HomeInternationalesTschechien: Niederlage für Babiš, SP und KP nicht mehr im Parlament

Tschechien: Niederlage für Babiš, SP und KP nicht mehr im Parlament

In Tschechien steht nach der Parlamentswahl ein Regierungswechsel bevor: Der korruptionsverdächtigte Ministerpräsident Andrej Babiš muss weichen, das konservative Oppositionsbündnis wird ihn beerben. Eine schwere Niederlage setzte es für die linken Parteien.

Prag. Bei der Wahl zum tschechischen Abgeordnetenhaus konnte der bisherige Ministerpräsident Andrej Babiš keine Parlamentsmehrheit erreichen und wird voraussichtlich abgelöst. Seine liberale Partei ANO ist mit 27,12 Prozent der Stimmen (minus 2,52 Prozentpunkte) und 72 von insgesamt 200 Parlamentssitzen zwar stärkste Einzelpartei, für eine Regierungskoalition gibt es jedoch keine Grundlage. Das Bündnis „SPOLU“ („Gemeinsam“), dem drei konservative Parteien angehören, kam auf 27,79 Prozent (plus 5,35) und 71 Mandate – zusammen mit dem Bündnis aus Piratenpartei und Bürgermeisterliste „Piráti i STAN“ (15,62 Prozent, 37 Mandate) wird man die neue tschechische Regierung bilden, SPOLU-Spitzenkandidat Petr Fiala von der Demokratischen Bürgerpartei wird der nächste Ministerpräsident. Dies gilt als fix, auch wenn die Koalitionsverhandlungen nicht einfach werden.

Der Milliardär Babiš, der schon früher Korruptionsvorwürfen ausgesetzt war, kam knapp vor den Wahlen, die am vergangenen Freitag und Samstag stattfanden, durch die „Pandora Papers“ unter Druck und dürfte nun aus der Politik ausscheiden, falls er bei seiner Ankündigung für den Fall einer Niederlage bleibt. Eine Chance, im Amt zu bleiben, hat er realistisch besehen nicht, wenngleich Präsident Zeman ihm zunächst den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen könnte. Als einzige potenzielle Bündnisoption für ANO wäre die weit rechts angesiedelte Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) bereitgestanden, doch deren 20 Mandate (9,56 Prozent) reichen nicht für eine gemeinsame Regierungsmehrheit.

Erstmals Parlament ohne Sozialdemokraten und Kommunisten

Alle weiteren Parteien und Liste verpassten den Einzug in das Abgeordnetenhaus zu Prag, wobei für Einzelparteien eine Fünfprozenthürde galt, für Zweiparteienbündnisse eine Achtprozenthürde und für Mehrparteienbündnisse eine Elfprozenthürde. Damit ist eine schwere Niederlage für die klassischen Arbeiterparteien verbunden, denn sowohl die Sozialdemokraten als auch die Kommunisten werden dem neuen Parlament nicht mehr angehören. Die Tschechische Sozialdemokratische Partei (ČSSD) kam nur noch auf 4,65 Prozent (minus 2,62 Prozentpunkte) – sie befand sich bisher als Juniorpartner in einer Koalition mit ANO und wurde wohl u.a. dafür abgestraft.

Nicht besser erging es der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSČM), die mit 3,60 Prozent (minus 4,16) noch deutlicher scheiterte – auch sie hatte bis zum vergangenen Frühjahr die Babiš-Regierung gestützt und erst dann die Reißleine gezogen. Für die eigentlich gut verankerte kommunistische Bewegung in Tschechien ist dies ein schwerer Schlag, denn die KSČM war seit dem Ende der ČSSR ein relevanter Faktor in der Tschechischen Republik: 2002 war sie mit 18,5 Prozent und 41 Mandaten noch zweitstärkste Partei im Abgeordnetenhaus, mit rund 40.000 Mitgliedern ist sie in diesem Maßstab sogar die größte Partei des Landes. Die Parteiführung wird jetzt vermutlich unter Druck geraten: Nicht nur die Duldung der ANO/ČSSD-Minderheitsregierung wird heftig diskutiert werden, sondern auch die Gesamtausrichtung. Die KSČM hat Beobachterstatus in der „Europäischen Linkspartei“ und verfolgt eher einen linksreformistischen oder „eurokommunistischen“ Kurs. Es ist gut möglich, dass dies von den marxistisch-leninistischen Kräften in der KSČM nun verstärkt in Frage gestellt wird.

Quelle: ORF

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