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Der absurde Fall vom „Anti-Homo-Haus“

Eine kleine Pension in Aggsbach Markt deklariert sich offen anti-homosexuell und gibt hierfür abstruse Begründungen. Die Frage lautet jedoch, ob sie das aus Dummheit macht oder nicht eher ein ausgeklügelter Schachzug dahintersteckt, um sich bekannter zu machen.

Krems. In Aggsbach Markt feiert eine kleine Herberge gerade Publicity-Hochsaison, weswegen wir den Unternehmensnamen und auch den Namen des Anstifters dieser kleinen Kampagne ungenannt lassen wollen. Der Grund für die kostenlose Negativwerbung ist nämlich die homophobe Ausrichtung des Betreibers, der seine Herbergstüren offiziell und mit großen Fanfaren für gleichgeschlechtliche Paare geschlossen hat. Der Selbstbezeichnung nach handelt es es sich dabei um ein „Anti-Homo-Haus“.
Der Grund? Die Pension wolle nämlich „nichts mit AIDS oder Syphilis zu tun haben“, Krankheiten also, die durch ungeschützten Verkehr auf alle sexuellen Ausrichtungen übertragen werden können und eben nicht allein homosexuellen Paaren vorbehalten sind. So weit der Standpunkt des Wissens jener, die in den letzten vier Jahrzehnten zumindest nebenher diese Krankheiten (Syphilis ist natürlich noch um einiges älter) verfolgt haben oder dann und wann Nachrichtensendungen gesehen haben. Man muss keine Medizinerin oder Mediziner sein, um sich ein paar eindeutig geklärte wissenschaftliche Fakten merken zu können.

Homophobie aus gesundheitlichen Gründen

Man könnte es beileibe für einen Witz oder aber umgekehrt für eine gelungene LGBTQ-Kampagne halten, die darauf abzielt, Awareness für Homophobie in ländlichen Gegenden Österreichs zu vergrößern. Aber nach aktuellem Stand der Dinge scheint nichts davon zuzutreffen. Der Betreiber meint seine Sache ernst, er ist gebürtiger Wiener und vor etwa zehn Jahren kaufte er die Pension am Rande des Bezirks Krems. Er ist gläubiger Christ und er hält seine Unternehmenspolitik mitnichten für diskriminierend: Er sei tatsächlich um seine Gesundheit besorgt und möchte auf seine Kosten kommen: „Ich verdiene lieber Geld, als politisch korrekt zu sein.“ Ausländische Gäste würden sich ihm zufolge nämlich den Spaß gern gefallen lassen und die anti-homosexuelle Stoßrichtung unterstützen. Als Katholik bezeichnet er „Homosexualität, Pädophilie und Gender-Ideologie“ als „Philosophien“, die die „seelische Gesundheit“ zerstören würden. Dass diese irrationale Besorgnis gerade in Zeiten der hochansteckenden Covid-19-Pandemie auftaucht, ist wohl ein Treppenwitz, der noch auf seine Auflösung wartet.

Eine gelungene Kampagne

Natürlich hat der Fall viel Wirbel ausgelöst und selbst Bürgermeister Josef Kremser (ÖVP) meint, von dem schrägen Etablissement nichts gewusst zu haben. Mit Worten sparend kommentierte er den Fall nur derlei: „Das ist starker Tobak. So etwas geht gar nicht.“
Kremser griff aber sofort zur Tat und ließ die Herberge von der offiziellen Gemeinde-Homepage verschwinden. Ann-Sophie Otte, Obfrau der Homosexuellen Initiative Wien, spricht in diesem Zusammenhang von einem „neuen Extrem“, das man im Blick behalten müsse. Andrea Brunner, Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wien, bot dem in der Zeit zurückgebliebenen Mann „breite Information zum Thema sexuelle Gesundheit an“ und fügte hinzu: „Wenn er irrationale Ängste hat, können wir ihm diese mit guter Beratung nehmen. Wir können ihn aufklären, wie HIV und STI übertragen werden – nämlich nicht im Alltagsleben, wie es in einem Hotel der Fall ist.“

Der Fall vom Anti-Homo-Haus wurde sehr schnell von einer Vielzahl an bürgerlichen Medien aufgegriffen, alle präsentieren sich empört und sehr aufgeklärt, denn sie haben leichtes Spiel. Über die tagtägliche Diskriminierung Homosexueller auf dem Arbeitsplatz oder in ihrem Umfeld, die sich im Kapitalismus nicht ändern lassen wird, kann man angesichts der ausgesprochenen Dummheit eines Pensionsbetreibers kurz hinwegsehen. Dadurch aber, dass diese Herberge nun in aller Munde ist und Negativschlagzeilen produziert, rückt sie für Leute, die derselben Meinung wie der Betreiber sind, von der Täter- in eine Opferrolle. Der Betreiber beklagte auf Anfrage des ORF, dass wegen der „Lobby der Homosexuellen“ viele Buchungsplattformen sein Etablissement gelöscht hätten. Er braucht die publicity und auch schlechte Werbung ist im Grunde Werbung, die von selbst Reichweite generiert. Rechte, konservative, religiöse, esoterische Vereinigungen und Privatmenschen werden sich nun bemüßigt fühlen, der Herberge Spendengelder und sonstige Unterstützung zukommen zu lassen. Wer so denkt wie der Betreiber der Pension, weiß nun, wo er sich im Urlaub willkommen fühlen kann.

Quelle: Niederösterreichische Nachrichten/ORF

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