Die steigende Zahl der erkrankten Erwerbstätigen hat die Bundesregierung zu verstärkten Kontrollen im Krankenstand angeregt, während die Wirtschaftskammer Salzburg schärfere Maßnahmen fordert, obwohl der tatsächliche Missbrauch unklar ist. Die Arbeiterkammer setzte sich 2024 erfolgreich für Beschäftigte ein, insbesondere bei Kündigungen während Krankenständen, und rechnet auch 2025 mit hohem Beratungsbedarf aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage.
Salzburg. Die Zahl der erkrankten Erwerbstätigen steigt zunehmend. Um Unternehmen besser vor vermeintlichem Missbrauch des Krankenstands zu schützen, plant die Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm verstärkte Kontrollmaßnahmen.
Die Wirtschaftskammer Salzburg äußerte Kritik an der Österreichischen Gesundheitskasse und fordert schärfere Kontrollen im Bundesland Salzburg. Wie groß das Problem des Krankenstandsmissbrauchs dort tatsächlich ist, sei jedoch gar nicht bekannt. Dennoch warnte die Wirtschaftskammer vor möglichen wirtschaftlichen Folgen. Ein einzelner Krankenstandstag verursache einem Betrieb durchschnittliche Kosten von 250 Euro.
Wirtschaftskammer fordert strengere Kontrollen
Laut dem Präsidenten der Wirtschaftskammer, Peter Buchmüller, seien Kontrollen dringend notwendig. Er betonte, dass das Ziel sei, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, da eine hohe Anzahl an Krankenständen Unternehmen schwäche.
Vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 verbrachten Erwerbstätige durchschnittlich 13 Tage pro Jahr im Krankenstand. Bis 2023 stieg diese Zahl auf 15 Tage, wobei die tatsächlichen Werte aufgrund einer hohen Dunkelziffer möglicherweise noch höher liegen. Und hierin liegt im Grunde schon eine Erklärung für die Steigerung, auch wenn die Wirtschaftskammer wohl so tut, als würde Corona nun nicht mehr existieren.
Im aktuellen Regierungsprogramm wird die Kontrolle von Krankenständen nur knapp erwähnt. Es ist vorgesehen, diese effizienter zu gestalten.
ÖGK: Psychosoziale Angebote ausbauen
Laut der Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) haben Erwerbstätige in Salzburg im Durchschnitt weniger Krankentage als in anderen Bundesländern. Ein weit verbreiteter Missbrauch des Krankenstands sei demnach kein großes Problem.
Dennoch befürworte man Kontrollmaßnahmen, erklärte Wolfgang Reiger von der ÖGK Salzburg. Seiner Aussage nach gebe es in Salzburg ein funktionierendes System, in dem etwa zehn Mitarbeiter regelmäßig Überprüfungen durchführen – meist auf Anfrage von Arbeitgebern. Eine Ausweitung dieser Maßnahmen wäre jedoch möglich.
Die steigenden Krankenstandszahlen ließen sich nicht allein durch Missbrauch oder bewusstes Fernbleiben von der Arbeit erklären, heißt es. Ein zusätzlicher Faktor sei das Corona-Virus, das als weiterer Krankmacher wirke. Zudem nehme die Zahl psychischer Erkrankungen zu. Nach Einschätzung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) wäre es daher sinnvoller, psychosoziale Unterstützungsangebote auszubauen, anstatt verstärkt auf Kontrollen zu setzen.
Das System macht krank
In vielen Branchen sind übermäßige Arbeitszeiten und unzureichende Erholungsphasen zum Alltag geworden, was zu einer erschreckend hohen Zahl an Burnout-Fällen, chronischen Erkrankungen und psychischen Belastungen führt. Anstatt diese Probleme an der Wurzel zu packen, wird oft die Verantwortung den Arbeiterinnen und Arbeitern zugeschoben, die als „krankfeiern“ abgestempelt werden, obwohl sie in Wahrheit durch die untragbaren Arbeitsbedingungen an ihre physischen und mentalen Grenzen stoßen.
Die steigenden Krankenstandszahlen sind nicht nur auf Missbrauch zurückzuführen, sondern auch auf die belastenden Arbeitsbedingungen, wie ständiger Stress, Überstunden und Arbeitsintensivierung. Der Fokus sollte nicht auf der Kontrolle von Krankenständen liegen, sondern auf einer grundlegenden Verbesserung der Arbeitswelt. Es braucht eine stärkere Regulierung der Arbeitszeiten, eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Gesundheit sowie eine verstärkte Förderung von gesundheitsfördernden Maßnahmen am Arbeitsplatz. Nur so kann nachhaltig verhindert werden, dass immer mehr Menschen aufgrund der Belastungen in ihrem Arbeitsumfeld krank werden.
Die Arbeiterkammer sieht das anders
Im Jahr 2024 erstritt die Arbeiterkammer (AK) zudem über 65 Millionen Euro für Beschäftigte und führte dabei mehr als 220.000 Beratungsgespräche. Am Dienstag gab AK-Präsident Peter Eder am Dienstag bekannt, dass im Jahr 2024 die Arbeiterkammer 65 Millionen Euro für Beschäftigte erstritt und dabei mehr als 220.000 Beratungsgespräche führte.
Besonders auffällig sei der Anstieg von Kündigungen während laufender Krankenstände gewesen – ein Problem, das im Gegensatz zu den Ängsten der Wirtschaftskammer über einen etwaigen Missbrauch von Krankenständen tatsächlich besteht.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten nehme der Druck auf die Beschäftigten zu, erklärte AK-Präsident Peter Eder. Durchschnittlich einmal pro Woche werde die AK mit einer Kündigung während eines Krankenstands konfrontiert. Unternehmen würden in solchen Fällen oft versuchen, sich die gesetzlich vorgeschriebene Entgeltfortzahlung zu sparen.
Entgeltfortzahlung bleibt verpflichtend
Rechtlich seien Kündigungen im Krankenstand zwar zulässig, doch die Arbeitgeber seien weiterhin zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, betonte Arbeitsrechtsexperte Heimo Typplt. Er stellte fest, dass Unternehmen dieser Verpflichtung zunehmend nicht nachkämen. In einem aktuellen Fall habe die Arbeiterkammer für einen langjährigen Mitarbeiter, der während seines Krankenstands gekündigt wurde, eine Nachzahlung von 8.000 Euro durchgesetzt.
Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage rechnet die AK auch für 2025 mit einem anhaltend hohen Beratungsbedarf.