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Friedenspanzer am Weg nach Stalingrad

Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

Bei der olivgrünen BRD-Außenministerin Annalena Baerbock sitzen Waffen und Worte locker: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“, verkündete sie am vergangenen Dienstag im Straßburger Europarat. Üblicherweise weisen Kriegserklärungen – selbst deutsche – ja ein wenig mehr offizielle Formalität auf als ein geschnatterter Halbsatz. Und ein geringeres Ausmaß einseitiger Dialogfeindlichkeit: Früher wurde man wenigstens noch der Form halber gefragt, ob man den totalen Krieg wolle; heute wollen PR-Trommelfeuer, manipulative Propaganda und faktisch gleichgeschaltete Massenmedien ein Nein nicht einmal mehr rhetorisch als theoretische Überlegung zulassen. Unwissenheit ist Stärke. Krieg ist Frieden.

Frieden durch Kriegseskalation?

Gleichzeitig lässt Kriegskanzler Scholz die Leoparden frei, nachdem dies lange und intensiv genug als alternativlos herbeigelogen wurde. 80 Jahre nach der Niederlage bei Stalingrad rollen deutsche Kampfpanzer wieder an die Ostfront, der kriegsparteiliche Graubereich der BRD wird endgültig feldgrau – womit Baerbock denn doch recht hatte: Der Stellvertreterkrieg wird zunehmend direkter. Am Weg zur Eskalation wird bedenkenlos durchmarschiert, aus Kiew trudelt schon die nächsten Forderungsliste ein: Langstreckenraketen, Kampfjets, U‑Boote. Denn Selenskyj muss in seiner Rolle ja weiterhin fabulieren, die ukrainische Armee könne – bei ausreichender Aufrüstung und Finanzierung durch den Westen – die russische besiegen und die Grenzen von 2014 wiederherstellen. Das ist freilich nicht nur unrealistisch, sondern schlichtweg unmöglich. Daran ändern 14 Kampfpanzer der Bundeswehrmacht gar nichts, auch nicht 100 Leopard-2-Tanks aus anderen NATO-Staaten.

Trotzdem steht die Behauptung, Frieden in der Ukraine könne es nur durch den vollständigen militärischen Sieg über Russland geben. Das bedeutet u.a. Folgendes: Seitens der NATO gibt ein keine Verhandlungsoption, sondern man wollte und will diesen Krieg. Selenskyj wiederholt immer wieder, selbst ein Waffenstillstand wäre nur denkbar, wenn sich die russische Armee vollständig auf das Staatsgebiet der Russischen Föderation vor 2014 zurückzieht – eine absurde Position, denn ein Waffenstillstand, als Vorbedingung von Verhandlungen, findet nun mal an der zum fraglichen Zeitpunkt gegebenen Frontlinie statt. Der Vorwand, dass Russland nicht zu Friedensverhandlungen bereit sei, ist daher eben genau das: ein Vorwand. Tatsache ist, dass der Krieg bereits im März 2022 beendet hätte werden können, doch die ukrainisch-russischen Vereinbarungen von Istanbul wurden vom Westimperialismus nicht goutiert: Man sei nicht bereit für einen Frieden, ließ Großbritannien im Auftrag der USA in Kiew wissen. In der Zwischenzeit ist es allerdings wirklich schwieriger geworden, mit Russland eine Friedenslösung zu finden, in jedem Fall wird der Preis teurer geworden sein.

Logik des imperialistischen Krieges

Das hat nicht nur mit der Eskalation, sondern auch mit der Vorgeschichte des Konflikts zu tun, in der sich die USA, die NATO und die EU nicht gerade als vertrauenswürdige Partner Russlands erwiesen haben. Die Problematik der NATO-Osterweiterung bis an die russische Grenze ist hinlänglich bekannt, da man Russland das Gegenteil versprochen und eben nicht eingehalten hatte. Es folgte der Völkerrechts- und Tabubruch des NATO-Angriffskrieges auf Jugoslawien 1999 – bezüglich BRD ebenfalls unter Rot-Grün –, womit man in Washington und Brüssel ein entsprechendes Zeichen setzen wollte: Wir scheren uns nicht um internationales Recht, um die europäische Sicherheitsarchitektur – und auch nicht um die Wahrheit. Der Maidan-Putsch in Kiew 2014 zerstörte die guten ukrainisch-russischen Beziehungen, die Repression gegen die russischsprachige Bevölkerung führte zur Lostrennung der Krim und zur Unabhängigkeitserklärung der Volksrepubliken von Donezk und Lugansk. Dass die ukrainische Armee samt Faschistenanhang daraufhin die Bevölkerung des Donbass für acht Jahre mit einem täglichen Bombenhagel eindeckte, durfte man vor ein paar Jahren sogar noch in der A- und BRD kritisieren, heute ist es vergessen, weil es vergessen sein muss. Dann sind da wahrlich nicht zuletzt die Minsker Abkommen, die eine friedliche Lösung im Bürgerkrieg ermöglichen sollten und es vielleicht auch tun hätten können. Zumindest dann, wenn sie nicht von Anfang an von den USA, der NATO und Kiew hintertrieben worden wären. Angela Merkel plauderte kürzlich aus, dass es bei dieser Scheinvereinbarung lediglich darum ging, Zeit für die Aufrüstung der Ukraine zu gewinnen, die ein Aufmarschgebiet gegen Russland werden sollte.

Und das ist der Punkt, an dem man in Moskau beschlossen hat, nicht weiter zuzusehen: Es folgten der russische Einmarsch in die VR-Gebiete des Donbass sowie Angriffe auf die Ukraine – aus russischer Sicht ein Präventivkrieg, der dem NATO-gestützten Überfall auf Donezk, Lugansk und die Krim zuvorkommen sollte, deren Rückeroberung auf der Agenda Kiews stand. Das sind die Vorgeschichte und die Logik des gegenwärtigen Krieges, der keineswegs vom heiteren Himmel fiel. Insofern ist das Vorgehen Russlands auch erklärbar, nämlich wirklich erklärbar – über die infantile Nichterklärung hinaus, Putin sei eben böse: Man wollte es nicht mehr zulassen, dass die USA Verträge nicht einhalten, dass die NATO ihre militärischen Potenzen weiterhin an den russischen Grenzen verstärkt, dass die gesamte Ukraine als Einflussgebiet oder wenigstens Pufferzone an die NATO verlorengeht. Doch nur weil etwas erklärbar ist, heißt das noch nicht, dass es auch zu rechtfertigen ist. Denn es sind imperialistische Interessen, die das Handeln Russlands bestimmen.

Kapitalismus bedeutet Krieg, Sozialismus bedeutet Frieden

Daher ist es beiderseits ein imperialistischer Krieg, den man aus Sicht der Arbeiterklasse und der kommunistischen Bewegung nicht beschönigen oder gar gutheißen kann. Es ist nicht zulässig, für eine der beiden Seiten Partei zu ergreifen. Wenn zwei imperialistische Räuber um die Beute streiten, dann geht das die Kommunistinnen und Kommunisten nichts an, egal ob in Russland, in der Ukraine, in einem NATO-Staat oder in einem neutralen Land. Es ist nicht unser Krieg – im Gegenteil: Die Arbeiterklasse der Ukraine und Russlands wird für die rücksichtslosen Ziele des Imperialismus als Kanonenfutter auf die Schlachtfelder geschickt, die Arbeiterklasse Europas soll dafür bezahlen, im wörtlichen Sinn sowie durch Entbehrungen und Armutsentwicklungen im Zuge der Sanktionspolitik und der Kriegswirtschaft. Der Hauptfeind der Arbeiterinnen und Arbeiter steht immer im eigenen kapitalistischen Land – gegen ihn sind die Waffen zu richten, um den Frieden zu erzwingen und schließlich die Unterdrückung und Ausbeutung, die Kriegstreiberei und Krisenwirtschaft zu beenden. Dies mag nach einem fernen Ziel klingen, doch es ist die einzige Alternative zur kapitalistischen und imperialistischen Barbarei, die in Zeiten des Krieges wieder rascher aktuell wird: Kapitalismus bedeutet Krieg, Sozialismus bedeutet Frieden.

Der beste Beweis hierfür sind Russland und die Ukraine selbst, denn die Völker der UdSSR lebten im 20. Jahrhundert für 70 Jahre untereinander in Frieden, Freundschaft und Solidarität. Die wahre „Zeitenwende“ geschah 1989–1992 mit dem konterrevolutionären Ende der sozialistischen Staaten in Europa und der Auflösung der Sowjetunion. Durch die Existenz des mächtigen sozialistischen Lagers war der westeuropäische Imperialismus ab 1945 zum Frieden gezwungen – und dieser Frieden war in den 1990er Jahren schlagartig vorbei, dafür stehen die Kriege in Jugoslawien sowie die militärischen Auseinandersetzungen in und zwischen ehemaligen Sowjetrepubliken, bis hin zum nunmehrigen Ukrainekrieg. Dem Imperialismus war es seither möglich, sein repressives und aggressives Wesen wieder weitgehend uneingeschränkt und global zu entfalten, was v.a. die NATO und die USA ausnutzten, wie die durchwegs völkerrechtswidrigen Angriffskriege und Stellvertreterkriege in Afghanistan, dem Irak, in Libyen, Syrien oder dem Jemen zeigen. Wir befinden uns in einer Phase der imperialistischen Neuaufteilung der Welt und des Kampfes um die Hegemonialposition.

Innerimperialistische Konfliktlinien und deren Konsequenzen

Die USA sind es auch, die das größte Interesse am Ukrainekrieg haben. Sie verfolgen mehrere Ziele: In wirtschaftlicher Hinsicht befindet sich die Führungsmacht im Abstieg, doch durch den Konflikt ergeben sich neue Profite. Man verkauft z.B. teures Frackinggas an europäische Länder, nachdem diese gezwungen wurden, die Handelsbeziehungen mit Russland zu reduzieren oder gänzlich abzubrechen – das wäre vor kurzem noch undenkbar gewesen, nicht zuletzt angesichts der ökologischen Problematik und Krisen. Noch viel mehr profitiert die Rüstungsindustrie: Alle Waffen und Rüstungsgüter, die in der Ukraine „verbraucht“ werden, sowie jene, die aus europäischen Arsenalen in die Ukraine geliefert werden, müssen ersetzt werden. Vor diesem Hintergrund wird es eine Aufrüstungsspirale zuvor ungeahnten Ausmaßes geben. Zudem gelingt es den USA, durch die gemeinsame Frontstellung gegen Russland die europäischen Verbündeten bei der Stange zu halten – alle Emanzipationsbestrebungen des deutschen oder französischen Imperialismus sind vorerst vom Tisch. Die NATO hat wieder eine Existenzberechtigung. Gleichzeitig schwächt man die EU wirtschaftlich und sozial – und liefert sie auch als potenzielles Schlachtfeld der möglichen Eskalation aus. Vor allem aber schwächt der Ukrainekrieg, ungeachtet seines Ausganges, Russland. Und dies nützt dem eigentlichen globalen Ziel der USA: Im Kampf um die imperialistische Vorherrschaft gegen China ruiniert man den wichtigsten Verbündeten Pekings, wodurch man sich im früher oder später folgenden direkten Konflikt entsprechende Vorteile verspricht.

Tatsächlich sind vor diesem gesamten Background 14 deutsche Leopard-2-Panzer nur eine kleine Facette der imperialistischen Pläne und Entwicklungen. Doch sie verdeutlichen, wohin die Reise geht. Je mehr die europäischen NATO-Staaten offene Kriegsparteien werden, desto eher wird Russland diese auch so behandeln. Ebenso wird Russland nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine weiter aufgerüstet wird, sondern aktiv werden, mit früheren Offensiven, aber vielleicht auch mit Waffen, die bislang noch nicht eingesetzt wurden. Dabei geht es gar nicht einmal um Atombomben, denn auch ansonsten verfügt die russische Armee über moderne Möglichkeiten – etwa Hyperschallraketen –, um ukrainische (und europäische) Städte über Nacht in Schutt und Asche zu legen, wovon bisher kein Gebrauch gemacht wurde. Dies wäre eine der möglichen Eskalationen, die man in den USA, der NATO und offenbar ebenso in der BRD in Kauf nimmt. Es versteht sich von selbst, dass damit auch geografische Ausweitungen des Krieges in Richtung eines Dritten Weltkrieges vorprogrammiert wären. Am Ende stünden allerseits Zerstörungen und Vernichtungen, die man sich kaum ausmalen möchte.

Zwischen Stalingrad, Hiroshima und Nürnberg

Und da will man uns vormachen, der totale Krieg bis zum Endsieg sei unvermeidlich? Nein, Krieg, Aufrüstung und Eskalation sind es, die enden müssen. Wer den permanenten Krieg und die eigene potenzielle Vernichtung einem unangenehmen Frieden vorzieht, hat jedes Maß verloren. Aber das ist das Prinzip des Imperialismus: Er kümmert sich nicht um Soldaten und Zivilpersonen, sondern nur um seine Ziele. Den deutschen Imperialismus sollte man daran erinnern, dass seine Ambitionen – im übertragenen Sinn – in einem neuen Stalingrad und im neuerlichen Untergang münden werden. Sofern es nicht zu einem noch umfassenderen Hiroshima kommt. Die deutsche und europäische Bevölkerung könnte einen hohen Preis für die Unverantwortlichkeit von Scholz und Baerbock zahlen. Einen „Friedenspanzer“ gibt es nur in einem utopischen Songtext der Ärzte, der Leopard 2 fährt hingegen in den bellizistischen Abgrund, und wir alle sind mit an Bord.

Kann es Frieden in der Ukraine geben? Nach gegenwärtigen Machtverhältnissen nur dann, wenn sich Washington und Moskau darauf einigen. Das ist nicht undenkbar, denn irgendwann wird sich jeder die Frage stellen, ob er noch mehr Ressourcen in diesen Konflikt stecken möchte oder überhaupt kann. Mit Lenin wissen wir allerdings, dass im kapitalistischen und imperialistischen System Friedenszeiten nur Atempausen zwischen Kriegen sind. Es mag eine unbequeme Wahrheit sein: Es braucht den Sturz derjenigen, die vom Krieg profitieren – und das sind die Kapitalisten und Imperialisten. Es braucht den Sozialismus, um eine Welt des Friedens und der Völkerfreundschaft zu verwirklichen, in der die Reichtümer dieser Erde allen zugutekommen und für die positive Entwicklung der Menschheit und nicht deren Vernichtung eingesetzt werden. Die Herren Putin, Selenskyj, Biden, Scholz und Stoltenberg dürfen dann Seite an Seite auf der Anklagebank der Völker Platz nehmen. Insofern möge, symbolisch gesprochen, der weitere Weg dieses Konflikts nicht nach Stalingrad oder Hiroshima führen, sondern nach Nürnberg – in einer Bayerischen Räterepublik.

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