Die geplanten Sparmaßnahmen von FPÖ und ÖVP scheinen eher populistisch motiviert, ohne eine klare Strategie für die langfristige wirtschaftliche Stabilität und die Auswirkungen auf die Bevölkerung zu berücksichtigen. Während sie vorgeben, Steuererhöhungen zu vermeiden, setzen sie auf undurchdachte Kürzungen in Bereichen wie Sozialleistungen und der Förderung von Nachhaltigkeit, was die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit verschärft.
Wien/Brüssel. Um ein drohendes EU-Defizitverfahren zu vermeiden, was das erklärte Ziel von FPÖ und ÖVP ist, muss eine zukünftige Regierung noch in diesem Jahr einen Konsolidierungsbetrag von 6,3 Milliarden Euro erzielen und bis 2031 insgesamt 18 Milliarden Euro einsparen. Sonderbar, wie man einem Land zu diesem Zeitpunkt Einsparungsnotwendigkeit einredet, wo Inflation und Teuerung voranschreiten, die Lebenshaltungskosten steigen und Normalverdiener schon nicht mehr weiter wissen. Aber von Regierungen des Kapitals ist nichts anderes zu erwarten: Anstatt in Arbeitsplätze zu investieren, rechtfertigt man nun Einsparungen mit der Angst vor einem ominösen Defizitverfahren. Am Ende ist es die Frage, ob man die Peitsche aus der Hand gibt oder sich in Selbstkasteiung übt – auch wenn die Peitsche ja doch die Werktätigen und ärmeren Volkssichten zu spüren bekommen. Dass die Peitsche zu diesem Zeitpunkt völlig deplatziert ist, steht wohl außer Frage.
Für FPÖ und ÖVP sieht das anders aus. FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs und ÖVP-Klubobmann August Wöginger stellten am Donnerstag erste Informationen zu bevorstehenden Sparmaßnahmen in Österreich vor. Geplant ist unter anderem die Abschaffung des Klimabonus als größte Einsparung, ebenso wie die Streichung der Bildungskarenz. Das Klimaticket soll erhalten bleiben, allerdings wird das Gratisklimaticket für 18-Jährige nicht mehr angeboten. Auch im Gesundheitssystem sind laut einem der EU-Kommission übermittelten Dokument Einsparungen vorgesehen. Konzerne dürfen aufatmen.
Auswirkungen auf Photovoltaikanlagen und Verwaltung
Mit dem vorgestellten Maßnahmenpaket planen FPÖ und ÖVP, noch in diesem Jahr 6,4 Milliarden Euro einzusparen, um ein EU-Defizitverfahren abzuwenden. FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs hob zu Beginn das Einsparungspotenzial in der Verwaltung hervor, das bei 1,1 Milliarden Euro liegen soll. Betroffen sind unter anderem Ministerien, Regierungsinserate, Werkverträge und politische Kabinette. Die Entscheidung, wo konkret gespart wird, liege jedoch bei den jeweiligen Ressorts, erklärte Fuchs.
Als weiteren Schwerpunkt planen FPÖ und ÖVP, Schlupflöcher im Steuersystem zu schließen, was bis 2025 Einnahmen von 920 Millionen Euro generieren soll. Ein Beispiel dafür ist die Abschaffung des Nullsteuersatzes für Photovoltaikanlagen, der ursprünglich bis Ende des Jahres gegolten hätte. Photovoltaikanlagen sollen künftig wieder mit 20 Prozent Umsatzsteuer belegt werden, was laut FPÖ und ÖVP allein in diesem Jahr 175 Millionen Euro einbringen soll. Zusätzlich soll der sogenannte „Standortbeitrag“ der Energiewirtschaft, eine Verlängerung des Energiekrisenbeitrags, weitere 100 Millionen Euro generieren.
Tabak, Glücksspiel und Digitalwirtschaft
Höhere Steuern sind auch im Bereich Tabak und Glücksspiel geplant. Bei der Tabaksteuer soll eine Fixierung der Preiskomponente zusätzliche Einnahmen von 25 Millionen Euro bringen. Außerdem soll „Tabak zum Erhitzen“ in die Steuerregelung aufgenommen werden, was weitere 25 Millionen Euro einbringen soll. Im Glücksspielbereich rechnen FPÖ und ÖVP mit einem Einnahmenzuwachs von zehn Prozent, was etwa 35 Millionen Euro entspricht.
Die Digitalsteuer soll erweitert werden, um zusätzliche Einnahmen von 50 Millionen Euro zu generieren. Sie soll künftig auch die Bereitstellung von Onlineplattformen sowie den Verkauf von Nutzerdaten umfassen. Zudem ist ein Lückenschluss bei der Grunderwerbssteuer geplant, der ebenfalls 50 Millionen Euro einbringen soll. Bisher galt ein ermäßigter Steuersatz, wenn nicht direkt ein Grundstück, sondern eine Gesellschaft, die das Grundstück besitzt, erworben wurde. Dieses Schlupfloch soll nun geschlossen werden.
Kürzungen bei Förderungen und Gebührenanpassungen
FPÖ und ÖVP planen, 520 Millionen Euro durch die Kürzung oder Nichtausschöpfung von Maßnahmen wie dem Handwerkerbonus und der Investitionsprämie einzusparen. Zusätzlich sollen bei der Breitbandförderung weitere 150 Millionen Euro gekürzt werden. Durch eine striktere Umsetzung des Betrugsbekämpfungsgesetzes erwarten die Parteien außerdem Mehreinnahmen von rund zehn Millionen Euro.
Auch die Anpassung der Bundesgebühren, die seit 2020 nicht mehr erhöht wurden, steht auf der Agenda. Diese Nachholung der Valorisierung soll laut FPÖ und ÖVP insgesamt 65 Millionen Euro einbringen. Dadurch würden Gebühren für Leistungen wie Reisepässe, Zulassungsscheine und Führerscheine, die eh schon sehr hoch in Österreich angelegt sind, spürbar steigen.
ÖVP-Klubobmann August Wöginger erläuterte anschließend Details zur Ausgabeneffizienz, bei der er ein Sparpotenzial von 240 Millionen Euro sieht. Bezüglich des Pensionsantrittsalters erklärte Wöginger, dass keine Erhöhung geplant sei. Stattdessen sollen Maßnahmen für ältere Beschäftigte – etwa Umschulungen – dazu beitragen, das tatsächliche Pensionsantrittsalter schneller an das gesetzliche heranzuführen.
Laut Wöginger denkt die ÖVP auch über die Einführung einer Teilpension nach. Diese würde es ermöglichen, über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus zu arbeiten und gleichzeitig einen Teil des Ruhensbezuges zu erhalten. Das gesamte Pensionspaket könnte laut Wöginger Einsparungen in Höhe von 150 Millionen Euro bringen.
Umweltförderungen beschnitten, Gratisklimaticket und Klimabonus fallen weg
Ein weiterer wesentlicher Einschnitt betrifft die Förderungen. Die Umweltförderungen sollen um 20 Prozent gekürzt werden, was eine Einsparung von 495 Millionen Euro zur Folge hätte. Dies könnte zum Beispiel durch eine reduzierte Förderung beim Heizkesseltausch geschehen. Dennoch würden laut dem ÖVP-Fraktionschef immer noch zwei Milliarden Euro in den Fördertöpfen verbleiben. Das einmalige Gratisklimaticket für 18-Jährige wird abgeschafft, was eine Einsparung von 120 Millionen Euro zur Folge hat. Das kostenpflichtige Klimaticket bleibt jedoch erhalten. Die größte Einsparung wird jedoch durch die Streichung des Klimabonus erzielt, von dem FPÖ und ÖVP ab diesem Jahr 1,96 Milliarden Euro erwarten. Der CO2-Preis jedoch bleibt, wodurch man es mit einer neuen Steuer durch die Hintertür zu tun hat – ohnehin war der Klimabonus ja nur ein karges Palliativum, um die von Grünen und ÖVP angeheizte Teuerung zu bemänteln.
Auch teilstaatliche Unternehmen sollen ihren Beitrag leisten. Es werden zusätzlich 430 Millionen Euro aus Dividenden erwartet. Zudem erhofft man sich 120 Millionen Euro durch Umschichtungen im ÖBB-Rahmenplan, was vermutlich zu Verzögerungen bei Projekten führen wird.
Was ist mit der Bildungskarenz?
FPÖ und ÖVP planen, die Bildungskarenz abzuschaffen, was eine Einsparung von 350 Millionen Euro zur Folge haben soll. Die Abschaffung der Bildungskarenz kann jedoch ohnehin nicht sofort inkrafttreten, da hierfür eine Gesetzesänderung durch das Parlament erforderlich ist. Je nachdem, wie lange die Koalitionsverhandlungen dauern und ob übliche Fristen für die Begutachtung eingehalten werden, könnte es noch einige Wochen bis Monate dauern, bis die Regelung tatsächlich ausläuft. Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration bei der Arbeiterkammer (AK), weist darauf hin, dass es bei der Beendigung von Regelungen üblicherweise eine Übergangsfrist gibt. Ob eine solche Frist eingeführt wird und wie lange sie dauern könnte, steht noch nicht fest, jedoch rechnet sie nicht vor Mitte des Jahres mit einem endgültigen Aus.
Hofbauer empfiehlt in diesem Kontext allen, die für 2025 eine Bildungskarenz geplant haben, besonders vorsichtig zu sein, sowohl bei der Vereinbarung mit dem Arbeitgeber als auch bei der Anzahlung für Weiterbildungskurse. Sie rät, in der schriftlichen Vereinbarung mit dem Unternehmen eine Klausel aufzunehmen, die besagt, dass die Karenz nur dann stattfindet, wenn auch Weiterbildungsgeld bezogen werden kann, um sich abzusichern.
Arbeitslose dürfen nichts dazuverdienen
Arbeitslose sollen künftig weitgehend nicht mehr zum Arbeitslosengeld oder zur Notstandshilfe dazuverdienen dürfen. Wie genau diese Maßnahme das Budget beeinflussen wird, wurde in der Pressekonferenz jedoch nicht näher erläutert, weshalb die Maßnahme auch objektiv als gänzlich sinnlos zu erachten ist.
Das Aussetzen der jährlichen Valorisierung der Sozialleistungen ist laut dem ÖVP-Klubchef für dieses Jahr kein Thema. Diese Frage sei bereits Teil der Verhandlungen mit der SPÖ und den NEOS gewesen.
Entwicklung, Kunst, Sport und Non-Profit-Organisationen müssen den Gürtel enger schnallen
In der Pressekonferenz von Fuchs und Wöginger wurden bestimmte Sparmaßnahmen zwar nicht angesprochen, finden jedoch in dem an die EU übermittelten Dokument zur Vermeidung eines Defizitverfahrens Erwähnung. Dazu gehören Kürzungen bei Programmen zur ländlichen Entwicklung, für den Sport und Non-Profit-Organisationen (NPOs), einschließlich der Entwicklungshilfe, sowie bei Kunst- und Digitalisierungsprojekten. Auch in diesen Bereichen sollen Einsparungen vorgenommen werden.
Auch der Waldfonds, ein Projekt zur Unterstützung von Naturschutz und Holzwirtschaft, soll von Kürzungen betroffen sein. Zusätzlich sind Einsparungen bei den administrativen Assistenzkräften zur Lehrerentlastung an öffentlichen allgemeinbildenden Pflichtschulen („Administratoren APS“) vorgesehen.
Aus dem kaputtgesparten Gesundheitssystem ist immer noch was zu holen
Auch das Gesundheitssystem wird in dem Dokument zur Vermeidung eines Defizitverfahrens erwähnt, jedoch nicht in der Präsentation von Fuchs und Wöginger. Im Bereich Gesundheit sind Einsparungen von insgesamt 320 Millionen Euro vorgesehen. Während bei den anderen Einsparungsposten in dem Brief an den zuständigen EU-Kommissar Valdis Dombrovskis jeweils eine genauere Erläuterung enthalten ist, fehlt eine solche Erklärung bei den geplanten Gesundheitsmaßnahmen.
In Bezug auf das Gesundheitssystem gibt es im Dokument nur zwei Überschriften. Eine besagt, dass eine Anpassung der Krankenversicherungsbeiträge geplant ist, was Einsparungen von 270 Millionen Euro bringen soll. Ein weiterer Posten nennt ein Einsparpotenzial von 50 Millionen Euro, wobei die Verhandler von der Schließung von Lücken in der (vermutlich finanziellen) Abdeckung der Krankenversicherung sprechen. Genauere Details zu diesen Maßnahmen fehlen jedoch.
Laut Informationen des Standard könnte es bei den geplanten Sparmaßnahmen beim Punkt Gesundheitsversicherung um eine Erhöhung der Beiträge von Pensionistinnen und Pensionisten zur Krankenversicherung gehen. Der derzeitige Beitragssatz von 5,1 Prozent könnte auf sechs Prozent angehoben werden. Diese Maßnahme war bereits Teil der Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos in einem Gesamtpaket und dürfte nun übernommen werden. Im Rahmen der Dreierkoalition war geplant, diese Erhöhung durch Entlastungen bei Rezeptgebühren für Pensionisten auszugleichen. Der Beitrag der Rentner würde sich damit dem Satz der Beschäftigten und Selbstständigen angleichen, die bereits mehr als sechs Prozent zahlen. Auf Anfrage verwies die ÖVP auf das Finanzministerium, während die FPÖ noch nicht reagiert hat.
Laut einer Anfrage bei der APA erklärte das Finanzministerium, dass die genannten Posten tatsächlich in Brüssel besprochen wurden. Welche konkreten Maßnahmen letztlich ergriffen werden, sei jedoch noch Gegenstand der laufenden Verhandlungen.
Man beugt sich so oder so der EU (und den Konzernen)
Die FPÖ verfolgt mit der Strategie zur Vermeidung eines EU-Defizitverfahrens das Ziel, sich gegen „Fremdbestimmung und Bevormundung durch Brüssel“ zu wehren, trotzdem fühlt es sich wie ein Schwanzeinziehen vor der EU an. Trotz der EU-Kritik, die man vonseiten der FPÖ manchmal hört, beugt man sich mit einem so gearteten Maßnahmenpaket im Grunde einem jahrzehntelangen Diktum der EU, das Sozialabbau, Beschneidung der Arbeiterrechte und Schuldeneintreibung bei den Werktätigen und Arbeitslosen vorschreibt, damit Konzernbosse weiterhin auf nichts verzichten müssen, was ihrem Lebensstandard abträglich wäre.
Hier kommt natürlich auch die Befürchtung der Parteien zur Geltung, dass ein schlechtes Rating von internationalen Agenturen negative Konsequenzen für Unternehmen sowie private Kreditnehmer haben könnte. Kürzlich hatte die Ratingagentur Fitch den Ausblick für Österreich von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt. Ein EU-Defizitverfahren würde im Übrigen den Sparstift auch genau bei den Werktätigen ansetzen, wie man das recht deutlich bei früheren Verfahren solcher Art gesehen hat.
Es ist erneut ein klassisches Bild: Die Reichen und Wohlhabenden bleiben von den Sparmaßnahmen unberührt, während es wieder einmal die ärmeren Schichten trifft. Geringverdienerinnen und ‑verdiener, Arbeiterinnen und Arbeiter sowie insgesamt sozial schwächere Gruppen müssen die Last tragen, sei es durch Kürzungen bei Sozialleistungen, höheren Gebühren oder reduzierten Förderungen. Statt die großen Vermögen und Konzerngewinne stärker zu besteuern, wird die finanzielle Verantwortung auf die Schultern derer gelegt, die ohnehin schon am meisten kämpfen müssen. Ein systemisches Ungleichgewicht, das die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufklaffen lässt. Zudem fällt die beinahe Deckungsgleichheit der angestrebten Einsparungen mit den Kosten des Kriegsprojekts Sky Shield ins Auge: Bei beiden handelt es sich um rund sechs Milliarden Euro. Aber offenbar ist eine Militärinitiative, die im schroffen Gegensatz zur Neutralität des Landes steht, dann doch wichtiger als alles andere. Sky Shield bleibt unangetastet.
Quelle: ORF / Kleine Zeitung / Standard / Standard