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Nachfrage nach Psychotherapie hoch wie noch nie

Während leichte und harte Lockdown-Maßnahmen vielen Gewerben das Handwerk legen und viele Arbeiterinnen und Arbeiter arbeitslos dastehen, hat sich die Nachfrage nach Pychotherapeutinnen und ‑therapeuten verdoppelt.

Wien. Noch nie zuvor war die Nachfrage nach Psychotherapie in Wien so hoch wie momentan. Die Vorsitzende des Wiener Landesverbands für Psychotherapie, Leonore Lerch, verzeichnet pro Tag ungefähr drei Anfragen neuer Patienten, ähnliches berichten Arbeitskolleginnen und ‑kollegen. Der Bundesverband für Psychotherapie spricht insgesamt von einer Verdopplung der Nachfrage. Den Gründen für den Anstieg von Depressionen, Angstzuständen und Schlaflosigkeit gesellt sich neben der Coronavirus-Pandemie nun auch der kürzlich erfolgte Terroranschlag in Wien hinzu. Im Allgemeinen seien die Menschen ob der Zukunft verunsichert und das Sicherheitsgefühl sei nicht mehr vorhanden.

Genügend Kapazitäten – dennoch zweimonatige Wartezeit

In Wien ist die Berufssparte der Psychotherapeutinnen und ‑therapeuten im internationalen Vergleich überrepräsentiert. Mit 4.500 sind es drei bis vier Mal so viele wie im EU-Durchschnitt. 700 davon bieten Psychotherapie auch auf Krankenschein an, wobei die Kosten gänzlich von der Kasse übernommen werden. Insgesamt seien genügend Kapazitäten vorhanden, auch bei der Behandlung auf Krankenschein, sodass keine Engpässe zu befürchten sind. Bei Bedarf könne das Kontingent sogar noch erweitert werden – eine finanzielle Zusage der Gesundheitskasse gebe es bereits. Ab Jänner soll das Angebot für Psychotherapie auf Krankenschein um 30 Prozent erhöht werden.

Die Wartezeiten auf eine Krankenschein-Therapie variieren zwischen den Bezirken. Durchschnittlich warte man aber, so der Präsident des Psychotherapie-Bundesverbands Peter Stippl, ganze zwei Monate auf einen Therapieplatz. Inzwischen kann die Behandlung auch per Telefon oder online bezogen werden. Die Krankenschein-Therapie wird einerseits über die Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung und andererseits über den Verein für ambulante Psychotherapie abgewickelt.

Ursache im kapitalistischen System

Anfang Oktober boten die Ergebnisse der Studie des Sora-Instituts einen Einblick in die verstärkte psychische Belastung in Zeiten der Pandemie. Demnach spielten neben der allgemeinen Ansteckungsangst v.a. sozio-ökonomische Faktoren eine Rolle bei der Psyche der Menschen, die sich in einer ubiquitären Existenzunsicherheit äußerten. Die vorgebrachten Gefühlszustände von Ängsten, Anspannungen, Freudlosigkeit, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und einem Anstieg an Suizidgedanken wurden dabei in einen ausgesprochenen Kontext zur sich weitenden Schere zwischen Arm und Reich gesetzt.

Es liegt auf der Hand, dass die horrend hohen Arbeitslosenzahlen, die nicht mehr vorhandenen Berufs- und Zukunftschancen der neuen Generationen einem System, das nicht auf das Wohl der Menschen, sondern auf die Profit- und Mehrwertauspressung ausgerichtet ist, fest eingeschrieben sind. Das Coronavirus mag diese Mechanismen beflügelt haben, tatsächlich steckt der Kapitalismus schon länger in der Krise. Auch die Kosten des neuen Lockdowns werden, so wie alle Verluste, auf die Schultern der Werktätigen abgewälzt werden. Dies wird sich wiederum auch in der Psyche der Menschen widerspiegeln.

Quellen: ORF/ZdA/ZdA

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