HomePolitikEU drängte 63-mal auf Kürzungen bei Gesundheit

EU drängte 63-mal auf Kürzungen bei Gesundheit

Eine neue Studie belegt, wie exzessiv die Kommission die Mitgliedsstaaten zu neoliberalen „Strukturreformen“ aufforderte. Neben Ausgaben für Spitäler und Co. ist den Brüsseler Bürokraten auch das Lohnwachstum ein Dorn im Auge.

Dieser Tage hört man oft, die EU habe ein Kommunikationsproblem. Ihre segensreichen Initiativen würden nicht ausreichend gewürdigt, weshalb sie unlängst öffentliche Anerkennungsbekundungen durch Staaten des Westbalkans einmahnte. Von Serbien dankbar angenommene Hilfslieferungen wie jene aus China seien hingegen eine verdammenswerte „Politik der Großzügigkeit“, wie der sozialdemokratische Außenbeauftragte Josep Borell wissen ließ.

Tatsächlich verdienen die Bemühungen der EU um das Gesundheitswesen Beachtung: Allein zwischen 2011 und 2018 forderte die Kommission 63-mal, die Ausgaben für Gesundheitsversorgung in den Mitgliedsstaaten zu senken bzw. zu privatisieren. Dies belegt eine aktuelle Studie. Hintergrund ist der „Stabilitäts- und Wachstumspakt“, der die neoliberale Austeritäts-Ideologie zum budgetären Dogma in der Eurozone erhebt. So gelten für die Haushaltsdefizite Grenzen, welche willkürlich und ohne ökonomische Grundlage eingeführt wurden. Die Möglichkeiten für Staaten, Umverteilungsmaßnahmen zu setzen, sind deutlich eingeschränkt – Ergebnis ist unter anderem, dass der Anteil von Kapitaleinkünften im Vergleich zu Arbeitseinkommen seit Jahren stark steigt.

Undemokratischer Motor des Sozialabbaus

Im Rahmen des „Europäischen Semesters“ werden Budgetpläne noch vor einer Behandlung durch die gewählten Parlamente überprüft. Die Kommission beglückt die Mitgliedsstaaten dann mit allerhand „länderspezifischen“, in Wahrheit jedoch stets gleichlautenden Empfehlungen – wie etwa Kürzungen von Gesundheitsausgaben, Drücken von Löhnen oder Ausverkauf von öffentlichem Eigentum. Wohlgemerkt: Ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium übt Druck auf gewählte Körperschaften aus, die ohnehin nirgends besonders soziale Gesetzgebung den Bedürfnissen der Märkte anzupassen. Oder in Zahlen innerhalb von 8 Jahren ausgedrückt:

  • 105-mal forderte die Kommission die Erhöhung des Pensionsantrittsalter bzw. die Kürzung der Beiträge
  • 63-mal verlangte Brüssel Ausgabenkürzungen oder Privatisierung im Gesundheitsbereich
  • 50-mal sollte das Lohnwachstum unterdrückt werden (!)
  • 45-mal gab es Druck für eine Kürzung von Arbeitslosenbezügen und Sozialleistungen

Im Schnitt empfahl die EU also alle 11 Tage, die Leistungen für Kranke und Bedürftige zurückzufahren oder Werktätigen die Löhne zu drücken. Es ist keine besonders gewagte These, dass viele der Corona-Toten in Spanien und Italien, die besonders im Visier der Fiskalwächter standen, auf diese brutale Austeritätspolitik zurückzuführen sind.

Für Österreich gab es unter anderem die (erfolgreiche) Aufforderung, die Gesundheitskosten in völliger Ignoranz der alternden Bevölkerung zu „deckeln“ und mit dem BIP-Wachstum zu beschränken. In einem Jahr mit absehbar zurückgehender Wirtschaftsleistung wäre dies absolut fatal.

Zwar ist der EU-Stabilitätspakt wegen der Corona-Krise vorübergehend aufgehoben, die dahinterstehende Ideologie wird jedoch weiterhin nicht zuletzt von der österreichischen Politik verkörpert und durchgepeitscht. Die hiesigen Parlamentsparteien haben in den letzten Jahren in unterschiedlichsten Konstellationen allesamt den Abbau von Spitalsbetten gefordert und/oder umgesetzt; allein auf Brüssel ausreden gilt für Kurz, Kogler und Konsorten mit Sicherheit nicht. 

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