HomeKlassenkampfJugendDas Elend geht von vorne los: Studieren im Lockdown als asoziale Farce

Das Elend geht von vorne los: Studieren im Lockdown als asoziale Farce

Ein Kommentar von Aaron Weber, Student und Mitglied der Partei der Arbeit.

Knapp zwei Monate lang durften wir Studierenden also wieder an die Hochschulen – und von Woche zu Woche traten wir mit allerlei Verunsicherungen und Mutmaßungen dem neuen Semester entgegen. Nicht nur wegen „Corona“ – viele haben aufgrund der restriktiven Sozialpolitik ihre Studienbeihilfen verloren oder müssen – was nicht seltener passiert – mit stark gekürzten Bezügen leben, wenn ein Elternteil „zu viel“ verdient, mit gestrichenen Familienbeihilfen und Studiengebühren. Nach drei Corona-Semestern haben Dozentinnen und Dozenten und wir Studierenden weitgehend die Erfahrung gemacht, dass die Motivation, Leistungsfähigkeit und Vereinbarkeit von Studium und Beruf einem Spießrutenlauf gleicht. Nichts da von wegen Digitalisierung und Online-Lehre würden das Leben von uns Studentinnen und Studenten vereinfachen, insbesondere von Studentinnen mit Kindern. Noch vor wenigen Tagen verkündete etwa die Johannes Kepler Universität Linz in einem Newsletter vollmundig, dass die JKU eine Präsenzuni sei und der Lehrbetrieb in Präsenz weitergehen werde, nur um einen Tag später wegen des oberösterreichischen Lockdowns „für alle“ – man erinnere sich, es galt ja der idiotische Lockdown für Ungeimpfte – anzukündigen, dass man weitestgehend auf Online-Lehre umstellen werde.

Nun ist endgültig klar, dass wir mit der 4. Welle und den dementsprechenden Lockdown-Maßnahmen wieder ins Distance-Learning geschickt werden – unsere Dozentinnen und Dozenten müssen teilweise alle Pläne wieder umstellen, überhaupt aber war der Umgang vieler Hochschulen und des Bildungsministeriums symptomatisch für eine katastrophale Pandemie-Politik, welche eine Mischung aus kalkulierter Verantwortungslosigkeit und purem Dilettantismus darstellt. Beispielsweise haben gewisse Hochschulen wie die FH in Wels oder die Universität Wien Gesundheitsschutzmaßnahmen wie das Tragen von FFP2-Masken in Innenräumen abgeschafft bzw. nie eingeführt – als Basis dafür dienen die 3G- bzw. 2,5G-Regeln. Diese unsinnige Regelung an den Hochschulen war, wie auch an Arbeitsorten, ein Vorwand, um den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen, während gleichzeitig der Gesundheitsschutz ad absurdum geführt wurde. Ein Beispiel: Es gab immer wieder Corona-Verdachtsfälle, was dazu führte, dass ganze Kursgruppen potenzielle Träger des Virus waren, aber die Geimpften wegen der Lockdownbestimmungen als „K2-Personen“ galten und somit nicht in Quarantäne mussten. Der massive Anstieg und die Cluster, die immer wieder ausgebrochen sind, haben ganz klar gezeigt, dass die Regierung, die Leitungen der Hochschulen und nicht zuletzt die staatstreue ÖH auf ganzer Linie versagt haben. Anstatt breitflächige Testangebote auszubauen und ordentliche, einheitliche Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen, sind wir mit dem Umstand konfrontiert, dass in ein und derselben Stadt Tausende Studenten mit völlig unterschiedlichen Sicherheitskonzepten konfrontiert sind.

Aber der Leistungsdruck und die vielen Fallstricke im Leben von uns Studenten, haben nicht abgenommen: Obwohl es drei Corona-Semester gab, von denen praktisch nur im letzten Wintersemester eine Form von Normalität simuliert wurde – welche dann an der pandemischen Realität im Winter 2020 zerbrochen ist – hat Bildungsminister Faßmann bloß ein weiteres Toleranzsemester gewährt. Noch gibt es irgendwelche Pläne, sicherzustellen, dass alle Studierenden an der sogenannten Online-Lehre partizipieren können – was schon bei Schülerinnen und Schülern nicht gemacht wird, wie etwa das Bereitstellen von Laptops und Tablets, wird bei Studenten schon zweimal nicht gemacht.

Wieso auch? Die bürgerlichen Medien vom linksliberalen Standard bis zur konservativen Presse, von der rechten FPÖ bis zu den marktradikalen NEOS haben immer erfolgreicher die Lüge transportiert, dass ein Studium sowieso ein Privileg sei, was man sich entweder leisten kann oder eben selbstverschuldet ausscheiden müsse – „Was nichts kostet, ist nicht’s wert“. Und dieses Sprücherl wird uns Studenten eingebläut, damit wir den Zugang zu einer qualitativ hochwertigen, sicheren und freien nicht als das ansehen, was es sein sollte – unser gesellschaftliches Recht. Tatsache ist, dass auch dieses Semester wohl abseits der wenigen Ausnahmen ganz im Zeichen des Versagens der Regierungs- und Oppositionsparteien im Kampf gegen die Pandemie stehen wird. Wo die Hochschulen und die Regierung völlig unwissenschaftlich auf die Impfung als Königsweg gesetzt haben – ohne jemals eine ordentliche Impfkampagne durchzuführen – und den aktiven Gesundheitsschutz vernachlässigt haben, bezahlen wir alle – mit unserer Gesundheit, unseren Ansprüchen an das Studium und auch finanziell.

Es fehlt eine echte Studentenbewegung, die abseits des demokratisch kaum legitimierten ÖH-Zirkuses weder abgestandene Marketingsprüche runterbetet, noch sich mit verbalradikalen Sprüchen zufriedengibt, sondern wirklich die Wut kanalisiert, die unter uns Studenten gärt. Das aber können wir nur selber tun, mit unserer eigenen Organisation. Denn wir können nicht auf den „Freedom Day“ nach Corona warten, die Zeiten werden schlimmer, weil die Krise des Kapitalismus schlimmer wird. Wir müssen heute noch Partei ergreifen.

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