HomeWeitere RessortsKommentarArme Leonie. Ein paar Worte zu Afghanistan

Arme Leonie. Ein paar Worte zu Afghanistan

Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

Der fünfzehnte Frauenmord in diesem Jahr. Ein dreizehnjähriges Mädchen, das mit schweren Misshandlungsspuren an einen Baum in Wien-Donaustadt gelehnt wurde. Leonie ist ihr Name. Als Verdächtige wurden zwei afghanische Jugendliche festgenommen, der eine sechzehn, der andere achtzehn Jahre alt, nach einem weiteren möglichen Mittäter wird von der Polizei gefahndet.

Leonie ging angeblich freiwillig mit in die Wohnung eines der Burschen, vielleicht hat sie sie ja auch nicht zum ersten Mal getroffen. Drogen dürften im Spiel gewesen sein, vielleicht auch nicht zum ersten Mal. Einer der jungen Männer ist bereits einschlägig vorbestraft, sowohl wegen Drogen‑, als auch wegen Gewaltdelikten.

Der tragische Tod von Leonie wird zum Brennpunkt der Abschiebungsdebatte: Sollen straffällig gewordene Jugendliche in ihre Heimatländer abgeschoben werden, auch wenn dort Bürgerkrieg herrscht? ÖVP, FPÖ und mit ihnen der Boulevard nutzen diesen Fall sofort dazu, generell Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Der Subtext lautet: Lauter Kriminelle, die da zu uns kommen. Mit Fakten ist diese Hetze nicht belegbar. Es gibt zwar bei Jugendlichen aus Afghanistan einen höheren Anteil an Vorbestraften als bei anderen Gleichaltrigen, aber dieser liegt bei etwa drei Prozent.

Freilich kommen junge Männer aus Afghanistan sehr häufig mit einem eigenartigen Bild von Frauen hierher. Dieses Bild ist geprägt durch eine Gesellschaft, in der die Taliban und andere religiöse Eiferer bestimmen. Mädchen wird der Schulbesuch verwehrt, sie werden als minderwertig behandelt, Frauen als Eigentum der Männer betrachtet. 

Das war auch in Afghanistan nicht immer so. Mit einer Bodenreform und der Enteignung der Großgrundbesitzer, mit der Schaffung eines laizistischen Staates existierte von 1978 bis 1992 mit Unterstützung der Sowjetunion die „Demokratische Republik Afghanistan“. Trotz vieler Fehler und Irrwege gab es in dieser Zeit eine Freiheit, die es vorher und nachher nicht gab. Frauen mussten nicht verschleiert herumlaufen, es wurden ihnen alle staatsbürgerlichen Rechte gleich den Männern gewährt, Mädchen gingen zur Schule und hatten auch Zugang zu höherer Bildung.

Der islamistische Klerus war gemeinsam mit den enteigneten Großgrundbesitzern aufs Schärfste gegen diese neue Gesellschaft. Dieser reaktionäre Widerstand wurde aus den USA und auch aus Westeuropa unterstützt, weil es gegen die Antiimperialisten und Kommunisten ging. Von Pakistan aus wurden die klerikalen Söldnertruppen ausgebildet und mit modernsten US-amerikanischen Waffen in einen Bürgerkrieg in die Provinzen Afganistans geschickt. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen 1989 hielt sich die laizistisch-antiimperialistische Regierung noch drei Jahre und wurde schließlich von den Mudschaheddin, einer multinationalen Söldnertruppe, die auch aus Pakistan und Saudi-Arabien unterstützt wurde, überrannt. Wechselnde islamistische Kräfte regieren seither und verbreiten ihre reaktionäre und frauenverachtende Ideologie. Gekämpft wird mit westlichen Waffen, und auch die NATO ist immer noch im Land. Jahrzehntelange Bürgerkriege haben das Land verwüstet.

Wen wundert es da, dass junge Männer auf die Reise in ein vermeintlich besseres Leben nach Europa geschickt werden. Junge Männer, deren Gesellschafts- und Frauenbild von den klerikal geprägten Ideologien stammt, die seit Jahrzehnten die afghanische Gesellschaft zersetzen.

Dass sich unter diesen auch Gauner und Diebe befinden, ist jetzt nicht weiter überraschend, diese gibt es in der einheimischen Bevölkerung auch, sogar bis in höchste Kreise. Anstatt aber mit stumpfsinnigem Nichtstun gestraft zu sein, sollte jungen Männern, die auf ihren Asylbescheid warten, Arbeit und Bildung ermöglicht werden. Dabei sollte auch vermittelt werden, dass die Errungenschaften, die es in unserer Gesellschaft im Vergleich zu den klerikal-faschistischen Systemen, die auch bei uns in den 1930ern des vorigen Jahrhunderts noch herrschten, wichtig und verteidigenswert sind. Das bedeutet eben auch, dass Frauen nicht Freiwild und nicht Besitz des Mannes sind, sondern das Recht auf ein souveränes und selbstbestimmtes Leben haben. Gleichzeitig muss ihnen klargemacht werden, dass Kriminelle wieder des Landes verwiesen werden, wobei ein Unterschied zu machen ist, ob jemand aus Hunger und Verzweiflung Essen stiehlt oder ob jemand mit Drogen dealt, Einbrüche durchführt und Frauen attackiert.

Das Menschenrecht auf Asyl wird ohnehin schon sehr selektiv gewährt. Der Tod von Leonie sollte aber nicht Anlass dafür sein, Schutzbedürftigen Hilfe zu verweigern.

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