortiger Beendigung von Genozid, Apartheid und ethnischer Säuberung in Gaza. In der Abschlusserklärung des Treffens kündigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, künftig die Lieferung und Weitergabe militärischer Ausrüstung, Dual-Use-Güter sowie logistische Unterstützung an Israel zu unterbinden. Auch der Transit solcher Güter über Drittstaaten soll verhindert werden.
„Diese Beschlüsse sind nicht nur politische Gesten – sie sind ein Rettungsanker für jene, die unaufhörlich angegriffen werden“, sagte UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese. Sie rief alle Staaten dazu auf, ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel zu beenden. Ihre scharfe Kritik an der „Komplizenschaft westlicher Staaten und der NATO“ wurde von Kolumbiens Präsident Gustavo Petro bekräftigt: „Man kann nicht von Freiheit sprechen, während ein Volk ermordet wird.“ Petro kündigte eine Neubewertung der Beziehungen zu Europa und eine Abkehr von militärischen Bündnissen mit NATO-Staaten an, die an Bombardierungen beteiligt seien.
Bis spätestens 20. September wollen mehr als 30 Staaten – darunter Bolivien, Kuba, Malaysia, Indonesien und Südafrika – nicht nur Waffenexporte stoppen, sondern auch wirtschaftliche Beziehungen zu Tel Aviv aussetzen.
Menschenrechtslage spitzt sich weiter zu
Während der Konferenz wurden auch neue Berichte über systematische Gewalt bei der humanitären Versorgung bekannt. Die US-nahe „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF), die nach dem Ausschluss der UNRWA für Hilfslieferungen zuständig ist, geriet wegen tödlicher Zwischenfälle erneut unter Druck. Laut Euromed Monitor wurden bei jüngsten Lieferaktionen in Rafah Hungernde mit Tränengas, Pfefferspray und Schusswaffen angegriffen – unter anderem von US-Söldnern, die die Versorgung begleiten. Dabei kam es zu Toten durch Ersticken und Panik, Hunderte wurden verletzt.
Siedlungsbau in „E 1“ untergräbt Zweistaatenlösung
Parallel dazu spitzt sich die Lage in der Westbank dramatisch zu. Die lange umstrittenen Pläne für das israelische Siedlungsprojekt „E 1“ bei Jerusalem sollen laut NGO-Informationen in Kürze endgültig genehmigt werden. Der Bau von über 3.400 neuen Wohneinheiten würde nicht nur die palästinensischen Beduinengemeinden in der Region vertreiben, sondern faktisch das Westjordanland zerschneiden – mit weitreichenden Folgen für die Möglichkeit eines palästinensischen Staates.
Auch international wird diese Entwicklung kritisch gesehen. Dennoch äußerte sich bislang nur Frankreich öffentlich gegen das Vorhaben. Das sogenannte Jerusalem-Metropolitan-Gesetz, das Ostjerusalem vollständig unter israelische Souveränität stellen soll, verstößt nach Einschätzung von Expertinnen und Experten gegen internationales Recht.
Westliche Erklärung bleibt vage
Auf die entschlossenen Beschlüsse der Haager Gruppe folgte Anfang dieser Woche eine gemeinsame Erklärung von 25 westlichen Staaten, darunter Frankreich, Belgien, Kanada, Australien und das Vereinigte Königreich. Auch die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, die ansonsten mit Unterstützung für Israels verbrecherische Politik in der ganzen Region glänzt, unterzeichnete die Erklärung. Darin heißt es, der Krieg in Gaza müsse „jetzt beendet werden“, Israel müsse humanitäres Völkerrecht einhalten. Zwar wurde die Blockade von Hilfslieferungen und die Tötung von Zivilistinnen und Zivilisten klar kritisiert – konkrete politische oder wirtschaftliche Konsequenzen blieben jedoch aus.
Die Erklärung wirkt wie eine indirekte Antwort auf die Haager Konferenz – allerdings mit „mehr Rhetorik als Substanz“. Während südliche Staaten konkrete Handlungsinstrumente auf den Weg brächten, blieben ihre westlichen Pendants bei moralischen Appellen. Auch der Verweis auf »Bereitschaft zu Maßnahmen für einen politischen Weg“ blieb ohne Erläuterung.
Ob die „Gruppe Den Haag“ mit ihren Forderungen eine neue Dynamik in die internationale Palästina-Debatte bringen kann, bleibt offen. Klar ist jedoch: Ein wachsender Teil der Weltgemeinschaft fordert nicht mehr nur humanitäre Hilfe – sondern politische Verantwortung, juristische Konsequenzen und eine Abkehr von Doppelstandards.