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Kommunistische Kommunalpolitik: Patras und Graz

Elke Kahr, die Grazer KPÖ-Bürgermeisterin, hat den „World Mayor Prize“ (dt.: Weltbürgermeister-Preis) gewonnen. Von vielen Linken in Österreich wurde Kahr dafür gefeiert. Wir wollen uns ansehen, hat Kahr gewonnen, obwohl sie kommunistische Kommunalpolitik macht oder gerade weil sie es nicht tut. In der griechischen Stadt Patras hat Kostas Peletidis dieses Jahr seine dritte Amtszeit als kommunistischer Bürgermeister angetreten. Wir schauen uns die Kommunalpolitik der Kommunistischen Partei Griechenlands und der Kommunistischen Partei Österreichs einmal im Vergleich an, um dem Charakter ihrer Politik auf den Grund zu gehen.

Was macht die KPÖ in Graz?

Seit 1945 ist die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) durchgehend im Grazer Gemeinderat vertreten, die Konterrevolution in den sozialistischen Staaten Europas 1989 bis 1991 konnte der KPÖ nichts anhaben. Ab 1988 ist ein zunehmendes prozentuelles Wachstum der Stimmen bei den kommunalen Wahlen in Graz für die KPÖ feststellbar. Einen zu erwartenden Einbruch an Wählerinnen- und Wählerstimmen nach der Konterrevolution, wie ihn viele kommunistische Parteien erleben mussten, kennt die KPÖ in Graz nicht. Ab 1998 ist die KPÖ mit Ernest Kaltenegger, dank des Proporzsystems, an der Grazer Stadtregierung beteiligt und leitet über Jahre das Grazer Wohnbauressort. Von da an ging es dann auch steil bergauf mit der Grazer KPÖ.

„Durch praktische Basisarbeit möglichst viele Menschen davon zu überzeugen“

Was aber verhalf der KPÖ in Graz zu diesem Wachstum? Franz Parteder, Vorsitzender der steirischen KPÖ von 1991 bis 2010, beschrieb die Grazer Kommunalpolitik auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2007 in Berlin mit den folgenden Worten: „Wir stellen uns die Aufgabe, durch praktische Basisarbeit möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, daß wir uns verändern und mit dem medial vermittelten Zerrbild unserer Bewegung nichts zu tun haben. Es geht uns darum, in Betrieben und Gemeinden Namen und Gesicht zu bekommen und Teile jener Bevölkerungsschicht zu erreichen, deren Interessenvertretung von den technokratischen Modernisierungsparteien faktisch aufgegeben worden ist.“

Konkret lässt sich das gut am Beispiel Kaltenegger und der Grazer KPÖ zeigen. Kaltenegger stellte schon Ende der 80er Jahre das Thema Wohnen in den Mittelpunkt seiner Politik. Große politische Themen wie den Sozialismus oder die Solidarität mit den sozialistischen Staaten in Europa klammerte er weitestmöglich aus. Legenden zu Folge ging Kaltenegger jeden Tag durch die Wohnviertel der Arbeiterinnen und Arbeiter in Graz. Er unterhielt sich mit ihnen, lernte ihre Sorgen kennen und sie lernten ihn kennen. Als er schließlich ab 1998 Stadtrat für Wohnungsfragen war, gab er einen Großteil seines Gehaltes ab. Mit diesem Geld wurden Menschen in Notlagen unterstützt. Diese Politik wurde zum Markenzeichen der KPÖ-Kommunalpolitik. Die Mandatare und Mandatarinnen geben bis heute einen Teil ihres Gehaltes ab. Dieser Teil wird dann als Spende an Hilfesuchende verteilt. Einmal im Jahr legt die KPÖ die Konten offen und macht transparent, wie viel Geld wofür aufgewendet wurde.

Volkskomitees als Basis der Selbstorganisation

Einen anderen Weg geht die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) in ihrer Gemeinde- und Kommunalpolitik. Die KKE orientiert auf ein breites gesellschaftliches Bündnis, das „Volksbündnis“, zur revolutionären Überwindung des Kapitalismus. Daraus macht sie auch kein Geheimnis, weshalb in der bürgerlichen Presse immer wieder von der letzten stalinistischen Partei in einem europäischen Parlament die Rede ist. Die Basis des angestrebten Bündnisses sind die Volkskomitees.

Diese Volkskomitees sind nach Stadtteilen und Nachbarschaften organisiert. In ihnen haben Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Mitglieder von kämpferischen Studierendenorganisationen, Griechinnen und Griechen ebenso wie Migrantinnen und Migranten, Frauen und Arbeitslose ihren Platz. In ihnen werden Synergien zwischen den Kämpfen der Frauen, der Studierenden, der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Migrantinnen und Migranten und dem allgemeinen Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung geschaffen. Auch für Unorganisierte, Hausfrauen und Arbeitslose sind die Volkskomitees ein wichtiger Anlaufpunkt, um sich zu organisieren.

Volkskomitees als Ort der Solidarität

Die Volkskomitees dienen aber nicht nur als Ort der Organisierung, der politischen Diskussion und des Austausches, sie sind auch ein Werkzeug praktischer Solidarität. In ihrem Unterstützerinnen- und Unterstützerkreis sammeln sie Geldspenden, Nahrung, Kleidung, Medikamente und ähnliches. Damit werden all jene unterstützt, die allein nicht mehr können. Sei es auf Grund von Arbeitslosigkeit oder persönlicher Krisen.

Ihre Solidaritätsarbeit beschränkt sich dabei aber nicht auf bloße Unterstützung der Ärmsten durch Spenden und ist auch nicht auf Griechinnen und Griechen beschränkt. Droht eine Wohnungsräumung oder die Abschaltung des Stroms in einer Wohnung, sind diese Komitees beispielsweise der Ausgangspunkt zur Mobilisierung der Nachbarschaft, um das durch Blockaden zu verhindern. Für Geflüchtete organisieren sie ebenfalls Unterstützung und Rechtsberatungen.

Kostenloses Kulturangebot und Bildungsarbeit

Die Räumlichkeiten der Volkskomitees werden in vielen Fällen auch für Kultur- und Bildungsarbeit genutzt. Wie alles im Kapitalismus seinen Preis hat, kostet auch Kultur und Bildung. Hier schaffen die Volkskomitees eine Gratis-Alternative. Durch kostenlose Bildungs- und Kulturveranstaltungen wird vielen der Zugang zu etwas ermöglicht, zu dem sie ansonsten wenig bis keinen Zugang hätten. Zugleich bietet insbesondere die Kultur auch eine Möglichkeit zur niederschwelligen Politisierung der Menschen und eröffnet Räume für politische Debatten.

Kostas Peletidis: Kommunist und Bürgermeister

Kostas Peletidis wurde im Sommer 2014 inmitten der Krise in Griechenland und des künstlich erzeugten Hypes um Syriza als kommunistischer Bürgermeister gewählt. Peletidis hat in Italien Medizin studiert und arbeitete als Kardiologe. Er gewann die Wahl zum Bürgermeister in der Stichwahl mit 63,51 Prozent der Stimmen. 2023 wurde er zum dritten Mal in Folge zum Bürgermeister von Patras gewählt.

Seit dem Sommer 2014 erlangte Peletidis in Griechenland und darüber hinaus große Bekanntheit. Er steht stellvertretend für die Verbindung von revolutionärer Politik mit den täglichen Sorgen der Menschen durch die Kommunistische Partei Griechenlands. Eine seiner ersten Maßnahmen als Bürgermeister war die Verteilung von Bezugsscheinen für die Ernte von Oliven auf städtischen Olivenplantagen. Nach einer Prüfung der Lebensumstände wurden Bedürftigen und Menschen ohne oder mit geringem Einkommen eine Lizenz zum Olivensammeln ausgestellt.

Gegen jeden Widerstand

Es dauerte nicht lange, da erhielten diese Menschen Besuch von Priestern, die sie unter Verwünschungen dazu aufforderten, das sammeln von Oliven auf den Plantagen einzustellen. Gleichzeitig verhaftete die Polizei Sammlerinnen und Sammler trotz Lizenz.

In den Jahren zuvor hatten nämlich Polizei und Kirche ohne Lizenzen die Oliven auf den öffentlichen Plantagen gesammelt. Dazu war extra ein externes Unternehmen angestellt und die Gewinne daraus eingestreift worden. Der Bürgermeister intervenierte höchstpersönlich. Er holte die Menschen aus den Gefängnissen. Am Ende zwang er Polizei und Kirche zum Eingeständnis, jahrelang ohne Genehmigung von öffentlichem Eigentum profitiert zu haben. Besuche durch Priester oder Verhaftungen durch die Polizei gibt es seitdem nicht mehr.

Im Jahr seiner Amtsübernahme sollten im Rahmen, der von SYRIZA durchgesetzten Sparmaßnahmen tausende städtische Bedienstete in ganz Griechenland entlassen werden. Zu diesem Zweck sollte eine Beurteilung vorgenommen werden und die relativ schlechtesten von ihnen unabhängig von der tatsächlichen Qualifikation oder Arbeitsleistung entlassen werden. Peletidis weigerte sich die Maßnahme umzusetzen. Von der Staatsanwaltschaft wurde er dafür angeklagt. Der kommunistische Bürgermeister ließ sich davon nicht einschüchtern. Er vertrat den Standpunkt, dass die überprüften mit legalen Dokumenten und teilweise nach Ableistung von Prüfungen eingestellten Beamten ihrerseits ein vertragliches Recht auf ihre Beschäftigung haben.

Ein zweiter Prozess gegen ihn wurde von der mittlerweile verbotenen faschistischen Partei Goldene Morgenröte eingeleitet. Sie warf ihm Pflichtverletzung vor, weil er den Faschisten einen Raum der Gemeinde für eine Veranstaltung verweigerte. Er gewann und verteidigte sich damit, dass es einen Beschluss des Gemeinderats gab.

Verbindung mit dem Volk

Die Kommunistische Partei Griechenlands verbindet ihre kommunale Politik erfolgreich mit den täglichen Bedürfnissen der Menschen und einer revolutionären Politik, deren Ziel die Organisation und der Kampf gegen den Kapitalismus ist.

Peletidis führte eine Armenspeisung und kostenloses Schulessen ein. Es gelang ihm bereits in seiner ersten Amtszeit Projekte umzusetzen, die sein Vorgänger auf Grund der hohen Kosten nicht umsetzen konnte, wie die Reinigung des städtischen Strands und die Sanierung der Uferpromenade. Anstatt diese Arbeiten durch externe private Firmen durchführen zulassen, setzte er dafür den eigenen öffentlichen Dienst ein. Es gelang ihm so nicht nur wichtige Projekte umzusetzen, sondern die Ausgaben der Stadt sogar zu senken.

Kommunistische und sozialdemokratische Kommunalpolitik

Peletidis setzte sich aber nicht nur für die Grundbedürfnisse der Menschen ein. Seit vielen Jahren führt er eine Massendemonstration gegen Arbeitslosigkeit von Patras nach Athen an. Er hatte die Demonstration nicht nur mit initiert, er kann sich dabei auch auf die enge Verbindung der KKE mit dem Volk stützen, deren Basis die Volkskomitees sind. Diese Volkskomitees sind nicht nur Basis der Mobilisierung, mit der Organisation der Nachbarschaften und Stadtviertel sind sie zugleich auch die Basis einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft. So stützen sich die Wahlerfolge der Kommunistinnen und Kommunisten in Griechenland nicht darauf, dass sie gewählt werden, obwohl sie eine Kommunistische Partei sind. Vielmehr wählt man sie, weil sie Kommunistinnen und Kommunisten sind.

Die Kommunistische Partei Österreichs hat nichts Vergleichbares vorzuweisen. Ihre Politik stützt sich auf eine Mischung sozialdemokratischer Stellvertreter- und von der Caritas inspirierter Almosenpolitik. Sie werden gewählt, obwohl sie sich kommunistisch nennen. Die logische Konsequenz ist dann auch, dass sich Elke Kahr im ORF von der Forderung nach einem EU-Austritt distanziert. Dieser finde sich zwar im Programm der steirischen Landesorganisation der KPÖ, sie sei aber Kommunalpolitikerin und wolle damit nichts zu tun haben. Der Salzburger KPÖler Kay Michael Dankl geht da noch weiter. Er bezeichnete Kuba als Diktatur und forderte Unterstützung für die Ukraine-Politik der NATO und der EU.

Es ist also nur konsequent, wenn Elke Kahr den World Mayor Prize erhält. Sie ist für das Kapital eine nützliche Stütze des bestehenden Systems und stärkt die Illusionen in dieses. Die Legende von Kaltenegger, der den Kontakt zu den Menschen gesucht hat, als Schlüssel zum Erfolg ist nur ein Mosaikstein. Dieser impliziert nichts anderes als dass die KPÖ, als sie noch eine revolutionäre Partei war, abgehoben und vom Volk isoliert gewesen wäre.

Zugleich zeigt es, dass es für Kommunistinnen und Kommunisten keinen schnellen Weg zum Erfolg geben kann. Wahlerfolge, die sich nicht auf eine mühsame und langwierige Organisation der Menschen am Arbeitsplatz, auf den Unis, in den Schulen und den Wohnvierteln stützen, stehen auf tönernen Füßen. Das Beispiel SYRIZA zeigt zugleich, wie schnell es mit dem Aufstieg der KPÖ auch wieder vorbei sein könnte. 

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